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Studienauftrag | 01/2023

Studienauftrag Areal Bälliz 53–59 in Thun (CH)

Gewinner

BAUMANN LUKAS ARCHITEKTUR

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Kuster + Partner AG

Bauphysik

Christoph Etter Fassadenplanungen

Fassadenplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau/Ortsbild (/Vision)

Der Projektvorschlag des Teams Baumann Lukas Architektur folgt den Thesen der Differenzierung zwischen Gassen- und platzseitigen Hauptbauten und aareseitigen Hofbauten, dem Erhalt der historischen Flusszugänge sowie der Stärkung der mittelalterlichen Parzellenstruktur.

Konsequent abgeleitet aus diesen analytischen Erkenntnissen schlagen die Projektverfassenden eine städtebauliche Setzung mit einem dreigeschossigen Eckbau firstständig zum Waisenhausplatz stehenden Gebäude vor, das in der Logik der angrenzenden Bauten, deren Formensprache und Vokabular aufnimmt. Mit der leichten Zurückversetzung des Eckbaus zur Aare wird die typische Charakteristik der aareseitigen Bällizbebauung aufgenommen und die Hierarchie am Hauptplatz zur Aarefront wohltuend und überzeugend geklärt. Die Dreigeschossigkeit zum Flussraum schafft einen markanten Abschluss zur Riemenparzellenstruktur entlang der Aare und vermittelt zum Platz. Gleichzeitig wird durch das Abweichen des Volumens von der Flusskante ein Zugang zum innenliegenden Hof geschaffen, welcher den vom Bälliz her erschlossenen Ehgraben ergänzt. Gemeinsam schaffen die beiden Zugänge eine Erschliessung zum Hof, wie sie der Typologie des Ortes entspricht.

Der gemauerte dreigeschossige Hauptbau, die bestehende hölzerne Kleinbaute am Fluss, die historische steinerne Brandmauer im Westen sowie ein hölzerner neuer Anbau im Süden bilden einen attraktiven und grosszügigen Gässlihof. Rückseitig zum Gebäudeensemble Bälliz ergänzt ein Laubenbau das Angebot an Wohnungen. Die Riemenstruktur wird zur Aare hin bei den Hausnummern Bälliz 53 und 55 mit einem zweigeschossigen fragilen Pavillonbau besetzt, aber der thematischen Logik folgend bleibt dieser von der Uferkante zurückversetzt und wird mit einem Höhenversatz ausgebildet. Dies wird einerseits begrüsst, anderseits wäre zu prüfen, ob die baurechtlich zulässige Höhe, aus städtebaulichen Überlegungen reduziert werden sollte. Durch die innenliegende Setzung werden zwei Aussenbereiche, getrennt durch eine Brandmauer, unterschiedlicher, identitätsstiftenden Qualitäten geschaffen: Neben dem öffentlichen Gässlihof, der dank der historischen Bebauungszäsur den Blick zur Altstadt und dem Schlosshügel eröffnet, bleibt der Wohnhof privat und geschlossen.

Architektur/ Konstruktion

Im architektonischen Ausdruck verhält sich der neue Eckbau kongruent zu den Hauptbauten des Bälliz: Mit Sockel, Mittelbau und Dach wird der neue Bau in Form und Typologie Teil einer bestehenden Familie. Ähnlich wie Geschwister haben sie verwandtschaftliche Züge mit leicht abweichenden, zeitgemässen Merkmalen wie hochstehende Lochfenster, dies ohne die ortstypischen Fensterläden, aber mit Loggien. Das massive Zweischalenmauerwerk tritt mit feinkörnigem Putz in Erscheinung. Hofseitig werden – der typologischen Logik von Nebenbauten folgend – sämtliche An- und Neubauten in einer Holzkonstruktion, tektonisch einfach gefügt, in der Erscheinung fragil, gedacht.

Umgang mit dem Bestand/Denkmalpflege

Die städtebauliche Setzung wird gut verständlich aus dem baulichen Kontext des Bälliz hergeleitet. Die Reihe mit Auftakt Bälliz 59, gefolgt vom ehemaligen Simmenthalerhof wird überzeugend weitergebaut. Entlang des Waisenhausplatzes entsteht eine durchgehende Fassade, welche in einem neuen 3-geschossigen Anbau mit Satteldach endet, dessen leicht aus der Mitte versetzte First die Höhe des Firstes des Simmenthalerhofes übernimmt. Das Satteldach wirkt zum Flussraum hin raumeinnehmend, kann aber im Wechsel zu den kleinmassstäblichen Riemenbauten und dank der Distanz zur Uferkante eine überzeugende Wirkung erzeugen.
Wohltuend ist, dass der Neubau verputzt wird, mit wenigen Fassadenöffnungen auskommt und nicht bis an die Aare gebaut wird, was den Zugang zum grosszügigen, mit einem Baum bestückten Gässli-Hof ermöglicht.

Die Neubauten im Hinterhof der Bällizreihe werden entlang der bestehenden Riemenparzellierung erstellt. Durch die Differenzierung in der Höhe der Bauten bleibt die charakteristische Silhouette entlang der Aare bestehen und die Riemenparzellen ablesbar. Zur Spannung in der Abfolge trägt auch der Erhalt des bestehenden Ateliers, sowie das Vor- und Abrücken der Gebäude entlang der Aare bei.

Der Umgang mit den hinteren Fassaden der Altbauten am Bälliz ist nachvollziehbar und zeigt einen sorgsamen Umgang mit dem historischen Bestand. Begrüsst wird der Erhalt der Treppenhäuser. Der Abbruch des Hinterhauses von Bälliz 57 ist fraglich und ist zu überprüfen.

Erschliessung/ Freiraum/Adressbildung

Sämtliche Gebäude werden zur Bälliz-Gasse oder zum Waisenhausplatz adressiert und möglichst durch die historischen Zugänge erschlossen; wo nötig werden diese ergänzt mit mehrspännigen Zugängen und Liftanlagen zu den Wohnungen. Das Atelierhaus wird durch den Gässli-Hof mit teilweise unkonventionellen Erschliessungen adressiert. Beide Höfe haben eine starke Identität, wobei beide mit der Setzung eines einzelnen Baumes zoniert und gestärkt werden.

Nutzung

Das im Eckbau liegende dreiseitig orientierte Restaurant vermittelt vom Waisenhausplatz zum Bälliz-Höfli. Im Zusammenspiel mit weiteren publikumsorientierten Nutzungen (z. B. Bar, Bäckerei etc.) vermag das Restaurant diesen zu aktivieren.

Fazit

Es handelt sich um einen Projektvorschlag, der das Beurteilungsgremium durch seine hohe architektonische Qualität und Sorgfalt, seine Klarheit und Konsequenz, sowie seine stringente städtebauliche Haltung einstimmig überzeugt. Das Projekt zeichnet sich aus durch einen geschickten Umgang mit der einzigartigen Lage und der historisch bedeutenden Struktur. Der Entwurf überzeugt über den Umgang mit der Historie des Ortes hinaus genauso im Hinblick auf dessen weitergehende Attraktivierung und zukünftige Entwicklung. Er stellt damit einen wertvollen Beitrag und Baustein an eine lebendige Innenstadt und deren Geschichte dar.