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Studienauftrag im selektiven Verfahren | 06/2021

Ersatzneubau Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) Thurgau (CH)

Engere Wahl

Thomas K. Keller Architekten

Architektur

Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure AG

Bauingenieurwesen

Kollektiv Nordost

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

«Energy Plant» versteht sich nicht nur als architektonisches Projekt, sondern formuliert auch sogenannte «Grundregeln» für die weitere Bearbeitung des Konzeptes in der Annahme, dass sich verschiedene Parameter noch ändern werden. Es werden je ein städtebauliches, strukturelles und konstruktives System formuliert, die als «offene Gefässe» aufeinander abgestimmt sein sollen. «Energy Plant» soll also auch als Methode verstanden werden, wie «das technisch komplexe und politisch delikate Vorhaben zu einer erfolgreichen Realisierung geführt werden kann». Das städtebauliche System wird aus der Definition der maximalen Ausdehnung in Länge und Breite sowie durch die Festlegung einer «inneren Strasse» generiert. Eine raumhaltige Stahlkonstruktion erzeugt das strukturelle System für die Integration der Betriebstechnik. Ausfachungen mit seriell vorgefertigten Holzelementen für Wände, Fassaden und Decken bilden dann das konstruktive System. 


«Energy Plant» ist in dieser Hinsicht ein sehr interessanter Ansatz und ein wertvoller Beitrag für die Diskussionen im Beurteilungsgremium. Der mutige Vorschlag ist aber eben auch nicht widerspruchsfrei: So wird die viel erwähnte Flexibilität durch die strukturalistische und engmaschige Tragstruktur aus Stahl vielmehr verunmöglicht als unterstützt. Obwohl die Verfasser das «Problem Massanzug» bei solch technisch getriebenen Nutzungen richtig erkennen, wird in den durchaus ansprechenden Visualisierungen an allen Ecken und Enden eine skulpturale Architektur propagiert, die in dieser Form nicht realisierbar sein wird. Offensichtlich wird dies beispielsweise bei den prominent auf dem Dach angeordneten, giebelförmigen luftgekühlten Kondensatoren. Diese müssen zwingend einen Schallschutz aufweisen, welche eine Einhausung unumgänglich und die angedachte Erscheinung zunichtemacht. Die verfahrenstechnischen Grundlagen wurden ausserdem mit Bedacht ausgearbeitet und werden sich nicht grundlegend verändern. Der Einfluss von «Verbänden und Politik» wird hier von den Verfassern falsch eingeschätzt.


Die Anlage gliedert sich in ein einfaches und über die Zeit robustes Grundschema. Das «Geviert» beschreibt den intensiven Teil der Anlage, welchen sich nicht auf das ganze Grundstück ausdehnen soll und gegen Süden grosszügigen Raum für Laich- und Wandergebiete von Amphibien schaffen will. In Fortsetzung der bestehenden wertvollen Flächen auf den benachbarten Geländen schafft eine Abfolge von Baumgruppen, Lichtungen und Tümpelketten ideale Bedingungen für einen ökologisch hochwertigen Lebensraum. Dieser auch im Sinne der Ressourcenschonung sehr sympathische Gedanke erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als zu enges Korsett für die platzintensiven Rangier- und Umschlagplätze. Das Geviert wird gut über die baumbestandene Rüteliholzstrasse, an der sich auch die Parkierung angliedert, adressiert. Im Geviert selbst sind die Spielregeln einfach und klar: Dachbegrünung auf dem Ersatzbau, harte Verkehrsflächen und temporäre Nutzungen auf dem «Footprint» der bestehenden Anlage. Im Teil der bestehenden Anlage werden über die Themen Energiewaldplantage und Klimabäume interessante Themen im Wechselspiel mit Lager- und Zwischennutzungen angetönt. Hier hätte eine etwas explizitere Bespielung dieser Themen dem Gesamtprojekt «Energy Plant» zu grösserer Sichtbarkeit verholfen.


Die betriebliche Konzeption ist aus übergeordneter Sicht nachvollziehbar. Im Detail stellen sich allerdings verschiedene Probleme. Im Innenraum sind die Umschlagsflächen und die Zugänglichkeit beim Schlackenverlad Betriebs- und Reststoffe sehr eng und generell zu knapp bemessen. Es ist nicht ersichtlich, wie innerhalb des gewählten Konzeptes Anpassungen überhaupt möglich sind. Die Servicegassen rund um das Gebäude verhindern die Zugänglichkeit für die Revisionen von grossen Komponenten. Die Verwaltungsnutzungen und die Leitwarte liegen sehr weit voneinander entfernt, was betriebliche Nachteile hat. Die Verfasser versuchen die Anlage möglichst in allen Etappen in einer in der Höhe vordefinierten, geschlossen Gesamtform zu realisieren. Das ist aus ortsbaulicher und architektonischer Sicht sicherlich erstrebenswert, führt aber in vielerlei Hinsicht zu betrieblichen und baulichen Problemen. Beispielsweise sind die geschlossenen Räume unter den Kranohren in dieser Form nicht möglich, weil der Krangreifer bis auf die Strasse abgesenkt werden muss. Auch für die Erweiterungsbauten stellen sich verschiedene Fragestellungen. So ist zu erwarten, dass die Realisierung weiterer Ausbauschritte mit im Vergleich höherem Aufwand oder gar mit Vorinvestitionen in der ersten Etappe verbunden sind.


Das Bestreben, die Höhenentwicklung des Ersatzbaus möglichst am Massstab der benachbarten Bewaldung zu orientieren, ist lobenswert. Das Projekt weist denn auch im Vergleich geringe Gebäudehöhen auf. Das führt aber auch dazu, dass überdurchschnittlich viel Gebäudevolumen in Untergeschossen untergebracht werden. Zudem führt die raumhaltige Gebäudestruktur zu einem im Vergleich grossen Bauvolumen und somit zu höheren Bau- und Unterhaltskosten. Auch konstruktiv bedingt dieser Ansatz unzählige Versprünge in der Dämm- und Dichtebene. Das Tragwerk durchdringt dabei die Dämm- und Dichtebene vielfach und liegt damit teilweise innen und teilweise aussen. Die gesamte Fassaden-, Dach- und Tragkonstruktion wird damit aufwendig und erfüllt die geforderte Robustheit nicht.


Das Beurteilungsgremium hat die Entwicklung des Projektes mit viel Goodwill begleitet. Es anerkennt ausdrücklich die eigenständige Herangehensweise und die interessante Idee zur Unterscheidung zwischen der Methode und dem konkreten Projekt. Es ist spür- und sichtbar, dass «Energy Plant» mit viel Herzblut und Engagement erarbeitet wurde. Die Pläne sind in ihrer Präzision und die Visualisierungen in ihrer Bildsprache sehr verführerisch. Bei vertiefter Betrachtung zeigt sich aber, dass das Projekt im Vergleich zu den anderen Projekten den grössten Fussabdruck und das grösste unterirdische Volumen aufweist. Die Verfasser haben auch wesentliche und mehrmals vorgegebene Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt. In einem solchen Verfahren kann man sich nicht nur auf die Zuverlässigkeit und auf die Beurteilung einer vorgeschlagenen Methode berufen. Es handelt sich um einen Wettbewerb der Projekte und das Projekt selbst weist zu viele konstruktive und betriebliche Nachteile auf. Damit konnte auch der Nachweis nicht erbracht werden, dass die Methode an sich tatsächlich zu einem schlüssigen Projekt führen kann.