Verhandlungsverfahren | 06/2022
Neubau einer 3-gruppigen KindertagesstÀtte in Lorch-Waldhausen
©hÀrtner architekten
Perspektive Innenraum
3. Rang
ErlÀuterungstext
STĂDTEBAU LEITIDEE
Der Neubau der dreigruppigen Kita soll zusammen mit dem geplanten Neubau der Mensa und Bibliothek das bereits bestehende GebĂ€udeensemble aus Remstalhalle Grundschule und katholischer Kita ergĂ€nzen und arrondieren. Als âneues PlĂ€tzchenâ wird der Eingang von Kita und Bibliothek ausgebildet. Hierdurch erhĂ€lt die innerörtliche Entwicklung von Lorch einen Treff und Anlaufpunkt.
Die Mensa wird mit Ihrem Eingangsbereich zur Remstalhalle orientiert. Der gemeinsame Vorbereich ist dadurch gut nutzbar. Die Setzung der Baukörper folgt dem Prinzip Verdichtung und Anbindung, d.h. es wird ein öffentlicher Zugang fĂŒr Kita und Bibliothek geschaffen die den Innenbereich zwischen den BestandsgebĂ€uden einfasst. Die groĂe GrĂŒnzone wird Richtung Flusslauf geöffnet. Ein Bezug zum umliegenden AuĂenraum wird bis zur bewaldeten Hangkante geschaffen. Die fuĂlĂ€ufige ErschlieĂung wird mit Wegen aus wassergebundener Decke gestĂ€rkt.
BAUKĂRPER
Die GebÀudekanten der BestandsgebÀude werden aufgenommen. Die Kita wird als eingeschossiges Volumen mit Erhöhung im Bereich des Mehrzweckraums geplant. Die Mensa und Bibliothek werden zweigeschossig geplant.
Die hölzernen Sonnenschutzelemente der Remstalhalle und die Pergolen der kath. Kita werden neu interpretiert und in eine zeitgemĂ€Ăe Architektursprache ĂŒberfĂŒhrt.
BAUKONTRUKTION
Die GebÀude werden als Holzrahmenbau geplant und vorgeschlagen. Alternativ als konventionelle Massivbauweise mit CO2- neutralem Betrieb durch entsprechende TGA- Ausstattung. Bei der Innenraumgestaltung werden Massivholz und Holzwerkstoffe eingesetzt.
BAULOGISTIK
Im Hinblick auf den Bauablauf soll das bestehende Provisorium nur geringfĂŒgig verschoben werden (1.BA). Darauf folgend kann die Kita erstellt werden (2.BA). Im Anschluss kann der zweite Baukörper (Mensa+ Bibliothek 3.BA) errichtet werden.
Die Umsetzung von Mensa und Bibliothek kann zeitlich unabhÀngig vom Bau der Kita erfolgen.
NUTZUNGSVERTEILUNG DER BAUABSCHNITTE
Wir schlagen vor, die Mensa als rĂ€umlichen Abschluss des groĂen, grĂŒnen Innenraums Richtung StraĂe zu orientieren und nicht an die Grundschule anzubauen.
Dies hat aus unserer Sicht drei groĂe Vorteile:
1. Kein Eingriff in den Bestand der Grundschule
2. Kein Eingriff im AuĂenspielbereich der Kita durch BaustraĂe/ Baustelleneinrichtung
3. Die GrĂŒnachse kann erhalten bzw. weiterentwickelt werden.
ERSCHLIESSUNG, WEGENETZ UND AUSSENRĂUME
Durch die Platzierung der Baukörper kann das bestehende Wegenetz weitestgehend erhalten werden und wird durch die Platzerweiterung zwischen Remstalhalle und neuer Mensa erweitert. Der âGrĂŒne Innenraumâ wird ĂŒberwiegend durch die AuĂenspielflĂ€che der Kita genutzt. Er hĂ€lt aber auch weitere AktionsgerĂ€te fĂŒr Jugendliche vor, um den Weg von der Grundschule zur Mensa und den Ăbergang zum GrĂŒnraum attraktiv zu gestalten.
Der Zugang zur Grundschule bleibt erhalten und mĂŒndet in den neu gefassten Schulhof der durch SitzbĂ€nke und BegrĂŒnung in den wassergebundenen neuen Weg Richtung Flusslauf fĂŒhrt. Entlang des Radweges werden in die GrĂŒnzone Spielinseln integriert, die öffentlich zugĂ€nglich sind und den Schulgarten und die Skateboardanlage um weitere Spielstationen ergĂ€nzen.
STADTRĂUMLICH
Klare Zonierung der FreirĂ€ume durch PlĂ€tze im Eingangsbereich der GebĂ€ude zur Steigerung der AufenthaltsqualiĂ€t und Trennung der Funktionen. Orthogonale Anordnung im Bereich der GebĂ€ude und freie Anordnung im Ăbergang zur Landschaft. Unterschiedliche Wertigkeit der Wege, auch in Bezug auf die gewĂ€hlten BelĂ€ge.
Die bestehenden Hauptwege werden erhalten oder teilweise neu verlegt und im Platzbereich ergĂ€nzt. Nebenwege als bessere âTrampelpfadeâ sind auch bei schlechtem Wetter begehbar. Dadurch wird eine neue Wertigkeit geschaffen, die ein differenziertes âGeherlebnisâ ermöglicht. Das Areal erhĂ€lt eine DurchlĂ€ssigkeit zum ĂŒbergeordneten Weg entlang der Rems, (Remsradweg, siehe Radwegkonzept). Ausbildung von rĂ€umlichen Zimmern fĂŒr die unterschiedlichen Nutzungen wie SpielgerĂ€te, Lesen in der Wiese o.Ă€., Abgrenzung optisch durch verschieden hohe Vegetation, Kaschierung der notwendigen ZĂ€une. Der Landschaftsraum Rems mit dahinterliegender HĂŒgelkette und Wald, erfĂ€hrt eine Ăffnung der Durchblicke und Wegebeziehungen. Das Landschaftsraumerlebnis wird Bestandteil der Gesamtanlage.
MASSNAHMEN
VEGETATIONSKONZEPT
StĂ€rkung und Verdichtung der Vegetation mit GroĂbĂ€umen in den Eingangssituationen. Die vorhandene Kiefer bleibt erhalten. Die Ăberstellung des vorhandenen Parkplatzes mit einheimischen BĂ€umen wie Ahorn und Eiche, zur Beschattung und Hitzeminderung der befestigten FlĂ€chen.
RaumprĂ€gende Gehölze im Bereich der Grundschule werden erhalten, Auslichten des Gehölzsaums, um Transparenz und Durchblicke zur Bachvegetation und HĂŒgel zu schaffen.
GELĂNDEGESTALTUNGSKONZEPT
Leichte Modellierung des GelĂ€ndes mit niedrigen ErdwĂ€llen im Bereich der neuen Kita und hinter der Remstalhalle zur Erhöhung des Spielwertes, Lenkung und UnterstĂŒtzung der WegefĂŒhrungen wie zur Abgrenzung, Wiederverwendung des Aushubs, Minimierung des CO2 FuĂabdrucks und Einsparung von DeponiekapazitĂ€t und Kosten
BELAGSKONZEPT
Fusswege/ PlÀtze:
Vorhandene Betonpflasterwege werden erhalten bzw. demontiert und neu verlegt, neue PlatzflÀchen mit Betonsickerpflaster werden erstellt -> Schwammstadtprinzip
Spielbereich Kita:
Bobbycarbahn: EPDM gebundener Fallschutzbelag farbig, Holzschnitzelbelag aus zertifizierten Schnitzeln
Innenbereich: wassergebundene Decke abgestreut mit Kies, Fallschutzbereiche mit Kies
Funktionsbereich Kita
Bereich FahrrĂ€der/ MĂŒll: Schotterrasen alt. partiell Betonpflaster mit Rasenfugen
Nebenwege aus wassergebundener Decke und Schotterrasen, ohne Randeinfassung, Spielinseln in der Wiese, Fallschutzbereiche: Holzschnitzel
BetonbÀnke vor Remstalhalle: Schotterrasen
ERGĂNZUNG VEGETATION
GroĂbĂ€ume einheimisch wie
Spitzahorn ( Acer platanoides), Stieleiche ( Quercus robur), Traubeneiche ( Quercus petraea), Birke ( Betula pendula), Grauerle (Alnus incana, auch mehrstÀmmig), Kastanie (Aesculus hippocastanum), Pappel ( Populus canescens), Hainbuche (Carpinus betulus), Kiefer ( Pinus sylvestris)
GrosstrÀucher einheimisch, ungiftig, Hainbuche ( Carpinus betulus), Kornelkirsche ( Cornus mas), Haselnuss ( Corylus avellana), Weiden ( Salix i.S.)
Hecken einheimisch, ungiftig aus Johannisbeere ( Ribes alpinum), Hainbuche (Carpinus betulus) , Kornelkirsche ( Cornus mas), Felsenbirne ( Amelanchier rotundifolia), Schneeball (Viburnum lantana)
Alle StrÀucher mit Spielwert
BegrĂŒnung Pergola: Wilder Wein ( Parthenocissus quinquefolia), Wein ( Vitis coignetiaea) Waldrebe (Clematis in Sorten), Geissblatt (Lonicera i.S.), Blauregen ( Wisteria i.S.), Hopfen ( Humulus lupulus),
Rasen-/ WiesenflÀchen:
Bereiche bespielbar: Blumenrasen
Bereiche ökologisch aufgewertet: Blumenwiese
Abnehmende Gestaltungs- und NutzungsintensitĂ€t Richtung Rems, Ăbergang zur Landschaft
INNENRAUMKONZEPT
Materialien, Licht, AtmosphÀre
Durch die Platzierung der Garderobe und des Mehrzweckraums zum EingangsplĂ€tzchen entsteht eine einladende groĂzĂŒgige Situation.
Am Eingangsbereich ist die KĂŒchenzeile direkt angeordnet. Der Zugang vom Kinderwagenraum kann direkt in die Halle erfolgen. Unser Vorschlag zum zentralen Lagerraum:
Der Lagerraum könnte optional auch als âAtelierâ genutzt werden, die LagerflĂ€chen könnten auch direkt in den NebenrĂ€umen realisiert werden.
Die RĂ€ume erhalten Akustikdeckensegel bzw. Abhangdecken z. B. aus Wollfilz, um mechanische LĂŒftung soweit erforderlich zu integrieren und die Raumhöhen flexibel gestalten zu können. Alle âkindberĂŒhrtenâ WandoberflĂ€chen werden in hochwertiger Wandverkleidung ausgefĂŒhrt. Im Falle einer Holzmassivbauweise könnte dies alternativ auch eine unbehandelte HolzoberflĂ€che sein. An die Spielzone durch das Haus lagern sich die drei Gruppen und NebenrĂ€ume an die mit der Orientierung nach Osten immer Morgensonne bekommen.
Diesen RĂ€umen vorgelagert ist das âkleine grĂŒne Höfleâ, das den AuĂenraum direkt an die GruppenrĂ€ume anschlieĂt. Jede Gruppe hat dadurch auch einen eigenen kleinen AuĂenspielbereich. Die Ăffnungen in der AuĂenwand werden als Fensterkombination mit groĂem festverglastem Sitzfenster und Fensterklappe fĂŒr NachtauskĂŒhlung und TĂŒrelement vorgeschlagen. Dieses Ăffnungselement wird auch auf die InnenwĂ€nde ĂŒbertragen. Hierdurch entsteht eine hohe Transparenz in der mittleren Flurzone. Die Flurzone bietet somit Ausblick nach beiden Seiten und erhĂ€lt ĂŒber drei Oberlichtkuppeln zusĂ€tzlich Tageslicht.
FLEXIBILITĂT
Durch die Anordnung der NebenrĂ€ume am Spielflur kann auf den exakten Zuschnitt und evt. sich Ă€ndernde RaumgröĂen im weiteren Planungsprozess reagiert werden. D.h. wenn beispielsweise RĂ€ume vergröĂert oder verlegt werden sollen ist dies möglich.
Ein stÀrkeres Verzahnen von Garderobe und Mehrzweckraum wÀre ebenfalls denkbar. Der Windfang könnte hierbei dem Haus auch vorgelagert werden.
UMWELT, ĂKOLOGIE, NACHHALTIGKEIT
Sowohl Fassaden und Pergolen als TeilĂŒberdachung und feststehender Sonnenschutz können begrĂŒnt werden. GroĂe Teile des Daches sind der Photovoltaik vorbehalten.
Das GebĂ€ude ist als Low Tech GebĂ€ude konzipiert und soll nach GEG 40 Standard ausgefĂŒhrt werden.
Hierzu tragen die natĂŒrliche FensterlĂŒftung und die NachauskĂŒhlung bei.
Mechanische LĂŒftung kann bei Bedarf (ĂŒber die SanitĂ€r und KĂŒchenbereiche hinausgehend) integriert werden.
ZUSAMMENFASSUNG
Durch das Weiterweben im System der BestandgebĂ€ude und der Erweiterung der Wegestruktur entsteht eine zukunftsfĂ€hige Gesamt-Anlage die auch auf zukĂŒnftige sich verĂ€ndernde Anforderungen reagieren kann.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Verfasser ergĂ€nzen das offene, landschaftlich reizvoll geprĂ€gte Bestandsensemble mit einer strengen und raumfassenden Anordnung der neuen Baukörper. Der Neubau der KindertagesstĂ€tte ist gegenĂŒber der Remstalhalle angeordnet. Dazu wird der Container-Kindergarten temporĂ€r nach Westen verlagert. Zwischen der Halle und dem nach Norden abgestaffelten eingeschossigen Baukörper liegt der Freibereich der KindertagesstĂ€tte. Seine kreisförmige Gestaltung kann als markante Akzentuierung einer neuen Mitte gedacht sein. Sie mag aber in keiner Weise ĂŒberzeugen. Die unzeitgemĂ€Ăe Gestaltung ohne nennenswerte begrĂŒnte Schattenbereiche und die uninspirierten SpielrĂ€ume werden bemĂ€ngelt. Als abgetrennter Spielbereich kann der Kreis auch nicht als öffentlicher Vorbereich der Remstalhalle genutzt werden. Vielmehr entstehen so beenget Situationen entlang der Remstalhalle.
Nach SĂŒden schlagen die Verfasser eine temporĂ€re Pergola vor, die den Eingangsbereich der KindertagesstĂ€tte und den Zugang zum Freiraum um die Halle definiert und rĂ€umlich fasst. Mit dem spĂ€teren Bau von Bibliothek und Mensa soll ein groĂer Teil der Pergola entfallen. Die Pergola ist jedoch sehr additiv und gestalterisch ungeschickt vor die KindertagesstĂ€tte gestellt. Der Wille zur rĂ€umlichen Gliederung durch die Pergola wird erkannt. Die Lösung ĂŒberzeugt jedoch nicht, da sie auch nicht in Verbindung mit dem spĂ€teren zweiten Bauabschnitt konzipiert ist.
Die KindertagesstĂ€tte ist in der ersten Wahrnehmung stringent um einen groĂzĂŒgigen und gestaffelten Zentralraum organisiert. Der Zugang liegt konsequent am sĂŒdlichen Vorplatz an der Reinhold-Maier-StraĂe. Die nĂ€here Betrachtung zeigt jedoch erhebliche MĂ€ngel. Im Eingangsbereich fehlt ein Windfang, der aufgrund der beengten ZugĂ€nge in den Mehrzweckraum und die zentrale Garderobe nicht möglich ist. Die Anordnung der Garderobe am sĂŒdlichen Ende des GebĂ€udes ist funktional nicht sinnvoll und bietet keine gruppenbezogene Zuordnung. Ebenso erscheint die Anordnung des Schlafraums direkt am Gartenzugang als bedenklich. Der Zentralraum bietet wenig Spielmöglichkeiten und dĂŒrfte sehr laut sein. Die Idee, den GruppenrĂ€umen jeweils âgrĂŒne Zimmerâ vorzulagern wird sehr positiv aufgenommen. Allerdings wird die Lage der GruppenrĂ€ume abseits des zentralen Freibereichs auf der Ostseite des Baukörpers kritisch gesehen, da sie einen hohen Aufsichtsaufwand erfordert.
Die Anordnung des Baukörpers fĂŒr Bibliothek und Mensa ist innerhalb des Konzeptes konsequent. Die getrennten ZugĂ€nge passen zur Nutzung und liegen richtig. Leider bietet die Freiraumgestaltung vor der Remstalhalle keine AufenthaltsqualitĂ€t fĂŒr diesen zentralen Ort.
Die Arbeit zeichnet sich durch eine engagierte Herangehensweise aus und zeigt einige interessanten Entwurfsideen. In der Summe können jedoch weder die stĂ€dtebauliche Disposition noch Grundrissstruktur und Baukörperausbildung ĂŒberzeugen. In der wirtschaftlichen Betrachtung fallen die hohen VerkehrsflĂ€chenanteile auf, wohingegen die GruppenrĂ€ume minimal dimensioniert sind. Schade ist auch, dass die Aussagen zur Freiraumgestaltung sehr rudimentĂ€r bleiben und keine Ideen fĂŒr eine nachhaltige Gestaltung liefert. Die Potentiale zur Ausbildung eines interessanten und fĂŒr alle Nutzergruppen bespielbares Gesamtensemble wurden nicht ausgeschöpft.
©hÀrtner architekten
Axonometrie Innenraum
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Modellfoto 1
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Modellfoto 2
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Modellfoto 3
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Plan 1
©hÀrtner architekten
Plan 2