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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2023

Neubau Gemeindezentrum in Naarn (AT)

1. Preis

Preisgeld: 7.400 EUR

ARCHITEKT DIPL.-ING. GERALD ANTON STEINER

Architektur

Erläuterungstext

KONTEXT
Die Gemeinde Naarn liegt in der weiten und für ihre Fruchtbarkeit bekannte Machlandebene im südlichen Teil des unteren Mühlviertels. Als weitgehend flaches Gebiet an der südlich verlaufenden Donau hat die Gegend wegen ihrer landwirtschaftlichen Produktion weit überregionale Bedeutung; eine kontinuierliche Besiedlung ist bis in die Jungsteinzeit nachweisbar. Auf eine schon frühe überregionale Relevanz verweist auch die Pfarrkirche Naarn, als eine der Urpfarren des unteren Mühlviertels, wobei die bestehende Pfarrkirche eine fast tausendjährige Geschichte hat. Der bedeutenden landwirtschaftlichen Nutzung in der Gemeinde entsprechen auch die vorherrschenden Bauformen der Vierkanthöfe, die hier ihre nördlichere Verbreitung finden und die Mehrzahl der Streusiedelungen des Umlands von Naarn bilden. Sie finden sich auch im Ortskern der Gemeinde, und werden auch dort weiterhin landwirtschaftlich genutzt. Prägend für das Ortszentrum ist die historische Pfarrkirche mit noch erhaltener Friedhofsmauer und denkmalgeschütztem Karner, der heute als Aufbahrungshalle genutzt wird. Gemeinsam mit dem bestehenden Gemeindeamt bildet dieses ein stimmiges Ensemble, zugleich aber auch eine Engstelle für den Verkehr.

KONZEPT
Der Naarner Hof greift im Entwurf zwei für Naarn typische Bauformen auf: jene des Vierkanters, und jene der Siedlungsform der um einen Weiler gruppierten Gehöften. Dem Vierkanthof eigen ist die Verbindung unterschiedlicher Nutzungen in den unterschiedlichen Trakten, wobei sich die Typologie selbst erst im Laufe der Neuzeit herausgebildet hat und einzelne, nahe liegende Gebäude zu einem Geviert verband. Vor diesem Hintergrund vollzieht der Naarner Hof diese Baugeschichte nach und überlagert den kompakten Vierkanter mit offen gruppierter Siedlungsform. Das bestehende Gemeindeamt bildet hier gleichzeitig Ausgangspunkt und Schlussstein der vier um einen platzartigen Hof gruppierten Baukörper, die in unterschiedlichen Abständen zueinander gleichzeitig schützend Raum bildend wirken, wie sie auch Durchblicke und Durchgänge schaffen. Im Naarner Hof wird die Verbindung zwischen den einzelnen Baukörpern weniger in gebauter, denn in stadträumlicher Form gedacht: der Hof wird durch eine Gasse Richtung Westen mit dem Marktplatz verbunden, während ein breiteres Platz’l, dass das Gemeindeamt flankiert, sich breiter zu Pfarrkirche und Karner öffnet. Der Naarner Hof wird so zu einer intimeren Ergänzung zum offen gestaltetem Markplatz.

STÄDTEBAU
Städtebaulich übernimmt der Naarner Hof viel vom Bestand: der charakteristische, längliche Baukörper sowie die Fassadenkante und Dachform des ehemaligen Kirchenwirts wird im Wesentlichen beibehalten, einzig die Engstelle an der Friedhofsmauer im Bereich des Karners wird durch ein Ausdrehen der straßenseitigen Fassade aufgeweitet. Der östlich angrenzende Durchgang beim Gemeindeamt wird geöffnet, das Gemeindeamt selbst freigestellt und bildet gleichsam einen Solitär im Geviert. Die niedrigere Erweiterung des Kirchenwirts wird ersetzt durch einen zweigeschoßigen Baukörper, der gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Gebäude Marktplatz 5 einen klareren Abschluss dieses Platzes bildet. Die Form der Baukörper selbst leitet sich städtebaulich aus den Fassadenfluchten der umliegenden Bestandsgebäude ab. Die Nordfassade des neuen Gemeindeamts bildet eine Parallele zur Längsachse der Kirche, das bestehende Gemeindeamt war hingegen bereits annähernd parallel zum Karner ausgerichtet. Das im intimeren Hofbereich liegende Ärztehaus greift die Richtungen des östlich liegenden Hofs auf, das Gewerbehaus mit Bank und Friseur nimmt die Grundrisslinien der unmittelbaren Nachbarn auf. Insgesamt wird die geschlossene Form des derzeitigen Gebäudebestandes zwar aufgegriffen, aber aufgelockert, die Öffnungen in den Naarner Hof geben der Gebäudestruktur eine Durchlässigkeit zwischen Kirche, Marktplatz und dem ansprechend begrünten südlichen Nachbargrundstück.

NAARNER HOF
Der Nutzungsmix laut Raumprogramm wird entlang des Konzepts des Naarner Hofs in die einzelnen, zu Häusern aufgelösten Trakte übersetzt. Das bestehende Gemeindeamt wird zum Wirtshaus samt südseitigem Gastgarten im Hof, der dank der länglichen Streckung des Hofes in ost-westlicher Richtung auch abendlich besonnt wird. Das Stiegenhaus wird innerhalb der Gebäudekubatur erneuert und führt nun in weitere Gaststubenbereiche im Obergeschoß, wo auch auch Platz für größere Gesellschaften geboten ist. Südlich davon liegt das Ärztehaus, wo im Erdgeschoß die Arztpraxis und im Obergeschoß die Zahnarztpraxis eingerichtet werden. Den nördlichen und westlichen Abschluss des Naarner Hofs schließlich bildet das neue Gemeindehaus: im länglichen Gemeindetrakt sind auf zwei Ebenen Bürgerservice, Amtsleitung und Bürgermeister, darüber Sitzungssaal und Multifunktionssaal um ein gemeinsames, großzügiges Foyer gruppiert. Eine Anbindung zwischen dem teilbaren Multifunktionssaal und dem Obergeschoß des Wirtshauses ist angedacht; der bestehende Durchgang könnte jedenfalls erhalten bleiben. Die erdgeschoßigen Gemeindefunktionen erlauben auf allen Ebenen der Gemeindeverwaltung einen transparenten Bezug auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern. Im Obergeschoß des südlichen Gemeindetrakts liegen weitere Gemeindebüros sowie Nebenräume für die Säle, während im Erdgeschoß mit vorgelagertem Vorplatz samt Parkmöglichkeiten Friseur und Bank situiert sind.

ARCHITEKTUR
Formal wie auch in städtebaulicher Hinsicht nimmt der Naarner Hof Bezüge zur Umgebung auf: die fast ausschließliche Zweigeschoßigkeit im Ort, die vorherrschenden Steildachformen, insbesondere jene der das Erscheinungsbild zahlreicher Gebäude prägenden Walmdächer wie jene der Hofgebäude werden aufgegriffen. Die so entstehenden Dachräume erweitern das Volumen der Säle und des Foyers, die solcherart ohne Geschoßüberhöhung einen großzügigen Luftraum erhalten. Ebenso entsprechend der umgebenden Bebauung ist die Oberflächengestaltung mit Putzoberfläche und Lochfassade, die hier – rhythmisiert durch unterschiedliche Größen – das Erscheinungsbild des Naarner Hofs prägt. Die unterschiedlichen – obzwar eher geringfügigen – Höhenunterschiede am Gelände werden barrierefrei über flache Anrampungen des Geländes im Hof, einen Platz’l-seitigen Zugang zum Wirtshaus (in Ergänzung zum bestehenden, über drei Stufen erreichbaren Zugang zum bestehenden Gemeindeamt) sowie einen Durchladeraufzug im Erdgeschoß des Gemeindeamts gelöst. In diesem Fall kommt die gewonnene Raumhöhe dem offen gestalteten Bürgerservice zugute. Das gesamte Entwurfskonzept zielt darauf ab, neben dem Erhalt des bestehenden Gemeindeamts die neuen Baukörper wie selbstverständlich am Marktplatz zu situieren und im baulichen Gefüge der Gemeinde zu integrieren. Die kompakten, stark aufeinander und zur Umgebung bezogenen Baukörper in massiver Bauweise lassen zudem gleichermaßen eine wirtschaftliche Errichtung wie auch einen wirtschaftlichen Betrieb erwarten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebauliche Konzept greift die für Naarn typischen Bauformen von Vierkanter und die um einen „Weiler“ gruppierten Höfe auf und überlagert den kompakten Vierkanter mit einer offen gruppierten Siedlungsform. Das neue Gemeindeamt wird folgerichtig entlang der Hauptstraße als langgestreckter Satteldachbaukörper situiert und ist gemeinsam mit dem durch die neue Marktgasse getrennten 2. Baukörper, der ebenfalls mit einem Satteldach vorgeschlagen ist, räumlicher Abschluss des Marktplatzes. Eine „Marktgasse“ führt in den „Naarner Hof“ (innenhofartiger öffentlicher Raum), an dem einerseits das neue „Ärztezentrum“ und im Norden das bestehende „Gemeindeamt“ das ortsräumliche Gesamtkonzept komplettieren. Insgesamt wird die geschlossene Form des derzeitigen Gebäudebestandes aufgegriffen, aber durch die Setzungen der neuen 3 Baukörper mit einer Durchlässigkeit zwischen Kirche und Marktplatz, sowie dem begrünten südlichen Nachbargrundstück städtebaulich weiterentwickelt.

Der im Raumprogramm vorgesehene Nutzungsmix wird im Konzept des „Naarner Hofes“ mit den einzelnen Häusern übersetzt, wobei das neue Gemeindeamt mit Mehrzwecksaal die den beiden Funktionen entsprechende selbstverständliche ortsräumliche Setzung und Verortung erhalten, das sich im baulichen Gefüge des Ortszentrum schlüssig integriert.

Insgesamt vermag das stimmige „kompakte“ Gesamtkonzept das Preisgericht zu überzeugen, wobei auch von diesem Beitrag die erwartete Wirtschaftlichkeit in Errichtung und Betrieb eingelöst werden kann.