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Offener Wettbewerb | 04/2024

Freiraumgestaltung Lausitzer Platz in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg

Visualisierung Kirche

Visualisierung Kirche

Kiezleben - Mitten im Grünen

1. Preis

Preisgeld: 23.000 EUR

WES LandschaftsArchitektur

Architektur

Tom Kirsten, Freier Landschaftsarchitekt

Wasserbau

A.Calitz Visual

Visualisierung

Erläuterungstext

Die Luisenstadt ist durch eine dichte gründerzeitliche Blockrandbebauung geprägt, die auf einem orthogonales Grundraster basiert. Der Lausitzer Platz liegt diagonal zu diesem Raster, was ihn städtebaulich heraushebt und zur Skalitzer Str. orientiert. Den städtebaulichen Schwerpunkt bildet die Emmaus-Kirche, die dem Platz seine Nord-Süd-Ausrichtung und seine Sichtbarkeit verleiht.

Auf Grundlage des historischen Parkwegekonzeptes mit rahmenden Wegen, der Planung der 90er Jahre und der Diagonalachse sowie zusätzlich benötigten (an Trampelpfaden abzulesenden) Wegebeziehungen und Nutzungsanforderungen wird die Grüne Platzmitte neu gegliedert. Am Kreuzungspunkt all dieser Verbindungen wird ein Treffpunkt und neue Mitte geschaffen, die dem Lausitzer Platz zusammen mit der Emmaus-Kirche und ihren vielfältigen Angeboten, ein lebendiges soziales Zentrum gibt.

In direkter Nachbarschaft zu dem im Norden angrenzenden Spielplatz entsteht eine lebendige Lichtung, die das Aufenthaltsangebot bündelt und bewusst konzentriert. Die robuste räumliche Verdichtung der Nutzungs- und Aufenthaltsbedürfnisse in der Platzmitte entlastet die ruhigeren Platzränder. Diese schützen als Filter die Wohnbebauung vor Lärmbelästigungen.

Der vorhandene Bolzplatz wird durch einen attraktiven, neu gestalteten Ballfangzaun gefasst und durch Freizeitangebote, wie z.B. Tischtennis und Parkour für aktive Erwachsene bereichert. Angebote wie Bänke mit Tische bieten unterschiedlichen Gruppen sowie Familien Platz, um sich konsumfrei zu treffen, zu spielen oder ein Picknick im Freien.

Diese lebhafte Mitte wird durch einen grünen Rahmen gefasst, deren Wiesenflächen von niedrigen, ca. 120 cm hohen Strauchpflanzungen, vor dem Überlaufen geschützt werden. Zusätzlich schafft die Pflanzenauswahl nach den Regeln des Animal Aided Design Futter- und Nistangebote für Vögel und Insekten.

Der altersübergreifende, gendergerechte und inklusive Spielplatz verbleibt unter den vorhandenen Bäumen am Nordrand. Die komprimierte Positionierung des Spielplatzes schafft diagonale Wege- und Blickbeziehung, was in Verbindung mit dem geordneten Wegenetz und niedrigen Pflanzungen zu einer intuitiven Orientierung und hohem Sicherheitsempfinden führt.

Auf dem Spielplatz werden alle zu erhaltenden Spielgeräte integriert. Ein langes Spielband, mit einer Vielzahl eingehängter Spielangebote dient als räumliches Gerüst und interpretiert historische Wege- und Raumbeziehungen neu.

Von Baumkronen beschattete kleine und ruhige Treffpunkte abseits des Trubels sind entlang der Wege auf sich geschwungen aufweitenden Plätzchen vorgesehen. Strauchgruppen unterstützen die Raumbildung, verhindern aber durch ihre Anordnung und Wuchshöhe das Entstehen von uneinsehbaren Angsträumen.

Das robuste Netz aus Wegen und Aufenthaltsbereichen bündelt Fußverbindungen, Spielplatzflächen und Aufenthaltsbereiche und schützt durch eine nutzerorientierte Anordnung die geplanten Grünflächen vor hohem Nutzungsdruck. Unterstützt wird dies durch ein leichtes Absenken des Niveaus neben den Wegen, was die Nutzenden intuitiv vom Überlaufen der angrenzenden Grünflächen abhält und gleichzeitig die Entwässerung in die Grünflächen ermöglicht. Lange Bänke vor den Wiesenflächen sowie ggf. zusätzlich angeordnete Tiergartenbänder unterstützen den Schutz der Pflanzflächen.

Der Vorplatz im Süden der Kirche wird durch große Wiesenflächen mit niedrigen Gräsern und Sträuchern begrenzt, die den historischen Grünflächen nachzeichnen und gleichzeitig neu interpretieren. Dem Eingang zur Kirche wird ein kühlender Nebelbrunnen gegenübergestellt. Eine flach gemuldete, helle Betonfläche dient als Bühne für im Dunst eintauchende Menschen sowie in der Nacht durch einen Lichtspot erleuchtet, für Tänzer oder Performances. Die Kirchentreppe, lange Bänke sowie frei auf der Fläche stehende, fixierte Stühle dienen als Tribüne und informeller Treffpunkt. Vor den Wiesenflächen neben der Kirche bieten lange Bänke den Blick in die Süd-Sonne und auf den Platz. So entsteht eine urbane von baumüberstandenen Pflanzflächen gerahmte Platzfläche mit differenzierten Sitzangeboten; ein jugendlicher Treffpunkt mit der notwendigen Entfernung zur Wohnbebauung. Die zu Hainen ergänzten Lindenreihen schaffen dem Lausitzer Platz insgesamt mehr Präsenz und verdeutlichen den Anspruch eines Grün-Blauen Stadtraums.

Mit dem aufgewerteten Vorplatz der Emmaus-Kirche, der sportlich geprägten Mitte, dem Spielplatz und der zur Stadtterrasse aufgewerteten Nordkante entsteht eine differenzierte soziale Achse.

Um die grüne Platzmitte verläuft ein niveaugleicher Rahmen, der alle Anbindungen und Sicherheitsbelange abwickelt. Klassische Berliner Gehwegbereiche aus Mosaiksteinen und Gehwegplatten schaffen eine eindeutige Zonierung in Aufenthaltsbereiche (z.B. Außengastronomie) und Bewegungszonen: Die heutige Fahrbahn wird mit vorhandenem Großsteinpflaster befestigt, ein asphaltierter Radweg wird darin integriert und schafft durch den Materialwechsel Eindeutigkeit in der Nutzungszuordnung. Zur grünen Mitte hin wird das Mosaikpflaster niveaugleich fortgeführt und verdeutlicht das neue Platzverständnis von Fassade zu Fassade und die Unterordnung von motorisiertem Verkehr.

An der Nordseite werden gepflasterten Randbereiche erweitert und die Sickerbeete auf das nötige Minimum reduziert. Wie auf einer Art Stadtterrasse sitzen hier die Anwohner und die Gäste mit Blick auf den grünen Stadtplatz. Aufenthaltsflächen für die Gastronomie wechseln sich mit neuen, konsumfreien Sitzangeboten ab. Die Eisenbahnstraße sowie die Waldemarstraße schließen sich hier mit kleinen platzartigen Flächen an.

Urban Gardening bzw. Nachbarschaftsbeete sind als ruhiges, soziales Angebot umlaufend entlang der Platzkanten vorgesehen. Ergänzend am Eingangsplätzchen in Verlängerung der Eisenbahnstraße.

Analog zu den Eingangsplätzchen im Norden werden die kleinen Dreiecksplätze im Übergang zur Skalitzer Straße in ihrer städtebaulichen Form betont. Flächen aus wassergebundener Wegedecke mit eingelegten Pflanz- und Sickerfläche schaffen urban-grüne Plätze, auf denen die bestehende Gastronomie ihren Platz findet.

Anfallendes Regenwasser der Randbereiche wird in begleitende Grünstreifen geleitet. Die neuen Grünstreifen ohne vorhandene Bäume werden abgesenkt, um ausreichend Stauvolumen zu bieten. Überschwemmungstolerante Pflanzungen stärken die Verdunstung. Eine horizontale Verteilung in die Baumgruben wertet die heutigen Baumstandorte auf.

Anfallendes Regenwasser der angrenzenden Dächer könnte über den Gehweg oder unterhalb der Tragschicht in die Tiefbeete oder Kiesrigolen unter den straßenbegleitenden Pflanzstreifen geleitet werden. Im Bereich der unter der Fahrbahn eingebaute Schotterschichten (angelehnt an das Stockholmer Modell) erweitern das Retensionsvolumen. Im Bereich der grünen Platzmitte wird das anfallende Regenwasser in angrenzende Grünflächen und/oder Baumscheiben geleitet und der natürliche Wasserhaushalt wiederhergestellt. Natursteinpflaster mit einem hohen Fugenanteil unterstützt das Konzept der Versickerung und Verdunstung vor Ort und steigert mit den hohen Grünanteil die Kühlungsleistung erheblich.

Vor Ort vorhandenes Natursteinmaterial, wie das Mosaikpflaster, Gehwegplatten, Großsteinpflaster und Granitborde, werden zu etwa 80% wiederverwendet. Nur rund 1/3 der befestigten Flächen werden aus Neumaterial erstellt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf "Kiezleben - Mitten im Grünen" ordnet den Lausitzer Platz auf überraschend selbstverständliche Weise und bietet eine gelungene Antwort auf die herausfordernde Frage nach einem grünen, aber dennoch aktiven Stadtplatz mitten im Kreuzberger Kiezleben.

Der Straßenraum übernimmt die Grundzüge eines klassischen Straßenprofils. Durch den wiederkehrenden Belag des Mosaiksteinpflasters, der sich auch in den gesamten Parkraum erstreckt, gelingt es dem Verfasser, die neue Qualität eines nur zu Fuß begangenen Raums hervorzuheben. Der nördliche, belebte Straßenabschnitt – hier "Stadtterrasse" genannt – erhält angemessenerweise einen großzügigeren Querschnitt mit Platz für Außengastronomie und konsumfreien Aufenthalt. Vor allem am östlichen und westlichen Platzrand steht jedoch die Ausdehnung der Tiefbeete im Konflikt mit den Nutzungen auf dem Bürgersteig und trennt die Erdgeschosszonen vom Platzleben.
Die Erschließung und Platzsetzung im Inneren des Platzes ist sehr geordnet und berücksichtigt alle wichtigen Wegeverbindungen auf sinnvolle Weise. In der Platzmitte bildet sich um den bestehenden Bolzplatz herum eine größere, von Bäumen überstandene Platzfläche, die großzügig mit Sitzgelegenheiten gerahmt ist. Zusammen mit weiteren Angeboten wie Familientischen, Tischtennis und einem Parkourpark verspricht der Ort eine große Lebendigkeit und ein Miteinander aller Generationen.

In weiteren Schritten müssten die jeweiligen Beläge auf Barrierefreiheit überprüft werden. Ebenso wurde die Pflasterung im Wurzelbereich der Bestandsbäume kritisch betrachtet. Hier müssten Größe der Baumscheiben und Aufbau des Oberbaus berücksichtigt werden.

Ein großer, zusammenhängender Spielplatz ist im Norden des Platzes angeordnet und bietet ausreichend Fläche, um Spielangebote für alle Altersklassen aufzunehmen. Durch die Nähe zur Außengastronomie in der Straße nördlich des Platzes entsteht der klassische und bewährte Synergieeffekt von kaffeetrinkenden Eltern, die die spielenden Kinder beaufsichtigen. Ein noch stärkerer Zusammenhang und deutlichere Wegeverbindungen und Einsehbarkeit zwischen Straßenraum und Spielplatz/Platzmitte wären an dieser Stelle jedoch wünschenswert. Ebenso kann hinterfragt werden, ob die Führung des Radweges an dieser Stelle nicht eine unnötige Zäsur bildet.

Zwischen Platzmitte und Straßenraum erstrecken sich großzügige Grünflächen, die die Standorte der Bestandsbäume aufnehmen. Die Größe und der Zuschnitt der Grünflächen und Belagsflächen versprechen einen funktionierenden Umgang mit dem Konflikt zwischen Nutzungsdruck und dem Erhalt von Vegetationsstrukturen. Das Regenwassermanagement mit einfacher Flächenversickerung wird durch Tiefbeetrigolen ergänzt und erscheint funktional.

Trotz der fast streng anmutenden Strukturierung des Platzes finden sich immer wieder kleine Abweichungen und besondere Orte mit verschiedenen Nutzungs- und Aufenthaltsangeboten: die "Ruhige Nische", die "Sonnen- Nische", Tischtennisplätze usw. Das Urban Gardening wird in Straßenraumnähe platziert, kann aber durch seine räumliche Integration in die Grünflächen in seiner Größe auf den tatsächlichen Bedarf reagieren, ohne dass der Entwurf beeinträchtigt wird.

Positiv hervorzuheben ist der sorgfältige Umgang mit den kleinen "Plätzchen" als jeweilige Auftaktplätze an den vier Ecken des Platzes, die jeweils eigene Funktionen je nach Standort und angrenzenden Erdgeschossnutzungen übernehmen können. Dabei wurden jedoch nicht alle Anforderungen der Feuerwehr beachtet. Der schwierige Ort des Kirchenvorplatzes an der stark befahrenen Skalitzer Straße wird mit einem Nebelbrunnen aufgewertet. Auch wenn die Geste möglicherweise etwas überdimensioniert wirkt, wird der positive Beitrag zur Stadtklimatik gewürdigt.

Insgesamt handelt es sich um einen Entwurf, der sowohl die städtebauliche Situation als auch die sich verändernden Bedürfnisse des städtischen Freiraums souverän berücksichtigt hat.
Visualisierung Stadtterrasse

Visualisierung Stadtterrasse

Lageplan M 1:250

Lageplan M 1:250

Schnitte

Schnitte

Isometrien & Piktogramme

Isometrien & Piktogramme