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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2024

Umgestaltung ehemaliger Busbahnhof in Eschwege

Perspektive Realisierungsteil

Perspektive Realisierungsteil

1. Preis

Preisgeld: 38.600 EUR

GrünPlan Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

MOSAIK architekt:innen bda

Stadtplanung / Städtebau

PVB Planungsgesellschaft Verkehrsbau mbH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Auszug aus dem Erläuterungstext:
Die Leitidee des Entwurfs ist die Verknüpfung der historischen Altstadt Eschweges mit der Werra. Durch die Verlegung der Wiesenstraße und das Hineinziehen der Grünflächen aus dem Osten in das Entwurfsgebiet entsteht ein großzügiger Park, der als Bindeglied zwischen Altstadt und Flussufer fungiert. Gleichzeitig ist er ein Impuls und Entwicklungsschritt im Prozess zur Schließung der historischen Wallanlagen, der zur Verbesserung des gesamten Stadtklimas beiträgt.
Die Fläche des alten Busbahnhofes und die Wiesenstraße werden komplett entsiegelt. Der Verkehr wird über die zum Teil verlegte Straße Hinter der Mauer geleitet. So soll zum einen der Durchgangsverkehr reduziert und zum anderen Fläche für einen neuen Park gewonnen werden, der sich bis zum Ufer der Werra zieht. Im Südosten wird er an die bestehende Grünfläche angebunden und ermöglicht so eine direkte und ruhige Verbindung zum Stadteingang Brühl. Am Werra-Ufer mündet der Park auf einem Platz und öffnet sich mit einem terrassierten Holzdeck zum Wasser. Ergänzt mit einer langen Picknick-Tafel schafft der Werra-Balkon neue Aufenthaltsqualitäten am Ufer. Die neue, grüne Infrastruktur in Form der Werra Wiesen schafft neue Verbindungen im Quartier, zur Altstadt und zu umliegenden Landschaftsräumen. Die Stadttore Brühl und Pommertor werden durch kleine, zusammenwirkende Platzsituationen gestärkt und können u.a. gastronomische Angebote anbieten.
Die Haupterschließung des Parks verläuft von Süden nach Norden. Aus dem angrenzenden Quartier heraus gibt es untergeordnete Verbindungswege, die allesamt auf den Hauptweg führen. Entlang des Weges befindet sich eine neue Spielplatzfläche, die das bestehende Sport- und Spielangebot am östlichen Schwanenteich ergänzt. Mit Bezug zur nahegelegenen Kita und aufgrund der neuen Erlebbarkeit von Stadtnatur entsteht zudem eine Streuobstwiese, die einen Beitrag zur Essbaren Stadt leistet.
Die neugewonnene Grünfläche gliedert sich in eine offene Nutzrasen-/ Spiel- und Liegefläche und in topografisch leicht überhöhte und extensive Wiesenbereiche, die der Entwicklung von Biodiversität dienen. Dem natürlichen Gefälle folgend, kann die Rasenfläche durch leichte Senkenbildung als Retentionsraum dienen und starke Niederschläge zunächst abfangen und diese im Sinne eines vorsorglichen Überflutungsschutzes verzögert abführen. Als Abgrenzung der Flächen, werden verschiedene Naturmaterialien - wie Natursteine und Totholzbalken - arrangiert, welche bespielt werden können oder zum Sitzen und Erleben der Werra Wiesen einladen. Der vorhandene Baumbestand wird erhalten und im Norden der Grünfläche durch Neupflanzungen zu einem Klimawäldchen entwickelt.
Nicht nur die großzügige Entsiegelung der Fläche dient der Klimaanpassung, sondern auch die Material- und Pflanzenauswahl zielen darauf ab, möglichst alle Komponenten des Entwurfes klimaangepasst zu gestalten. Die entsiegelten und begrünten Flächen erhöhen die Sickerfähigkeit von Niederschlagswasser, was sich positiv auf die örtliche Verdunstung auswirkt und somit für Kühlung sorgt. Die Oberflächengestaltung aus hellem, beige-grauem Betonpflaster erhöht die Rückstrahlung, also den Albedo-Effekt, wodurch sich die versiegelten Flächen weniger aufheizen. Das Holz für Sitzgelegenheiten und den Werra Balkon besteht aus europäischem Lärchenholz, welches besonders robust und widerstandsfähig ist.
Durch das Verbinden der Wiesenstraße mit der Straße Hinter der Mauer ist die Durchfahrt weiterhin beidseitig möglich, jedoch wird die Straße räumlich und in der Trassierung nicht mehr als Durchgangsstraße wahrgenommen und durch ein Tempolimit bewusst unattraktiver für den MIV werden. Die Tempo-20-Zone wird stadträumlich und im Planungsbereich einheitlich ausgeweitet und führt in die Fußgängerzone der Innenstadt. Der neue Straßenverlauf wird aufgrund der Buslinien mit einer Fahrbahnbreite von 6m und häuserseitigem Gehweg vorgeschlagen. Die Haltestelle Tränenbrücke wird beidseitig fahrbahnintegriert und barrierefrei ausgebildet. Die Erschließung Torwiese und der vorgelagerten Gebäude wird als nachrangig angebundene, verkehrsberuhigte Anliegerstraße definiert. Die provisorische Brückenstellung zum Festival und deren Zuwegung bleiben z.B. als begrünbare Flächenbefestigung in einigen Wiesenbereichen möglich.
Der ruhende Verkehr wird teils oberirdisch und teils in einer effizienten Tiefgarage untergebracht. Gewerbliche Nutzungen erhalten straßenbegleitend ausreichend oberirdische Besucherstellplätze. Die Zufahrt zur Tiefgarage wird gebäudeintegriert gelöst, sodass es gelingt den gesamten Wohnhof frei von PKW-Verkehr zu halten. Gebäudeintegrierte, erdgeschossige Räume für Fahrradabstellmöglichkeiten fördern die Nutzung alternativer Mobilität und sichern die Müllentsorgung. Ergänzendes Parken auf der Fahrbahn wäre abschnittsweise möglich, es werden Behindertenstellplätze sowie Fahrradanlehnbügel angeboten. Die Einrichtung einer Mobilitäts-Station in einfacher Form, z.B. als E-Lade- oder Car-Sharing-Station wäre im Bereich des Brühlplatzes möglich und ein Fahrrad-Service ist u.a. als touristisches Angebot in den geplanten Gewerberäumen vorstellbar.
Der städtebauliche Entwurf sieht vor den historischen Kontext der Stadt aufzunehmen, stadtbildprägende und historisch bedeutsame Gebäude einzubinden und eine transformierte Typologie abzuleiten, die sich in Körnung, Maßstab, Materialität und Habitus zum einen in den Bestand einfügt.
In Fortführung der außerhalb des Entwurfsgebietes liegenden Bebauung am Brühl, schmiegt sich die neue Bebauung im Süden an die denkmalgeschützten Häuser an, bindet diese ein und überführt sie im Norden in eine geschwungene, der alten Stadtmauer nachempfundenen Struktur. Die neue Bebauung formuliert damit eine neue Stadtkante zur Landschaft und schließt gleichsam den Blockrand. Während durch An- und Weiterbau der denkmalgeschützten Häuser eine geschlossene Bebauung den neuen Eingangsplatz formuliert, bildet die anschließende Struktur durch gezielte Öffnungen, Durchgangstore und Gassen eine perforierte Kante zur Landschaft aus, die spannungsvolle Durchblicke, Offenheit und Übergänge von öffentlich zu halböffentlichen Orten erzeugt.
Im Zusammenspiel der perforierten Kante mit der abgestuften Struktur der neuen Innenhofbebauung entsteht ein Ensemble, welches sich gleichsam mit der bestehenden Innenhofstruktur verbindet und diese abschließt als auch die neue Bebauung als eigenständiges Ensemble im Stadtgefüge definiert. Der spannungsreiche Kontrast aus schmalen Gassen, Vor- und Rücksprüngen und platzartigen Aufweitungen lässt im Innenhof einen kleinmaßstäblichen, lebendigen Ort im Kontext einer historisch gewachsenen Altstadt entstehen. Am südlichen Rand des Wettbewerbsgebietes verengt der giebelständige Anbau auf dem ehemaligen Tankstellengelände den Brühl und formuliert das neue Tor zur Stadt. Im Norden schließt ein überhöhter Baukörper mit Doppelgiebel das neue Ensemble ab und besetzt den nördlichen Stadteingang.
Alle neu entstehenden Häuser orientieren sich in Maßstab und Größe an der bestehenden Bebauung. Zwei- und dreigeschossig verspringende Baukörper schaffen den städtebaulichen Brückenschlag zum Bestand. Zusammenhängende Strukturen werden durch kleinteiligere Einzeldächer gegliedert. Anstelle einer anonymen Großform entsteht ein vielfältiges Ensemble aus Einzelhäusern. Die Erdgeschosse werden durchgehend als überhöhte Räume ausgebildet, welche eine hohe Nutzungsflexibilität ausweisen. Die neue Bebauung entlang der zukünftigen Wiesenstraße lässt mit seiner effizienten Erschließung, seiner guten Ausrichtung und sinnhaften Gebäudetiefe hervorragend geeignete Flächen zum lebenswerten Wohnen an der Nahtstelle zwischen Stadt und Land entstehen. Die Erdgeschosse erhalten zur Straßenseite an belebten Stellen einen Nutzungsmix aus kleinteiligen, flexibel zusammenschaltbaren Gewerbe-, Praxis- und Büroflächen. In den platznahen Erdgeschossen bietet sich Raum für Gastronomie und Verzehr. Im denkmalgeschützten Bestand sind gemeinschaftliche Nutzungen wie eine Stadteilwerkstatt, ein Co-Working Space sowie Ausstellungs- und Multi-Use-Flächen geplant. Der bestehende Biergarten erhält eine Aufwertung in Form einer ebenfalls giebelständigen, überdachten Holzkonstruktion, die sich in das neue Ensemble einfügt.
Die neue Bebauung im Innenhof bietet mit seiner verbindenden Struktur eine optimale Fläche für besondere Wohnformen wie gemeinschaftliches und altengerechtes Wohnen mit reduzierten Individualflächen und zusätzlichen Gemeinschaftsbereichen.
Das Fassaden- und Materialkonzept leitet sich ebenfalls aus der bestehenden Bebauung ab. Lokale Materialien werden extrahiert und flächig auf die Einzelbaukörper angewendet. So entsteht ein kleinteiliges, differenziertes, lesbares Ensemble aus Putzfassaden mit grobem Strukturputz sowie vertikalen holzverschalten Fassaden. Sowohl Putz- als auch Holzfassaden werden in hellen, abgestuften beige/greige/leichten Brauntönen entwickelt. Die Erdgeschosszonen werden durch leichte Abtönungen hervorgehoben und abgesetzt. Die neue Bebauung wird als zusammenhängende, homogene Stadtstruktur mit eigener Identität wahrgenommen. Alle Fassaden werden als Lochfassaden mit klarer Kubatur, ohne vorgesetzte Balkone ausgeführt. Die Erdgeschosszonen erhalten großzügige Öffnungen zur Umgebung. Besondere Bereiche werden durch Korb- und Rundbogenöffnungen inszeniert.
Im Zuge der CO2-Reduzierung wird das Quartier in Holzbauweise geplant. Vorzugsweise werden Cradle-to-Cradle zertifizierte Materialien und nachwachsende Rohstoffe eingesetzt. Zusätzlich zur CO2-Reduzierung in Konstruktion und Herstellung werden flächendeckend PV-Anlagen geplant. Auch die Baukörpertypologie berücksichtigt konsequent Nachhaltigkeitsaspekte, so lassen z.B. die Abmessungen der Baukörper eine kompakte, tageslichtoptimierte Bauweise sowie holzbauoptimierte Tragwerksdimensionierung und einen entsprechenden Brandschutz erwarten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee des Entwurfes ist die Reduzierung der Verkehrsflächen und damit einhergehend des Durchgangsverkehrs zugunsten durchgängiger, großzügiger Freiflächen im Bereich der ehemaligen Wallanlagen. Der Entwurf sticht in seiner Radikalität heraus und ermöglicht einerseits die Herstellung neuer freiräumlicher Flächenkonstellationen und andererseits die Verknüpfung der Wallanlagen mit dem Grünzug an der Torwiese, die bislang durch die verkehrliche Zäsur des „Innenstadtrings“ voreinander getrennt waren. Dieser konsequente Ansatz wird von der Jury gewürdigt.

Durch die Verlegung der Fahrstraße an die neue Stadtkante, die Fahrbahnbreiten und Geschwindigkeitsreduzierung und das Verschwenken der Fahrbahn im Kreuzungsbereich Hinter der Mauer / Brühl zur Wiesenstraße ändert sich der Charakter der Straße von einer Durchgangsstraße zu einer Stadtstraße, die aber den Ziel und Quellverkehr in Form von MIV, ÖPNV, Liefer- und Rettungsverkehr aufnehmen soll.
Die historische Stadtkante wird anhand einer Neubebauung mit städtebaulichen Mitteln verfolgt, überzeugt aber weder in seiner Rigidität, die kaum Rücksicht auf die vorhandene Bebauung nimmt, der gewählten Dichte sowie in der gewählten Architektursprache. Positiv gewertet wird die Maßstäblichkeit der Neubauten, die sich an der vorhandenen Baustruktur orientiert und diese zu größeren Clustern zusammenfügt. Überstrapaziert wird das Thema durch überzogene Vor- und Rücksprünge der giebelständigen Häuser in den öffentlichen Raum. Auch der gewählte Architekturtyp, schmale und tiefe giebelständige Häuser, wirkt im Eschweger Kontext als Fremdkörper und kann auch nicht in Bezug auf Funktionalität nicht überzeugen. Durch die dreigeschossige Hofbebauung wird ein kleiner, introvertierter Quartiersplatz gebildet, der aber in Bezug auf die Orientierung und Erschließung der umliegenden Gebäude ebenfalls nicht überzeugend wirkt. Die Erweiterung des denkmalgeschützten Speichergebäudes durch einen Kopfbau zur Straße Brühl ist aus Sicht der Jury dagegen städtebaulich nachvollziehbar.
Das Thema der Verknüpfung des neuen Stadtraums mit dem Flussraum wird im Konzept zu wenig Raum eingeräumt. Das neue Holzdeck an der Werra ist in seiner Gestalt und Aufenthaltsqualität durchaus angemessen. Dies wird aber durch Pflanzflächen, die die Sichtbeziehungen von der neuen Stadtkante zum Flussraum einschränken, konterkariert. Das Thema der Pflanzinseln als „Abstandshalter“ zwischen Neubebauung und Straße schöpft die Potenziale eines großzügigen Freiraums („Boulevard“) entlang der Stadtkante nicht aus.

Der Entwurf besticht durch die Entwicklung eines konsequent eines großzügigen Freiraums zwischen der Straße Brühl und dem Werraufer. An wichtigen Stellen (Eingang Pommerntor, Brühldurchbruch und Werraufer werden kleinere Platzbereiche eingeflochten, die Stadteingänge und Flussnähe betonen, Orientierung schaffen und in ihrer Maßstäblichkeit angemessen erscheinen. Der entstehende Freiraum wird ohne größere funktionale Setzungen ausgebildet, sondern entwickelt seine Kraft als großzügiger baumbestandener Grünraum mit Rasen und Wiesenflächen. Der östliche Teil dieses Grünraums kann aufgrund der ausgebildeten Topografie zudem Retentionsfunktionen übernehmen. Diese funktionale Offenheit kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Bezug auf das Angebot an Aufenthaltsmöglichkeiten als auch auf geforderte Funktionen (Busparkplätze, Fahrradabstellmöglichkeiten und öffentliches WC) das Konzept vage bleibt. Auch die Wegeführung im östlichen Parkbereich überzeugt die Jury nicht. Positiv hervorgehoben wird dagegen die Schaffung von Retentionsräumen und die durchdachte Lage der neu geschaffenen Baumstandorte in Bezug auf das vorhandene Leitungsinfrastrukturnetz.

Insgesamt überzeugt der Entwurf durch die konzeptionelle Radikalität, der der Stadt Eschwege neue Wege in Bezug auf die Herstellung eines überzeugenden Stadt- und Freiraums ermöglicht.
Perspektive Ideenteil

Perspektive Ideenteil

Lageplan

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