Eine außergewöhnliche Aufgabe, so ein Bücherdepot. Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind konstant zu halten, ansonsten sind die Bücher genügsam. Sie beschweren sich nicht über Schall und Trittschall, sie brauchen, ja sie wollen kein Tageslicht. Daraus kann ein Typ entstehen!
Architektur & Städtebau
Architektonische Kriterien / Funktionale Kriterien / Ökonomische Kriterien
/ Umweltaspekte und Nachhaltigkeit / Städtebauliche Kriterien
Das Haus ist ein gigantischer Büchertürm aus zigtausend Bänden. Dieser ist, auch um Platz zu sparen, möglichst nach Norden zur Bahn gerückt. Der Fußabdruck ist möglichst sparsam, was der Nutzung nicht entgegensteht und Spielraum für spätere Entwicklungen zulässt. Deshalb nutzt das Gebäude die zulässige Höhe, jedoch ohne ins Hochhaus zu geraten. Der besondere Inhalt, das immense gespeicherte kollektive Wissen, drückt sich nach außen hin durch und verwundert die Vorbeifahrenden. Der Bücherspeicher bildet nach Norden eine zur Bahn hin abgestufte Silhouette aus, die von da aus möglichst weite Blickverbindungen zulässt. Nach Süden bildet sich eine maximale Anschlussfläche für Erweiterung und Photovoltaik. Die fast fensterlose Hülle ist zugleich unprätentiös innerhalb des Industrieareals und irritiert im gleichen Augenblick das Auge.
Hier bringen nur wenige Menschen Leben ins Haus. Großteils entfaltet das Depot seine Qualitäten im Stillen. Nur die Bücher sehen zu. Das Gebäude kann aufgrund der speziellen reduzierten bauphysikalischen Anforderungen sehr sparsam und pur konstruiert werden. Aus der Einfachheit einer additiven modularen Bauweise und sorgfältigen Materialentscheidungen entsteht ein schönes Nutzgebäude. Das wiederum vielfältige Nachnutzungsszenarios zulässt.
Fassade: Bis auf das EG ist das Gebäude beinahe fensterlos. Von Decke zu Decke spannen silbern verzinkte mineralwollegedämmte Industriepaneele, die von der Primärkonstruktion getrennt sind. Sie sind recyclierbar und im Fall der Umnutzung leicht rückbaubar. Aufgrund des Brandüberschlags gibt es massive Parapete. Die Südfassade ist komplett photovoltaikbelegt.
Dächer: Ein Depot nutzt seine Dächer nicht. Daher bietet sich ein konsequentes Angebot sich völlig selbstüberlassener, unberührter Natur auf den Dächern an. Tiere – Fledermäuse, Eidechsen, Schlangen, Vögel, Insekten, Bienen…– und Pflanzen, die sonst zu sensibel für Menschennähe sind, können sich auf den abgetreppten Dächern ungestört einnisten. Der Erhalt der Biodiversität wird so auf unberührten Dächern unterstützt.
Freiraum: Das Gebäude ist frei in seiner Grundrissfiguration. Im EG können die Bäume im Nordosten erhalten werden. Sie tragen zur Aufenthaltsqualität für Bereitschaftsräume und Verwaltung bei. Hier befindet sich ein beschatteter Pausenbereich im direkten Anschluss an den Sozialraum sowie die Büros.
Licht: Wo sich Menschen aufhalten, gibt es Fenster. Die Verglasungen sind in den Arbeitsbereichen mit entsprechenden Gläsern UV-undurchlässig. Das Stiegenhaus ist mit seinen Lufträumen über ein zentrales Oberlicht von oben nach unten abnehmend tagesbelichtet. Die Gänge auf den Etagen sind an den Enden ganz leicht tagesbelichtet (Museumsglas). Böden sind in amber-gelb pigmentiert zur Reduktion der Reflexion kurzer Lichtwellen.
Baugesetz, Baubestimmungen
Das Projekt entspricht vollinhaltlich den Anforderungen von Gesetz, Bebauungsbestimmungen und bautechnischen Richtlinien. Im Industriegebiet sind keine Abstandsflächen erforderlich. Die Gebäudehöhe wurde gem. Bauordnung §81 (2) ermittelt und beträgt: 18,87m.
Bauweise, Konstruktion, Materialität, Wirtschaftlichkeit
Die Tragstruktur des Gebäudes wird als sehr wirtschaftliche, robuste und materialminimierende Fertigteildecken-Rippenkonstruktion in Massivbauweise konzipiert. Die Rippen befinden sich unter den Schienen der Rollregale, je nach Fabrikat nehmen sie die Lasten dort auf wo diese anfallen. Alle Regale enden unter der darüberliegenden Deckenkonstruktionsebene. Doppel-T-Balkendecken liegen auf Punktstützen unterstellten Querunterzügen. Modulare Bauweise mit 8x8m Stützenraster lässt eine Anordnung der Regale in allen Richtungen zu. Gangfelder könnten im Fall später gewünschter Hochregale auch entfernt werden.
Die Aussteifung erfolgt durch den Kern und die brandabschnittsbildenden Innenwände. Alle Bauteile sind als Fertigbauteile konzipiert. Die Fundierung erfolgt über eine durch Kleinbohrpfähle unterstützte WU-Bodenplatte.
Die Spezialität der Aufgabe erlaubt eine Sparsamkeit und Purheit der Details, wie sie selten möglich sind. Verbundestrich mit Bauteilaktivierung und stellenweise im Erdgeschoß eingelegten Holzflächen (Holzteppiche).
Funktion & Nutzung
Erweiterung, Nachnutzung: Direkt im Süden angrenzend ist die Erweiterung in mindestens gleich-großem Ausmaß möglich. Alle Anbindungen sind in allen Geschoßen bereits berücksichtigt. Die bestehenden PV-Module der ersten Baustufe können bei Erweiterung „übersiedelt“ werden. Die gewählte Geschoßhöhe (3,25m) ergibt eine über die Rippen und Unterzüge gemittelte Raumhöhe von min. 3,00m, was auch für andere Nachnutzungen geeignet ist.
Funktionsabläufe Betrieb: Das Erdgeschoß ist auf kurze Wege von Anlieferung über Sortierung zu Aufzügen optimiert. Es wurden zwei Aufzüge eingeplant, um für etwaige Funktionsstörungen und Wartungsarbeiten Betriebsredundanz zu gewährleisten.
Büroarbeits- , Sozial- und Bereitschaftsräume sowie der Besucher:innenbereich für „Magazinserlaubnis“ verfügen über eigenen baumbeschatteten Aufenthaltsbereich im Freien.
Nutzungsbereiche: Die Bereiche der verschiedenen Nutzer:innen sind allesamt über Türen separierbar. Ebenso sind die Bereiche mit speziellen raumklimatischen Bedingungen in abteilbaren Abschnitten der zugehörigen Nutzungsbereiche verortet. Der Nachweis der Erfüllung des Regalbedarfs (Laufmeter) wurde mit einem Konstruktionsfaktor der Regale von 1,03 geführt. Die Erfüllung ist zu 100% gegeben. Der Entwurf erlaubt gestalterische Anpassungen an rechtzeitig geänderten Bedarf.