modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 05/2020

Bunker Burgstraße – Erweiterung Siegerlandmuseum

Eingang zum Siegerlandmuseum

Eingang zum Siegerlandmuseum

Teilnahme

greeen! architects

Architektur

Erläuterungstext

Präambel
Die Identität von Architektur definiert sich über die Auseinandersetzung mit dem Kontext. Dabei ist der Kontext mehr als die direkte Umgebung: Neben dem „handwerklichen“ sichtbaren Kontext gibt es auch den Umgang mit dem kulturellen und geschichtlichen (ggf. nicht sichtbaren, nicht mehr verständlichen) Kontext eines Ortes, die den Entwurf entscheidend formal beeinflusst. Jeder Entwurf entwickelt somit bewusst eine Haltung zu, mit oder gegen seinen Kontext, und definiert dadurch sein Wesen. Der Entwurf sollte sich in jedem Fall von der Versuchung befreien, zur Abbildung eines modischen Stils oder im schlimmsten Falle einer austauschbaren Üblichkeit zu verkümmern. Diese Herangehensweise begreift das Entwerfen als einen Prozess der konzeptionellen Formfindung, in der die Vielschichtigkeit von zeitgenössischer Architektur – Simplizität der Formen bei gleichzeitig hoher Komplexität – aufgenommen und fortgeführt wird. Der Entwurf wird zur Ableitung (als Verklärung oder Metapher) eines Konzeptes im direkten kulturellen, zeitlichen und örtlichen Kontext des Vorhabens.

Konzept
Das Konzept ist die Verbindung des Vorhandenen mit der Gegenwart sowie der Zukunft - den handwerklichen Kontext mit dem der Geschichte und der speziellen Kultur. Um sich den Anforderungen des „Verbindens“ zu nähern sieht unser Konzept vor, zunächst (kontextuelle) Gegensätze zu definieren, die es dann zu verbinden gilt. Zu entdecken ist, dass diese Gegensätze unterschiedlichsten Ursprungs sind. Es bilden sich Gegensatzpaare wie Stadt und Land, Oberstadt und Unterstadt, Siegen und dem Siegerland als auch ephemere gegensätzliche Paare wie alt und neu, schwer und leicht, hell und dunkel, nah und fern, gestern und heute und emotional-subjektive Gegensätze wie Angst und Hoffnung, Scham und Neugier.
Themen wie Heimat, die markante Stadtsilhouette Siegens und die sinnliche Landschaft des Siegerlandes sind als Interferenz mit den Programmanforderungen an den Erweiterungsbau und als zu verbindende Faktoren identifiziert worden. Sie sind folglich als Leitmotiv in die Konzeption des Erweiterungsbaus des Siegerlandmuseums eingeflossen.

Architektur
Die Erweiterung verdeutlicht sowohl in abstrakter als auch bildhafter Art und Weise die Verbindung mit ihrem Kontext. Es entsteht dabei ein starker lokaler – fast heimatlicher – Bezug, der sich in seiner Form einer minimalistischen Gestalt bedient. Der Museumsbau bildet sowohl die Stadtsilhouette der historischen und traditionellen Fachwerkdächer des Siegerlandes als auch die fließende Form der Landschaft ab. Die Fassade verbildlicht die charakteristischen Dächer und die sinnlichen Landschaftslinien in einer abstrakten, verklärten Formensprache, die die Fassade leicht und transluzent erscheinen lässt.
Der Museumsbau ist durch die exponierte Lage und seiner neu gewonnen Leichtigkeit durch den Aufbau besonders von Nordwesten her gut sichtbar. Sowohl tagsüber über Spiegelungen und Lichtreflexionen, als auch nachts hell strahlend, prägt der Neubau als klare Figur das Stadtbild aus der Ferne.
Durch ihre Materialität und Stahlskelettbauweise verstehen sich die Aufbauten mit teils geschuppter Metallfassade, teils gläserner Struktur als Hommage an die lokale Tradition der Eisen- und Stahlindustrie und Schieferfassaden: Beide Oberflächen bilden tagsüber eine einheitliche Fläche, erzeugen Spiegelungen des umliegenden Stadtbildes und fügen sich somit in ihren Kontext ein. Diese Reflexionen beleben die Fassade mit unterschiedlicher Intensität, je nach Tageszeit, Jahreszeit und Wetter, sowohl aus der Nähe als auch aus der Ferne. Diese optische Verbindung mit seiner Umgebung unterstreicht die Aufgabe des Museums für die Vermittlung der Stadtgeschichte. Nachts hingegen verwandelt sich die Fassade: Der untere gläserne Teil des Geschossaufbaus bildet eine leuchtende Fuge zwischen alt und neu. Die spitzen Formen treten deutlich hervor und scheinen über dem Bunker zu schweben. Um diesen den Eindruck zu steigern sind die Fassadenpfosten aus Glas. Die bestehende Fassade aus Sichtbeton bleibt mit den außen- und innenliegenden Schriften in ihrer Originalität und rauen Brutalität bewusst als Relikt unverändert. Nur die Schmuckelemente, die Treppenhäuser und der kleine Vorbau werden zurückgebaut, um eine deutliche Nutzungsänderung zu markieren. Zurück bleiben zwei monolithische Körper mit einer eigenständigen und unverwechselbaren Geschichte. Die Bunkerfassaden werden bewusst symbolisch als historische Hinterlassenschaft bewahrt. Sie bekommen durch den Kontrast zwischen dem Geschossaufbau und dem leichten gläsernen Verbindungsglied eine neue Nutzung und erhalten dadurch eine neue historische Bedeutung. Das Gebäude wird dadurch auch Teil der Ausstellung.
Durchbrüche werden zurückhaltend und gezielt für die Orientierung, Belichtung und Erschließung platziert. Der größte Durchbruch, der zwei Seiten des Bunkers durchstößt, schafft im Inneren einen lichtdurchfluteten Empfang. Dieser Durchbruch öffnet den Bunker seinem Umfeld und verbindet die Burgstraße mit der Lämmergasse.
Im Innern der Bunker werden die Geschossdecken neu eingezogen. Es ergeben sich im Gebäudeensemble insgesamt vier Geschosse. Alle Ausstellungsräume bieten durch ihre stützenfreien Grundrisse das höchste Maß an Flexibilität für den Ausstellungsbetrieb. In seiner Materialität nimmt sich das Gebäudeinnere stark zurück und greift die Haptik des Betons auf, um den Ausstellungsobjekten genügend Raum zu bieten.

Erschließung
Der Haupteingang an der Burgstraße führt die Besucher*innen barrierefrei in ein großzügiges lichtdurchflutetes Foyer, das als Fortsetzung des öffentlichen Raums das zentrale Atrium erschließt. Ein zweiter Eingang ist über die Treppenanlage nach Norden über die Lämmergasse geboten. Beide Eingänge eröffnen einen freien Durchblick – wie durch ein Fenster – wechselseitig zwischen Norden und Süden. Von hier aus gelangen die Besucher*innen zu den einzelnen Ausstellungsbereichen. Über den gläsernen Vorbau werden die Bunker miteinander verbunden, jeder Bunker verfügt über ein geschlossenes Treppenhaus sowie einen Aufzug. Der Fahrstuhl im kleinen Bunker dient zudem als Lastenaufzug, der für den An- und Abtransport über einen separaten Serviceeingang an der Burgstraße zu bedienen ist. Beide Treppenhäuser bzw. Fahrstühle bringen die Museumsbesucher*innen durch die Ausstellungsräume bis zum Erweiterungsbau als Ort der Begegnung, von der sich ein Blick über die gesamte Region nach allen Himmelsrichtungen eröffnet. Die Aufbauten und die Funktionsräume im Untergeschoss können autark vom Ausstellungsbetrieb erschlossen werden, so dass auch nach Museumsbetrieb die Garderobe, die WC-Anlagen, die Gastronomie als auch der multifunktionale Raum weiterhin genutzt und vermietet werden können. Die zwei Aufbauten werden durch eine Panoramabrücke verbunden.
Die fünf Anwohnerparkplätze werden direkt an die Burgstraße verlagert, um den Straßenverkehr auf dem Hof zu minimieren. Hierdurch wird auch Raum für einen Stellplatz für Menschen mit eingeschränkter Mobilität geboten, damit ein barrierefreier Zugang zum Museum möglich wird. Fahrradstellplätze befinden sich ebenfalls im Hof des Museums.

Raumkonzept
Bereits an der Burgstraße ist ein Display am kleinen Bunker sichtbar, der das Interesse durch spannende Filmclips aus dem Museum (erweitertes Fenster) weckt und die künftigen Besucher*innen über Veranstaltungsdaten und aktuelle Ausstellungen informiert. Der folgende Hof vor dem Haupteingang bietet mit dem alten Baumbestand, dem zurückhaltenden Verbindungsbau und der neuen Bepflasterung, die den Außenraum in den Innenraum führt und somit Grenzen auflöst, optimale außenräumliche Aufenthaltsqualitäten. Diese Qualitäten wirken einladend auf die Passanten. Die Kunstinstallation ,,Borderlines'' von Lutz Dransfeld, die am Dachrand des neuen Verbindungsgangs angebracht wird, untermalt zusätzlich den Zugang zum Museums. Durch die Nutzung des kleinen Hofes nach Süden wird gleichzeitig ein räumlicher Dialog sowie Blick-Beziehungen zwischen dem Erweiterungsbau und dem Oberen Schloss ermöglicht.
Im Erdgeschoss des großen Bunkers befindet sich das großzügige und helle Foyer, das nahtlos in den Museumsshop übergeht. Daran angebunden ist die Dauerausstellung. Hier wird das historische Sandsteinportal verortet. Um den notwendigen Platz herzustellen wird ein großzügiger Bodendurchbruch zwischen EG und UG geschaffen, von dem das Portal aus mehreren Ebenen betrachtet werden kann. Hier wurde auch für Tageslicht gesorgt. Im Untergeschoss sind die Funktionsräume angesiedelt.
Die Bunker sowie deren Aufbauten sind auf jeder Ebene miteinander verbunden, um für eine flexible Raumgestaltung und Museumsausnutzung zu sorgen. Der große Bunker bietet Räume für die Dauerausstellung und der kleine Bunker für die Sonderausstellung. Die Dauerausstellung erstreckt sich vom Untergeschoss bis zum 1.Obergeschoss. Die Sonderausstellung startet im Erdgeschoss und erstreckt sich bis zum 1.Obergeschoss. Das 1.Obergeschoss ist ein reines Ausstellungsgeschoss. Im neuen Erweiterungsbau des kleinen Bunkers ist das Café verortet und im Großen der Multifunktionsbereich sowie die Lern- und Lehrwerkstatt, die unabhängig vom Museumsbetrieb genutzt werden können. Von dort können die Besucher*innen einen hervorragenden Blick über das schöne Siegerland genießen.
Als Verbindungsglied zwischen Umgebung und Museum führen Fußabdrücke, die in die Pflastersteine des Innenhofs eingelassen sind, wie „Spuren im Schnee“ zum Haupteingang des Erweiterungsbaus Siegerlandmuseum. So wie an diesem Ort die Geschichte zwei „Spuren“ in der Stadt Siegen hinterlassen hat, dient nun das Museum als Zeugnis der Zeit, sowohl durch die Bunkerarchitektur als mahnendes Relikt dunkler deutschen Geschichte, als auch durch die historischen Exponate, die nun im Museum präsentiert werden.

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit
Aufgrund der außergewöhnlichen Wandstärken der beiden Bunker zwischen 1 bis 1,5m besteht die Möglichkeit, über dieses träge System und einer neuen intelligenten Gebäudesteuerung die Heiz- und Kühllasten gering zu halten. Dies wird unterstützt durch Solarthermien, die neben einer extensiven Dachbegrünung auf dem neuen Geschossaufbau angebracht werden. Durch diese Vorgehensweise werden die erfahrungsgemäß hohen technischen Anforderungen bzgl. einer kontrollierten Lüftung und Belichtung innerhalb des Museumsbetrieb in einem wirtschaftlichen Rahmen realisiert. Die restlichen Eingriffe, insbesondere die in die bestehende bauliche Substanz, werden auf ein Minimum reduziert und dienen ausschließlich der Schaffung von flexiblen Ausstellungsräumen bzw. dem Entree in das Ensemble. Der Erweiterungsbau sowie der gläserne Vorbau werden als eine klassische zweischalige Glasfassade konzipiert. Ein außenliegender Sonnenschutz liegt witterungsgeschützt hinter einer Prallscheibe. Die innenliegende Glasebene lässt sich von Innen öffnen und reinigen. Ergänzt wird das System durch einen flexiblen innenliegenden Blendschutz.
Multifunktionsraum

Multifunktionsraum

Panoramaansicht

Panoramaansicht

Fernwirkung

Fernwirkung

Verwebung mit öffentlichem Raum

Verwebung mit öffentlichem Raum