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Studienauftrag, Selektives Verfahren | 02/2024

Sanierung Bernisches Historisches Museum (CH)

Teilnahme

HARRY GUGGER STUDIO

Architektur

Konstrukt AG

Architektur

Bellprat Partner AG

Szenographie

wh-p Ingenieure

Tragwerksplanung

IBG Engineering

TGA-Fachplanung

eicher+pauli

TGA-Fachplanung

MAURUS SCHIFFERLI, LANDSCHAFTSARCHITEKT

Landschaftsarchitektur

Amstein + Walthert AG

sonstige Fachplanung

Quantum Brandschutz

Brandschutzplanung

Gartenmann Engineering AG

Bauphysik

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt basiert auf einer präzisen Lektüre des heutigen Bestands, seiner baulichen Entwicklung, aber auch seiner Stellung und Bedeutung im weiteren städtebaulichen Umfeld. Den Auftrag zur Gesamterneuerung und Öffnung des Museums fasst das Team weit und bezieht die umgebenden Strassen, den zukünftigen Museumsgarten des geplanten Museumsquartiers, vor allem aber auch den «Kubus» genannten Erweiterungsbau aus dem Jahr 2009 in seine Überlegungen ein; diesen eigenwilligen Bau, der sich mehr schlecht als recht mit dem historischen Bestand verbindet und das Museum nach Süden wie eine abweisende Stadtbefestigung abschliesst. Zwar soll der repräsentative Zugang vom Helvetiaplatz mit seinen historischen geschwungenen Kieswegen und der mächtigen Treppe auch in Zukunft der Hauptzugang des Bernischen Historischen Museums sein, doch schlägt das Team einen attraktiven zweiten Zugang von Süden vor, niederschwellig und leicht zu erreichen auch für Menschen, die nicht so gut zu Fuss sind. Der Idee des neuen Berner Museumsquartiers verhelfen die Projektverfasser zu Sichtbarkeit und Strahlkraft mit der Aufwertung der Helvetiastrasse als baumbestandenem Boulevard - neu und programmatisch in Museumsstrasse umbenannt - mit dem neuen einladenden Museumseingang und mit ihrem Vorschlag für die Gestaltung des Museumsgartens.

Die Interventionen am baulichen Bestand sind mit der feinen Klinge geführt, verblüffend einfach und dabei sparsam. Den «Kubus» für die angestrebte Öffnung nach Süden abzubrechen, ist für die Projektverfasser keine Option. Vielmehr nehmen sie ihn an und versuchen, ihn positiv umzudeuten und ins Ensemble einzubinden. Sie erweitern den in Ortbeton gegossenen «Kubus» in einer fast mimetischen Art, wobei mit den vorgeschlagenen Lehmsteinen die Tonalität der pixelartigen Betonoberfläche des Bestands in ähnlicher Farbigkeit und Haptik fortgeführt wird. Kein Kontrast also, sondern ein subtiles Weiterbauen am Bestand. Neben dem neuen Zugang von Süden sind Nutzungen wie die Bibliothek oder die Büros des BHM im zusätzlichen Geschoss und der massvollen Erweiterung nach Westen angeordnet. Damit erfährt der historische Museumsbau eine wohltuende Entlastung zugunsten der Ausstellungsflächen. Ausser untergeordneten seitlichen Ergänzungen am zentralen Treppenhaus und wenigen präzisen Interventionen im Dachbereich sind am historischen Museumsbau denn auch keine Anbauten auszumachen. Die charakteristische Figur mit der starken Mitte und den gegenläufig abgewinkelten Seitenflügeln bleibt unverändert bestehen. Aufwertung und Klärung spielen sich im Innern ab.

Höchst effizient und strategisch gut gewählt ist die Setzung von neuen Erschliessungen im Altbau. Die knifflige Aufgabe, die vielen unterschiedlichen Niveaus nicht nur mit Treppen, sondern auch mit Liften zu erschliessen, gelingt. Über den Ostflügel werden die neuen wie auch die bestehenden unter- und oberirdischen Ausstellungsflächen zusammengebunden. Sie lassen sich flexibel zu beliebigen thematischen Rundgängen kombinieren, während der Westflügel mit der neuen Treppen- und Liftverbindung im Westturm thematisch in einem vertikalen Rundgang ausgebildet werden kann. Im erweiterten Dachraum über dem Haupttreppenhaus wird eine neue, gut angebundene grosse Ausstellungsfläche mit spektakulärer Aussicht über die Dächer des Kirchenfeldquartiers angeboten und gleichzeitig im Stadtraum verortet. Links und rechts angrenzend an die historische Treppenanlage versorgen eine neue Vertikalverbindung und je nach Geschoss eine Servicezone den mittleren Bereich des Gebäudes. Durch diese kluge Disposition erhält das Haus eine entspannte Flexibilität.

Die Projektverfassenden interpretieren den Moserbau so, wie er einst konzipiert wurde, als zentralen Hauptraum und Abschluss gegen Süden. In ihrem Konzept unterscheiden die Projektverfassenden den historischen Bestand folgerichtig in eine nördliche, den Ausstellungen zugeordnete Hälfte und eine südliche, den allgemeineren Nutzungen wie Vortragssaal, Bistro, Shop etc. vorbehaltene Fläche, wo keine Durchgangsräume, sondern Zielräume angeordnet sind. Damit gewinnt die Museumsdisposition an Klarheit und Effizienz. Anders als in anderen Projekten sucht das Team hier nicht die räumliche Durchwegung von Norden nach Süden in einem durchgängigen Multifunktionsraum mit Eingang und Ausgang in der Achse des Mittelbaus. Erschliessung bleibt hier Erschliessung, Ausstellung bleibt hier Ausstellung, was den Besuchenden eine intuitive Wegführung ohne komplizierte Signaletik garantiert. Der neue Zugang in der Erweiterung des «Kubus» ist ein kluger und sensibler Schachzug. Dem Moserbau wird seine ruhige Präsenz in der Südfassade belassen und die vielen neu notwendigen dienenden Räume werden im Neubau untergebracht, ohne den historischen Bestand zu überfordern. Die Pläne lassen einen behutsamen und sorgfältigen Umgang mit dem historischen Bestand erkennen.

Szenografische Elemente in der historischen Treppenanlage sind bewusst zurückhaltend und unaufdringlich eingesetzt - die Treppenanlage selbst ist ein Ausstellungsobjekt. Das Konzept sieht vor, die Erschliessungs- und Aufenthaltsräume inklusive der «Piazza» so auszustatten, dass ein leises narratives Element, quasi eine Kommentarleiste, erscheinen und wieder verschwinden kann. Im Gegenzug bieten die historischen und zeitgenössischen Vermittlungsräume der Ausstellungsszenografie viel Spielraum.

Der Wille, über den engen Perimeter hinaus zu denken und die Lust an der Aufwertung des Bestands lässt sich auch in den Gestaltungsabsichten im Freiraum ablesen. Neben der Doppelallee der neuen Museumsstrasse ist das sanft ansteigende Parterre auf der Nordseite des Museums zu erwähnen. Hier knüpfen die Projektverfasser mit der Bepflanzung an ein Exponat des Bernischen Historischen Museums an, die burgundische Tausendblumentapisserie, hier als Frühlingsblumenteppich denkbar, um die beliebte Sommernutzung als Picknick- und Spielwiese doch zu gewährleisten. Im Ostgarten, im westlichen Hof und im zukünftigen Museumsgarten werden Ergänzungspflanzungen vorgeschlagen, und die heute kahle «Piazza» des Kubus erhält mehr Aufenthaltsqualität durch eine erhöhte Plattform mit Sitzgelegenheiten und schattenspendende Bäume. Für die Bespielung durch das Museum bleibt trotzdem noch Platz.

Bei allen Vorzügen sind aber auch Kritik und Zweifel angebracht. So stehen den Vorteilen, die der Verzicht auf die räumliche Nord-Süd-Durchwegung mit sich bringt, auch Nachteile entgegen: das historische Treppenhaus bleibt wie heute ohne zusätzliche Fenster, und die Verbindung vom historischen Treppenhaus zum Museumsbistro und zum neuen Südeingang ist räumlich wenig attraktiv. Zu kritisieren ist auch der unterirdische neue Ausstellungsraum auf der Nordseite des Museums. Die Aussenwand zeichnet den Wurzelraum der geschützten Bestandsbäume nach, was einen schwierig zu bespielenden, wenig tauglichen Ausstellungsraum zur Folge hat. Die unbestrittenen Vorteile der Kubus-Erweiterung für die Entlastung des historischen Bestands vermögen die damit verbundenen Nachteile nicht aufzuwiegen. Mit dem zusätzlichen Geschoss wird eine Gebäudehöhe erreicht, die eine baurechtlich kritische – und möglicherweise rekursträchtige – Verschattung der benachbarten Wohnbauten befürchten lässt. Sowohl die Erhöhung als auch die Verlängerung werden kritisch gesehen, weil sie die schon heute abweisende Wirkung des Kubus gegen den Museumsgarten noch verstärken könnten. Gleichwohl gelingt den Projektverfassenden ein kräftiger und eigenständiger Vorschlag, bei dem der gesamte Bestand in seinen Qualitäten nicht nur gestärkt, sondern auch wirkungsvoll transformiert wird zu einem zeitgemässen, offenen und lebendigen Haus.