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Offener Wettbewerb | 01/2022

Neubau Volksschule Goumoëns in Bern (CH)

Matrioska

7. Preis

Preisgeld: 10.000 CHF

NOSU ARCHITEKTEN GMBH

Architektur

Claudia Wolfensberger

Landschaftsarchitektur

Ulaga Weiss AG

Bauingenieurwesen

Bogenschütz AG

TGA-Fachplanung

Kuster + Partner AG

Akustikplanung

Abicht Zug AG

Bauphysik

Beurteilung durch das Preisgericht

Matrioska


Die Verfassenden ordnen das Areal der Waldlandschaft zu und interpretieren die Aufgabe in Form eines solitären, dreiarmigen Pavillons mit vier Geschossen, der vom Baumbestand umschlossen wird und bewusst keine Anbindung an die Siedlungstypologie sucht. Die regelmässig radiale Geometrie, die im ersten Moment etwas erratisch wirkt, dient dem Aufspannen und plausiblen Zonieren der Aussenräume. Die an den Waldrand geschobene Figur fasst im Norden den Allwetterplatz mit dem Freiraum der Basisstufe, im Südwesten das Rasenspielfeld – der Gumere-Matte überlagert – und gegen Osten den Hauptzugangsbereich mit Spielplatz. Die Rollsportanlage ist gut platziert. Sie ist sowohl vom Quartier abgewandt als auch etwas vom Schulhaus entfernt. Eine geschickt in die neu modellierte Hügellandschaft integrierte Lärmschutzmauer schirmt das Areal gegen die Gleise ab. Das Projekt besetzt damit allerdings das Areal in einer Weise, die in ihrer Haltung wenig bescheiden ist und die kaum Spielraum für ein zukünftiges Weiterentwickeln des Gebiets zulässt.


So, wie die Figur städtebaulich überrascht, tut sie es als Schulbautypologie. Die aufgespannte Sternform ist keine zusammenhängende, sondern besteht aus drei unabhängigen, identischen Volumina um eine kollektive Mitte, die im Erdgeschoss offen und allseitig zugänglich ist. Die Geste eines hierarchisch übergeordneten Schulhofs ist absent, die Umgebung konsequent landschaftlich interpretiert. Die durch die Wegführung suggerierte Durchlässigkeit des Aussenraums wird allerdings durch das enge Zusammenziehen der Volumina nicht eingelöst. Damit fehlt der Erschliessung der Schulanlage aus dem Zentrum auch der nötige Raum, obschon die Massnahme der eingezogenen Erdgeschosse unterstützend wirkt. Die öffentliche Mitte wird zu sehr abgeschnürt, von den darüber liegenden Verbindungsebenen gepresst und die angedachte Wirkung eines Schulhofs verfehlt.


Räumlich überzeugend ist hingegen der als klimatische Zwischenzone konzipierte Erschliessungs- und Begegnungsraum in den oberen Geschossen, der je nach Jahreszeit seine Bedeutung und Nutzung für den Schulalltag verändern und bereichern kann – vom Wintergarten zur Freiluftveranda, als unkonventioneller Lernort. Von dieser «Erfindung» abgesehen, zeigt sich das Projekt sehr pragmatisch und sparsam in den gewählten Mitteln. Die Baukörper sind als identische System-Cluster entwickelt und als dreifeldriger Skelettbau mit Vertikalerschliessung in der Mittelzone und peripherem, aussteifendem Kernbereich konzipiert, mittels Nasszellen, Steigzonen und Lift.


Betrieblich schlüssig sind im Erdgeschoss die Tagesschule und die Gemeinschaftsräume angeordnet, je mit direktem Aussenraumbezug. Die nicht dem Schulbetrieb zugehörigen Jugendräume an prominenter Lage direkt neben dem Haupteingang zum Allwetterplatz oder die Veloabstellplatze im nördlichen Volumen wirken etwas beliebig. Unglücklich sind zudem die Lagerräume im südlichen Volumen auf Parkebene. An ihrer Stelle wäre die Basisstufe mit direkter Erdgeschossanbindung zu platzieren, was die modulare Gebäudestruktur zulassen würde. Die Regelgeschosse zeigen die flexible Raumteilung und ausgewogene Raumproportionen sowie ein effizientes Verhältnis von Nutz- und Erschliessungsflächen. Alle Innenräume profitieren dank der radialen Figur von einer gleichwertig hohen Qualität des Aussenbezugs. Die Turnhalle liegt unter dem nördlichen Baukörper und ist weitgehend unbelichtet. Ob die vollständig unterirdisch liegende Turnhalle durch die beiden überdeckten Lichtschächte genügend Licht erhält, wird bezweifelt.


Das Projekt ist als Holzbaukonstruktion, bestehend aus Stützen, Querträgern und Brettschichtholzdecken konzipiert, die zum Ausdruck der Fassaden wird. Die vollflächige Verglasung ist aus Gründen der Überhitzung und als Beitrag zur Belichtung wenig verständlich. Die feine Tektonik des Ausdrucks würde auch mit einer Füllung im Brüstungsbereich nicht geschwächt. Ein orthogonales Stützenraster baut auf einer «traditionellen» Pfosten-Riegel-Konstruktion (ohne tragende Wände) mit relativ geringem Achsabstand und moderaten Spannweiten auf. Die Riegel weisen ausreichende Abmessungen auf, das flächige Sekundartragsystem ist zu schlank veranschlagt. Die Verbindung Stütze-Riegel ist nicht dargestellt und würde, falls gestapelt über die verschiedenen Schichten, nicht funktionieren. Wandscheiben bei den Treppenanlagen und ein Sprengwerk im Eingangsbereich tragen zur Stabilität bei. Sie sind bezüglich der einzelnen Gebäude jedoch zu exzentrisch angeordnet, und zusätzliche aussteifende Elemente in der gegenüberliegenden Stirnfassade wären vorzusehen. Im Bereich der «Laubengänge» im Erdgeschoss wird die Tragkonstruktion direkt bewittert, die tragenden Bauteile müssten bekleidet werden. Dasselbe gilt für das Stirnholz der auskragenden Fassadenteile. Das Tragwerk der Turnhalle mit Abfangträger in Stahlbeton ist unproblematisch, die mittige, verbindende Tragkonstruktion müsste nicht zwingend in Stahlbeton ausgeführt werden.

Das Projekt wird für seinen unkonventionellen Ansatz, die konsequente Verfolgung der eigenständigen Idee und die räumlichen Qualitäten gewürdigt. Die Verfassenden leisten einen wichtigen Beitrag zur Diskussion der angemessenen Interpretation des Ortes und der Innovation des Schulhausbaus. Trotz faszinierender Aspekte des Projekts erscheinen die Absicht, an diesem starken Ort eine zusätzliche, neue Identität zu schaffen sowie die damit verbundene Flächenbeanspruchung nicht der adäquate Ansatz einer nachhaltigen Entwicklung des Areals Goumoëns.