Award / Auszeichnung | 06/2015
Auszeichnung vorbildlicher Bauten in Nordrhein-Westfalen 2015
©Stefan Müller
Detailaufnahme der Fassade mit den Fotoarbeiten von Stefan Müller
Folkwang Bibliothek
DE-45239 Essen-Werden, Klemensborn 39 Essen-Werden
Auszeichnung Kultur-, Sport- und Freizeitbauten
Architektur
Projektdaten
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Gebäudetyp:
Bibliotheken, Mediatheken
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Projektgröße:
1.707m² (geschätzt)
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Status:
Realisiert
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Termine:
Baubeginn: 01/2010
Fertigstellung: 09/2012
Projektbeschreibung
Die Folkwang Universität der Künste verfügt über einen der grössten musikwissenschaftlichen Bestände bundesweit. Bislang wurden die rund 190.000 Noten, Bild- und Tonträger, Bücher und sonstigen Medien in verschiedenen Archiven und Bibliotheken der region gesammelt. Nun werden die musikwissenschaftlichen Bestände der Folkwang Universität, der ehemaligen Musikwissenschaftlichen Bibliothek der Ruhr-Universität Bochum sowie der Musikpädagogik der Universität Duisburg-Essen in einem Neubau des Architekten Max Dudler zusammengefasst. Die Bibliothek auf dem Werdener Campus wurde ende September 2012 offiziell eingeweiht.
Die Folkwang Universität der Künste ist die Kunst- und Musikhochschule Nordrhein-Westfalens. Ihr Hauptsitz ist in der ehemaligen Benediktinerabtei St. Ludgerus im südlichen Ruhrtal in Essen-Werden untergebracht. Das kleine Territorium aus dem 8.Jahrhundert wurde im 18. Jahrhundert zu einer fürstlich-barocken Residenz ausgebaut, die um einen prächtigen Ehrenhof (Cour d’honneur) angeordnet wurde. Der Neubau der Bibliothek durch den Architekten Max Dudler ersetzt den im Jahr 1969 abgerissenen Lazarettbau aus dem 19. Jahrhundert auf der Südseite des Ehrenhofs. Max Dudler gewann im Jahr 2006 den vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, Niederlassung Duisburg, ausgelobten Realisierungswettbewerb für die Gestaltung des Neubaus. Das Projekt wurde großzügig von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung unterstützt.
Unter französischer Herrschaft wurde ab 1811 in der Werdener Abtei eine Strafanstalt eingerichtet. Die Preußen bauten diese aus und errichteten das Lazarettgebäude auf der Südseite des Eherenhofs. Durch den Abriss des Lazarettgebäudes war das Ensemble aus dem Gleichgewicht gebracht worden. Das neue Haus schließt diese Seite des Hofes durch ein kristallines Volumen wieder, ohne die Baufigur der Strafanstalt zu reproduzieren. Die Ostseite des Neubaus grenzt an den Seitenflügel der alten Abtei, den sogenannten Verwaltungsbau. Das Volumen des Neubaus entspricht in etwa dem des gegenüberliegenden Preußenflügels.
Die Folkwang Bibliothek ist als monolithischer Körper auf dem Sockelniveau einer historischen Bruchsteinmauer entwickelt. Max Dudlers Konzept für das Gebäude folgt der Vorstellung eines »Schmuckkästchens«: Eine äußere Hülle schützt einen wertvollen Kern. Die Funktionsbereiche gruppieren sich in Schichten um den Lesesaal im Zentrum des Hauses. In strenger Ordnung sind um ihn herum die Bücherregale angeordnet, die, der Funktion einer Bibliothek entsprechend, dem gesamten Gebäude Maß und Struktur geben. Das Haus hat zwei Eingänge: Vom Ehrenhof erfolgt der Hauptzugang zur Bibliothek über eine Freitreppe, die in typologischer Annäherung an die Eingänge der anderen Gebäude am Hof gestaltet wurde. Der Zugang vom Klemensborn aus dient als Notausgang. Ausleihe, Medienzellen, Verwaltung und Garderobe befinden sich im Erdgeschoss; der Lesesaal im ersten Obergeschoss. Die kompakten Archivbereiche der Bibliothek sind im Souterrain untergebracht.
Die Gestaltung der Fassade wurde in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Stefan Müller entwickelt. Jede Scheibe der Glasfassade zeigt eine großformatige Nahaufnahme eines Steinbruchs. Der unbehauene, plastische Stein ist auf den Fotografien im Originalmaßstab wiedergegeben. Die Fotoarbeiten wurden mit einem Spezialverfahren direkt auf die Verglasung aufgebracht. In Anlehnung an die elementare Bedeutung der Zahl Zwölf in der Musik wurden zwölf Motive zu einer Gesamtkomposition zusammengefügt. Wie bei der Scagliola-Technik der Renaissance, dem Stuckmarmor, wird die Illusion eines Materials erzeugt. Zugleich entsteht eine Spannung zwischen dem perspektivisch-plastischen Steinmotiv und der Fläche. In der Baugeschichte findet man etwas Vergleichbares in der Sgraffito-Technik, wo eine grafisch-plastisch aufgefasste Bossierung in eine ebene Putzfläche geritzt wird. Die ebenen Glasoberflächen perfektionieren die Imagination eines polierten Monolithen. Zugleich hinterfragt die Transluzenz der Hülle die erste Wahrnehmung: Der Baukörper bricht spielerisch die Grenzen von Innen und Außen auf. Schemenhaft sind Menschen hinter der Fassade zu sehen. Das Innere ist in gefiltertes, weiches Licht getaucht. In den Abendstunden illuminiert das Gebäude den Cour d’honneur.
Das Gebäude ist als Stahlbetonskelettkonstruktion mit aussteifendem Kern geplant. Die Fassade ist im Pfosten-Riegel-System an den auskragenden Deckenplatten angehängt. Lage und Format der Betonstützen orientieren sich an den Rastermaßen der Regale. Die Pfeiler sind in dem Kirschbaumholz verkleidet, das auch die Regale im Lesesaal prägt. Nicht alle Stützen sind tragend. Die nicht tragenden Stützen bilden die Wege der Medienführung für eine mechanische Teilklimatisierung. Indem die Lüftungsleitungen direkt durch den Stahlbeton der Deckenplatten geführt sind, aktivieren sie die Speichermassen des Baustoffs. Durch die Kopplung mit einem Wärmetauscher wurde ein innovativer Beitrag zur ressourcenschonenden Energienutzung realisiert. Die Inneneinrichtung der Bibliothek, wie Regale, Tische und Stühle, wurde ebenfalls von Max Dudler entworfen.
Beurteilung durch das Preisgericht
Besonders hervorzuheben ist die transluzente Glasfassade des Gebäudes: Fotoarbeiten mit großformatigen Nahaufnahmen eines Steinbruchs wurden im Originalmaßstab mit Hilfe eines Spezialverfahrens direkt auf die Verglasung aufgebracht. Durch die Materialisierung der Fassade als transluzente Haut wird eine Vernetzung von Innen und Außen erreicht, ohne dass die „Innereien“ der Bibliothek zur Schau gestellt werden. Im Inneren sind die Räume präzise ausformuliert und bestechen durch eine sorgfältige handwerkliche Ausarbeitung.
Besonders der zentrale Lesesaal besitzt große räumliche Qualitäten.“
©Stefan Müller
Folkwang Bibliothek
©Stefan Müller
Hauptfassade zum Ehrenhof
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Blick durch die Bibliothek auf die Fassade
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Freitreppe in der Bibliothek
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Carrel
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Neubau mit dem Hauptgebäude der Folkwang Universität der Künste
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Lesesaal
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Lesesaal mit Bestuhlung „Black Monday“ von horgenglarus, Gestaltung Max Dudler
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Blick durch die Regale der Bibliothek
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Südseite der Bibliothek
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Fassade zum Klemensborn
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Blick in den Lesesaal
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Arbeitsplatz an der Stirnseite des Lesesaals
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Hauptfassade zum Ehrenhof
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Blick in den Hof mit Bibliothek und Torhaus
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Hauptfassade zum Ehrenhof in der Nacht
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Fassadendetail zur Straße Klemensborn
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Ausleihe, Medienzellen und Recherchebereich
©Stefan Müller
Lesesaal