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Award / Auszeichnung (auch fĂŒr Studenten) | 11/2020

Heinze ArchitektenAWARD 2020

Messner House

IT-39040 Seis

Sieger - Ein- und ZweifamilienhÀuser

noa* network of architecture

Architektur, Innenarchitektur

Projektdaten

  • GebĂ€udetyp:

    Wohnungsbau

  • ProjektgrĂ¶ĂŸe:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 04/2015
    Fertigstellung: 12/2017

Projektbeschreibung

Am Fuße des Schlern auf der malerischen Seiser Alm (Bozen) wird ein Stadel als Haus zu neuem Leben erweckt. Das von noa* (network of architecture) realisierte Projekt orientiert sich an SĂŒdtiroler Tradition und ĂŒberrascht mit seiner visionĂ€ren und unerwarteten Inneneinrichtung: ein fast magisches Ambiente wie aus Kindheitstagen.

Den Dialog mit der Tradition suchen, sich aber gleichzeitig von ihr lösen, um die eigene
IdentitĂ€t, eine neue Lebensweise und einen neuen Wohnraum zu definieren. Inspiriert durch Erinnerungen an eine Kindheit im Hochgebirge. Das war – kurz gesagt – die Herausforderung fĂŒr noa* bei der Entwicklung des neuen Hauses in Seis am Schlern, das anstelle eines verlassenen Hauses mitten im Dorf gebaut werden sollte.

Das Ende 2017 abgeschlossene Projekt ist Teil eines höchst sensiblen Ambientes. Wir
befinden uns in SĂŒdtirol, 1.100 Meter ĂŒber dem Meeresspiegel, am Fuße der Seiser Alm, die wegen ihrer atemberaubenden Landschaft zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde. Deshalb war es wichtig, die ursprĂŒngliche Bauweise und Architektur des Dorfes zu berĂŒcksichtigen. Doch fĂŒr Stefan Rier, der zusammen mit Lukas Rungger noa* gegrĂŒndet hat, und in diesem Fall auch sein eigener „Auftraggeber“ war, bot das Projekt die Möglichkeit, seinem Haus mithilfe von Erinnerungen aus der eigenen Kindheit eine persönliche Note zu verleihen und sich von den traditionellen Gepflogenheiten zu lösen.

„Unser Ziel war es, dass sich das Haus in die Ästhetik und Architektur des Dorfes
einbindet, die durch Paarhöfe aus FeuerhĂ€usern und Holzstadel geprĂ€gt ist.“, erklĂ€rt
Architekt Rier. „Aus diesem Grund haben wir die Fassade des GebĂ€udes auf allen Seiten
traditionell mit einer Holzstruktur gestaltet, damit es wie ein typischer Stadel aussieht.
Bei den InnenrĂ€umen entschied ich mich dafĂŒr, mit der Tradition zu brechen und mich von
festgelegten EinschrĂ€nkungen und Mustern zu befreien. Um nach vorne zu schauen...und ein wenig weiter zurĂŒck, auf die schönen Jahre meiner Kindheit.“

Das Ergebnis ist ein Haus mit zwei entgegengesetzten Seelen. Von außen ein traditionelles Haus in den Alpen, das sich in die wunderschöne umliegende Landschaft eingliedert. Und innen die visionĂ€re Seele, die Überraschung eines Raums ohne Klischees: durchlĂ€ssig, osmotisch und innovativ.

Im Erdgeschoss befindet sich ein Gemeinschaftsraum, eine Art Piazza fĂŒr alle: Es gibt einen Esstisch fĂŒr die gemeinsame Zeit mit Freunden und eine große KĂŒche zum gemeinsamen Kochen. Doch dann entwickelt sich das Haus vertikal und die klassischen RĂ€ume werden durch „schwebende Boxen“ ersetzt, die auf unterschiedlichen Höhen platziert und ĂŒber Treppen und Gehwege miteinander verbunden sind. Beim Aufsteigen hat man das GefĂŒhl, den Gipfel eines Bergs zu erklimmen. Doch die Erschließungswege sind nicht nur funktionale Verbindungselemente. Sie bieten auch Platz fĂŒr die ĂŒbrigen RĂ€ume, wie die Bibliothek und die Badezimmer mit offenen Badewannen und Duschen (nur die Toiletten sind nicht sichtbar). Das gesamte GebĂ€ude ist so konzipiert, dass die PrivatsphĂ€re und IntimitĂ€t mit zunehmender Höhe wachsen. In der höchsten Box befindet sich die Sauna mit Blick auf den Santner.

Die revolutionĂ€re Anordnung der RĂ€ume ist auch von außen sichtbar und bildet eine Art
Gegensatz zu den traditionellen Fassaden. Im Norden sind die beiden mit Kupfer verkleideten Boxen der RĂ€ume hinter der vorgesetzten Holzfassade sichtbar und erzeugen einen starken Materialkontrast. Im SĂŒden dagegen wird die Fassade aus Glas durch die Sauna-Box durchbrochen.

Eine Ă€ußerst innovative und mutige Architektur, die aber auch einen Hauch von Tradition
hat. Der Blick auf die Konstruktion aus LĂ€rchenholz, der die schwebenden Boxen trĂ€gt, auf das Holzbalkendach in 12 Metern Höhe und auf die offenen RĂ€ume erinnert scheinbar an die alten Stadel. „Ich habe meine Kindheit mit Spielen in Stadeln verbracht“, sagt Stefan Rier. „Und das Schönste in meiner Kindheit war, hochzuklettern und dann ins Heu zu springen. Vielleicht wĂ€re ich ohne diese Erfahrungen als Kind nie darauf gekommen, dieses Haus zu entwerfen...“

Beurteilung durch das Preisgericht

„Den Dialog mit der Tradition suchen, sich aber gleichzeitig von ihr lösen, um die eigene IdentitĂ€t, eine neue Lebensweise und einen neuen Wohnraum zu definieren. Inspiriert durch Erinnerungen an eine Kindheit im Hochgebirge.“ So beschreibt der Architekt Stefan Rier, der zusammen mit Lukas Rungger das BĂŒro noa* gegrĂŒndet hat, den Entwurfsansatz zu seinem eigenen Haus am Fuße der Seiser Alm in Völs am Schlern in SĂŒdtirol. Aus dieser geradezu klassischen „Querelle des Anciens et des Modernes“ gelingt den Architekten im Ringen zwischen Tradition und persönlichem Ausdruck ein schier unmöglicher Spagat. Es ist ein architektonischer Wurf, dessen außerordentliche QualitĂ€t und intellektuelle Raffinesse sich tatsĂ€chlich erst auf den zweiten Blick erschließt. Dieses Haus verbindet Bescheidenheit und Einfachheit in der Anmutung mit schwelgerischem Luxus und Reichtum in der Raumerfindung. Eine prĂ€zise, folgerichtige stĂ€dtebauliche EinfĂŒgung verbindet sich mit einer spielerischen, opulenten, ja extravaganten Ausstattung. Dabei gestalten die Architekten dieses Spannungsfeld divergierender KrĂ€fte nicht als einfache Dichotomie zwischen innen und außen. Vielmehr drĂ€ngen die frei im Raum aufgehĂ€ngten Kammern des Innenraums in den Zwischenraum der membranartig umgedeuteten Holzkonstruktion der Fassade des Stadels. Im Inneren des auf diese Weise ĂŒber vier Geschosse frei sich aufspannenden Innenraums wandert das Auge zwischen theatralisch drapierten VorhĂ€ngen ĂŒber mannigfaltige wie Objekte inszenierte Ausstattungselemente, welche die Architekten als Reminiszenzen verstanden wissen wollen. Auch hier kontrastieren die Logik und Stringenz der Rauminszenierung mit dem sentimentalen, manchmal auch fast manierierten Gehalt der Objekte. Da das Haus einen VorgĂ€ngerbau ersetzt, ist dieses Einfamilienhaus auch kein Landfresser, sondern tatsĂ€chlich eine lebendige und eigenstĂ€ndige Fortschreibung der ĂŒberlieferten SĂŒdtiroler Bautradition. Die als einfache Holzkonstruktion errichtete Baufigur fĂŒgt sich nahtlos in ihre Umgebung ein. Die Jury versteht diese architektonische Tour de Force als Ringen um eine IndividualitĂ€t, die nicht auf Kosten der Gemeinschaft gehen will. Aller Eigenwilligkeit zum Trotz – oder vielmehr gerade hierdurch – ist ein Haus entstanden, welches eine allgemeine Relevanz und Beispielhaftigkeit erreicht. Dies ist den Heinze ArchitektenAWARD in der Kategorie „Einfamilien- und ZweifamilienhĂ€user" wert.