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Award / Auszeichnung | 10/2021

KfW Award Bauen 2021

Umbau eines historischen Dreiseithofes

DE-99310 Arnstadt

1. Preis | Kategorie Bestand

Preisgeld: 7.000 EUR

Architekturbüro Feuerpfeil

Architektur

Ingenieurbüro Fronzek und Gutheil

Tragwerksplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Denkmäler, Gedenkstätten, Wohnungsbau

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2019

Projektbeschreibung

Eine Scheune wird zum Wohnhaus
Einmal vor dem Einsturz gesichert, war die Scheune für eine Nutzung als Wohnhaus immer noch denkbar ungeeignet. Der 10 Meter tiefe und etwa 20 Meter breite Baukörper brauchte mehr Öffnungen, um Licht in die Wohnräume zu bringen. Das Erdgeschoss mit seiner 4,20 Meter hohen Decke hatte wunderschöne, aber an vielen Stellen bröselnde Bruchsteinmauern. Hier würde man nicht wohnen können, das war klar.
Die Wände wurden durch punktuelle „Injektionen“ stabilisiert und von einem neuen Ringanker aus Beton zusammengehalten, die historischen Kappendecken im nördlichen Teil durch ein Gerüst aus Stahlträgern gestützt. Der südliche Teil mit dem großen, nun waidblau gestrichenen Tor blieb komplett offen. Hier fanden schon Theateraufführungen und Ausstellungen statt. „Der Raum ist im Sommer angenehm kühl“, weiß Maike Herz die glücklich ist über diese Wiederbelebung der Scheune: „Wir sind in der Stadt sehr präsent.“

Das hölzerne Obergeschoss wird zum Hof hin vom knorrigen, dunklen Laubengang geprägt. Durch den Dachüberstand geschützt, ist er zu schmal als Balkon oder Sitzplatz. Darum entschied man sich, einen Teil der Fachwerkwand des Hauses freizulegen und dahinter eine Loggia anzulegen. Von Osten kommt so mehr Morgensonne in die Gästewohnung, welche die Südhälfte des Obergeschosses einnimmt. Nördlich des neuen Treppenaufgangs liegt eine weitere Wohnung, die aber bislang als Büro genutzt wird.

Das Dachgeschoss als Zentrum
Die Tageslichtfrage stellte sich erst recht im riesigen Dachgeschoss, das die Herzens für sich selbst ausbauen wollten. Seit dem Barock gab es dort vier kleine Gauben und winzige Giebelfenster, mehr nicht. Die Denkmalpfleger mögen bekanntlich ungenutzte Dachstühle ohne störende Fensterflächen. Die aus Bewohnersicht praktischen Dachfenster lehnen sie teilweise kategorisch als moderne Erfindung ab.
Nachdem im Südgiebel eine Öffnung als „Dachlaube“ für Licht und Luft gefunden war, begann also ein „harter Kampf“, so Daniel Herz, um die Dachfenster zum Hinterhof auf der Westseite. Nachdem diese Frage aber der einzige Streitpunkt mit der Denkmalpflege blieb und dafür keinerlei Eingriffe in die Bausubstanz nötig waren, setzten sich die Herzens am Ende durch – beharrlich und motiviert, wie sie nun mal sind.
So entstand ein offener, heller Großraum mit einer Galerie oben im Firstgebälk, alles belegt mit breiten Douglasiendielen. Der historische Lastenaufzug als drehend gelagerte dicke Stütze steht mitten im Raum und trennt die Sitzecke von der geräumigen Küche. Die Herzens kochen gern und bewirten hier Gäste an einem langen Tisch, der aus den Baubohlen gefertigt wurde, als sie nicht mehr benötigt wurden. Auf der Nordseite liegen das schlichte Bad und der Schlafraum.
Das krumme, durchhängende Dachgebälk blieb weitgehend erkennbar. Die Zimmerer verstanden es, die dicken Weichfaserplatten der Dämmung so zwischen die alten Sparren einzufügen, dass zumindest ein Teil aller Balken innen sichtbar ist und das Dach außen nicht störend angehoben werden musste.
Als Relikt der alten Nutzung überlebt im Dach sogar die alte Winde für die Waidpflanzen, ein stacheliger Zylinder aus Holz, vermutlich der letzte seiner Art.

Doppeltes Fachwerk
Ein guter Wärmeschutz und biologische Materialien waren den Bauherren wichtig. So wurde das gesamte Fachwerk der Außenwände aufgedoppelt und der Zwischenraum mit Blähton ausgefüllt. Die alten Fenster wurden in der zierlichen, einfach verglasten Form nachgebaut und durch einen zweiten Flügel auf der Innenseite zu Kastenfenstern ergänzt.
Die gesamte Konstruktion ist frei von Folien und Bauschäumen. „Wenn das mal zusammenfällt, bleibt nur ein Häuflein Erde übrig“, sagt Maike Herz, die von der „grauen Energie“ spricht, also dem Aufwand, der in die Baustoffe bei ihrer Herstellung gesteckt wird. Insofern ist dieses Haus-Recycling ein Musterbeispiel für ökologisches Bauen. Die Herzens erwogen sogar, das Dach mit alten Ziegeln zu decken, doch davon rieten ihnen die Fachleute am Ende ab. Aber viele der alten Mauerziegel zogen die beiden aus Abbruchhalden und klopften sie „wie die Mauerspechte“ frei, damit sie wiederverwendet werden konnten.
Beheizt wird das 306 Quadratmeter große Haus mit einer Gasbrennwerttherme, welche die Fußbodenheizung im Dach und die im Lehmputz verlegte Wandheizung im Obergeschoss speist.

Geistliche Musik im Gebälk
Wer heute auf den Pfarrhof blickt, fühlt sich in eine andere Zeit versetzt. „Das ist ja wie im Film“, meinten Freunde der Herzens aus dem Ruhrgebiet. Tatsächlich gelang hier ein sehr stimmiges Ensemble. In der Kirche gegenüber war Heinrich Bach, Großonkel von Johann Sebastian Bach, das halbe 17. Jahrhundert Kantor. „Wenn die Musik von dort herüberwaberte, das haben diese Balken hier schon gehört“, sinniert Maike Herz nach vier Jahren Maloche froh. Der berühmteste Repräsentant der Musikerfamilie startete übrigens selbst seine Karriere in Arnstadt als Organist in der nahe gelegenen Neuen Kirche.
Das Vorderhaus, ein verputztes Fachwerkhaus, ist ebenfalls Teil des Dreiseithofes. Irgendwann werden die Herzens sich auch daran machen – doch im Moment haben sie bei allem Tatendrang eine Pause verdient.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mitten im thüringischen Arnstadt rettete das Ehepaar Herz mit großem Engagement einen uralten Dreiseithof. Im offen und hell gestalteten Dachgeschoss der Scheune wohnen sie nun, während zu ebener Erde zwischen restaurierten Bruchsteinmauern immer wieder kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Nur durch den Mut und enorm viel Eigenleistung der Bauherrn war diese denkmalgerechte und ökologisch nachhaltige Revitalisierung eines prominenten Ensembles in der Altstadt möglich.