Award / Auszeichnung | 10/2021
Architektur-Preis des BDA Sachsen 2021
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Touristeninformation
Neugestaltung Ortsmitte Dommitzsch: Touristeninformation
DE-04880 Dommitzsch, Markt 1 - 3
Preis
Station C23 - Büro für Architektur, Landschaftsarchitektur und Städtebau
Landschaftsarchitektur
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Mitarbeit
Projektdaten
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Gebäudetyp:
Innenräume, Möblierung, Tourismus, Gastronomie
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Projektgröße:
1.200m² (geschätzt)
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Status:
Realisiert
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Termine:
Baubeginn: 01/2018
Fertigstellung: 01/2020
Projektbeschreibung
Ursprünglich sollten in der kleinen Stadt am Elberadweg nur das Rathaus saniert und der Marktplatz neu gestaltet werden. Dank dem Mut der Stadtverwaltung und der Akquise von Fördergeldern konnte die Maßnahme aber um die Sanierung des Nebengebäudes „Markt 3“ und den Rückbau einiger heterogen gewachsener Anbauten erweitert werden. Neben Radfahrern, die in der neu geschaffenen Touristeninformationsstelle mit überregionalen Informationen versorgt werden, profitieren fortan vor allem die Bewohner der strukturschwachen Region von einem multifunktional nutzbaren Ausstellungs- und Veranstaltungsraum im Herzen des Ortes.
Die unter engen denkmalpflegerischen Vorgaben durchgeführte Fassadensanierung des 1911 errichteten Rathauses brachte den Vorschlag mit sich, einen zu DDR-Zeiten entstandenen, eingeschossigen Anbau zurückzubauen. Dieser garagenähnliche Baukörper, der aus Unbeholfenheit oder politischem Kalkül in die Blickachse auf das Hauptportal der über 500 Jahre alten St.-Annen-Kirche gestellt wurde, fungierte bisher als Touristeninformationsstelle der Stadt und Zugang zum Ratskeller.
Da das Rathaus, dessen öffentlichkeitswirksamen Innenräume im Zuge der Fassadensanierung ebenfalls eine neue Oberflächengestaltung und Neumöblierung erfuhren, keine Flächenreserven aufwies, entstand die Idee, die Touristeninformation zukünftig in einem unmittelbar nördlich angrenzenden, ehemaligen Wohnhaus zu verorten. Das stark sanierungsbedürftige und bisher unscheinbare Gebäude „Markt 3“ wurde bereits 1780 errichtet und erfuhr im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Umbaumaßnahmen.
Das Wohngebäude wurde vollständig entkernt und aufgrund seines spätbarocken Mansarddachs über liegendem und stehenden Stuhlverband im laufenden Planungsprozesses unter Denkmalschutz gestellt. Während straßenseitig die Fassade gem. historischer Befunde mit außenbündigen Kastenfenstern wiederhergestellt werden konnte, wurde die Rückseite des Gebäudes von stallartigen Lageranbauten befreit und durch ein großes Fenster zur Kirche hin geöffnet.
Die so entstandene „leere Hülle“ wurde anhand einer einfachen Diagonale neu zoniert. Ein durch eine Leipziger Tischlerei aus Eschenholz präzise gefertigter, möbelartiger Einbau teilt den Raum in einen Informationstresen am Eingang, eine Veranstaltungsfläche mit Sitzstufenanlage auf der Erdgeschossebene und eine Galerie im oberen Geschoss. Die Decken wurden geöffnet, so dass der u.a. mit Holzbalken der ehemaligen Zwischendecke denkmalgerecht sanierte Dachstuhl zukünftig bereits aus dem Erdgeschoss heraus erlebbar ist.
Der neu gestaltete Marktplatz fasst das Ensemble aus Kirche, Rathaus und „Markt 3“ ein und ermöglicht eine barrierefreie Erschließung der Touristeninformation. Für die Anlage der Platzflächen wurde historisches Pflaster vor Ort geborgen und mit neuem Material vermischt wieder eingebaut. Sitzmauern, die als Referenz zum Eingangsportal des Rathauses aus Elbsandstein hergestellt wurden, grenzen die Platzfläche zur Ortsdurchfahrt hin ab und umfassen den im Zuge der Maßnahme renovierten, 1983 von Bruno Kubas gestalteten Gänsebrunnen.
Im Windschatten der touristischen Aufwertung entstand ein Ort, der Tür an Tür zum Rathaus zur demokratischen Teilhabe, zur Diskussion und zur Begegnung einlädt.
Beurteilung durch das Preisgericht
In der kleinen Stadt an der Elbe entstand in direkter Nachbarschaft zum Rathaus durch Sanierung und Umbau eines über 200 Jahre alten Wohnhauses ein zentraler Treffpunkt und Ort für Veranstaltungen. Der eher gedrungen wirkende Bestandsbau wurde von den alten Zwischendecken befreit und präsentiert sich mit einem über beide Geschosse greifenden Innenraum, über dem nun auch das vielgliedrige, historische Dachtragwerk sichtbar ist. Auf der Eingangsseite wurde die dreigeteilte Fassade denkmalgerecht rekonstruiert, während rückseitig ein überdimensioniertes, dem zweigeschossigen Raum angemessenes Fenster eingefügt wurde und den Blick auf die Kirche erlaubt.
Das Projekt überzeugt durch zwei wesentliche Eingriffe: der behutsame Umgang mit der bestehenden Bausubstanz und das beherzte Einfügen eines ausladenden Raummöbels mit mehreren Ebenen, das den entstandenen Leerraum selbstbewusst besetzt und ihn über die Diagonale neu gliedert. Die Geste ist so einfach wie beeindruckend. Tresen, Treppe, Tribüne – alle notwendigen Funktionen entwickeln sich aus dem Möbel heraus, gehen selbstverständlich ineinander über und leiten den Besucher intuitiv vom Eingang bis zur Galerie durch das Gebäude.
Der Raum wird von zwei unterschiedlichen Holzkonstruktionen bestimmt: knorriges, teils statisch ertüchtigtes Gebälk und verdreht dazu platziert der Einbau, bei dem sich Maserung und Farbe der Verkleidung akkurat über Kanten fortsetzen und so eine homogene Figur erzeugen. Gebälk und Einbau stehen im Kontrast und sind sich doch wohlwollende Partner. Ein harmonischer Zweiklang aus alt und neu – nichts fehlt, nichts stört.
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Touristeninformation
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Touristeninformation
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Touristeninformation
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Touristeninformation
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Touristeninformation
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Touristeninformation
©Schoener und Panzer Architekten BDA
Lageplan
©Schoener und Panzer Architekten BDA
Touristeninformation, Grundriss EG
©Schoener und Panzer Architekten BDA
Touristeninformation, Grundriss OG
©Schoener und Panzer Architekten BDA
Touristeninformation, Querschnitt
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Ortsmitte mit Rathaus, Touristeninformation und Kirche
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Ortsmitte
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Ortsmitte
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Rathaus
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Rathaus, Trauzimmer
©Schoener und Panzer Architekten BDA, Fotograf Henning Rogge
Rathaus, Ratssaal