Award / Auszeichnung | 01/2022
DAM Preis für Architektur in Deutschland 2022
©Antje Hanebeck
Nahe der Westfassade befindet sich eine kleine Kapelle
Stadlerhof
DE-84489 Burghausen, Holzfelder Weg 2
SHORTLIST
Architektur
Landschaftsarchitektur
Projektdaten
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Gebäudetyp:
Wohnungsbau
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Projektgröße:
keine Angabe
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Status:
Realisiert
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Termine:
Fertigstellung: 10/2019
Projektbeschreibung
Die Fassadengestaltung des Denkmals orientierte sich an den Restaurierungsproben der unteren und somit ältesten Farbschichten. Neben hellen Gliederungselementen, den Faschen um die Fenster und dem Giebelbereich, schafft das abgetönte Grau der Fassadenhauptfläche einen edlen Kontrast. Parallel zum Denkmal – an der Stelle, wo auf dem Grundstück ein Stadel als Nebengebäude stand – befindet sich heute der langgestreckte Neubau des Apartmenthauses. Ein weiterer Neubau mit zwei Wohnungen im Osten angrenzend lässt ein Ensemble entstehen, das den früheren Hofcharakter wieder erlebbar macht. Für die neue Nutzung als Tagespflege wurde das Denkmal um einen schmalen Erweiterungsbau ergänzt, der mit einem Personenaufzug die Barrierefreiheit gewährleistet und als zusätzlicher Fluchtweg dient. Die Ostfassade liegt nun innerhalb des Erschließungsanbaus mit neuen, verputzten Gliederungselementen im Sockelbereich und als Fensterfaschen. Helle großformatige Bodenfliesen, die Holztreppe in Eichenholz und teilweise sichtbare Betonoberflächen schaffen einen zeitgemäßen Kontrast. Der Anbau ist bewusst architektonisch abgesetzt: vertikale Fensterbänder an beiden Seiten bilden eine Fuge zwischen Neubau und Bestand und bringen viel Tageslicht in den modernen Haupteingangsbereich.
Mit Beginn der Umplanungen wurde der Bestand sorgfältig untersucht, Schicht für Schicht freigelegt, frühere Fensteröffnungen wiederhergestellt, belastete Holzböden entfernt, neuzeitliche Anstriche abgetragen und einige der jahrhundertalten Bestandteile wiedererlebbar gemacht – wie der Natursteinboden in Rotmarmor, der die Flurbereiche im Erdgeschoss prägt und die schönen, tiefgrünen Füllungstüren, die im Obergeschoss mit aufwändigen, historisierten Türzargen neu gesetzt wurden. Eine besondere Entdeckung waren in den beiden Sälen des ehemaligen Damen- und Herrenzimmers die historischen dekorativen Wandmalereien, die durch behutsame, zeitinstensive Restaurierungsarbeiten freigelegt wurden. Hervorzuheben sind auch die gelungenen, neu eingebauten Kastenfenster im gesamten Gebäude, von einer lokalen Schreinerei hergestellt. Aus energetischen Gründen wurde in die inneren Fensterrahmen eine Isolierverglasung eingesetzt und gezogenes Glas mit Sprossenteilung in das äußere Element, da die Glasflächen der Fenster einen großen Anteil am Erscheinungsbild haben. Stimmig ergänzt mit historisch nachempfundenen, geschwärzten Beschlägen, wird die authentische Wirkung zusätzlich durch Fensterbleche aus Blei. Dieses Material sieht man häufig bei Kirchenfassaden und -dächern, und mit fortschreitender Verwitterung entsteht eine einzigartige, weißliche Patina.
Für die brandschutztechnisch erforderliche Einbauten in den Fluren hat man ebenfalls auf das Können des Schreiners zurückgegriffen. Da die Türelemente dauerhaft offenstehen und nur im Brandfall schließen sollen, wurden diese möglichst dezent mit Glasfüllungen versehen und weiß gestrichenen. Im Gegensatz dazu heben sich die neuen Sanitärbereiche deutlich von der bestehenden Umgebung ab. In dem alten Gewölbe sind die Toiletten als farbige Box in warmen Rot- und Altrosatönen „hineingestellt“, die darauf installierte indirekte Beleuchtung unterstreicht augenscheinlich die Gewölbedecke. Leider konnten die bestehenden Holzdielen im Obergeschoss nicht erhalten werden, da bei einer Materialuntersuchung eine hohe Konzentration von PCB (sehr giftige und für Menschen schädliche Chlorverbindung) nachgewiesen wurde. Als neuer Bodenbelag für den Flur im Obergeschoss, sowie die Aufenthaltsräume im gesamten Gebäude kamen hochwertige, weißlich geölte Eichendielen zum Einsatz. Deren ruhige Holzoberfläche bildet einen warmen Kontrast zu den dunkelgrünen Türen und dem rötlich marmorierten Natursteinboden im Flurbereich.
Durch das hohe Engagement der privaten Bauherren, denen sehr viel an der denkmalgerechten Sanierung ihres Stadlerhofs lag, und der guten und engen Zusammenarbeit mit der Kreisheimatpflege und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, erstrahlt das Gebäude mit seinem historischen, behutsam überarbeitete Bestand nun wieder in voller Pracht. Die freigelegten Spuren der früheren Bewohner erzählen ihre Geschichte und diese wird nun von den neuen Bewohnern weiter fortgesetzt werden.
©Iven Matheis
Westansicht
©Antje Hanebeck
Neue Öffnungen und Raumfolgen lassen eine Enfilade entstehen
©Antje Hanebeck
Historische Türblätter und Wandmalereien
©Antje Hanebeck
Detail Reiber - ein einfacher Hebelbeschlag
©Antje Hanebeck
Massive Gewölbe im bestehenden Treppenhaus
©Antje Hanebeck
Im Obergeschoss harmonieren die grünen Türen mit den neuen Eichendielen
©Antje Hanebeck
Ruhige Holzoberflächen bilden einen warmen Kontrast zu den dunkelgrünen Türen
©Antje Hanebeck
Türscharnier
©Antje Hanebeck
Historisches Türblatt
©Antje Hanebeck
Moderne Eingriffe werden bewusst betont.
©Antje Hanebeck
Rötlich marmorierter Natursteinboden im Flurbereich
©Antje Hanebeck
Nach Osten orientierter Haupteingang als Erweiterungsbau
©Iven Matheis
Naturbelassene Holzoberflächen umschließen den Laubengang im Oberschoss
©Iven Matheis
Verbindung zwischen Bestand und Neubau, das alte Hoftor wurde erhalten.
©studio lot
Lageplan
©studio lot
Mit neuen Wohnbauten im Süden und Osten wird der frühere Hofcharakter wiedererlebbar.
©studio lot
Schnitt