Nichtoffener Wettbewerb | 06/2021
Neubau Dienstgebäude Beiertheimer Allee in Karlsruhe
©grauwald studio Gesellschaft für Architektur und Bild
3. Preis
Preisgeld: 100.000 EUR
Architektur
Landschaftsarchitektur
bwp Burggraf + Weber Beratende Ingenieure GmbH
Tragwerksplanung
hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH
Brandschutzplanung
TGA-Fachplanung
Modellbau
Grauwald Studio Gesellschaft für Architektur und Bild
Visualisierung
Erläuterungstext
Als Referenz an das Bestandsgebäude, das die ausgeprägte und elegante Hochhausmoderne Deutschlands der 1960er bis 1980er Jahre repräsentiert, ist das neue Landratsamt in seinem äußeren und inneren Erscheinungsbild fein strukturiert und plastisch differenziert ausgebildet. Einfache und klar ablesbare Bauteile vermitteln eine erlebbare Offenheit und strukturelle Klarheit. Die an der Kriegsstraße beginnende und sich linear und bauplastisch variierende Stapelung und Konzentration einer zusammengehörigen Gebäudeskulptur erstreckt sich im Süden konsequent bis zur Hermann-Billing-Straße. Damit erhält der Neubau des Dienstgebäudes, angrenzend an den Ettlinger-Tor-Platz, eine prägende stadträumliche Figur, die während des ersten von zwei Bauabschnitten finalisiert werden kann. Ein Interimsbau ist nicht erforderlich, was sich auch unter logistischen und wirtschaftlichen Aspekten positiv auswirkt.
Insgesamt zeigt sich der Entwurf selbstbewusst, großzügig, gelassen und ohne vordergründige Gestik und Symbolik, – im viel diskutierten Spannungsfeld von stadträumlicher Atmosphäre, Funktionalität, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und notwendiger Selbstdarstellung. Der nach Abbruch des bestehenden Landratsamtes sich nach Osten hin erstreckende Platzraum für einen zweiten Bauabschnitt soll bis zu dessen Realisierung als wassergebundene Parkanlage mit einem Baumhain gestaltet werden, analog einer Anpflanzung in Baumschulen. Dadurch entsteht bereits im ersten Schritt ein stimmiges Ensemble im Stadtraum.
Ziel des Konzeptes ist es zudem, eine hierarchielose Organisation aller Arbeitsflächen zu ermöglichen und die gewünschten Sonderflächen funktional und sinnvoll räumlich zu verknüpfen. Der öffentliche Charakter des Gebäudes wird durch ein großzügiges Entree und mittels zweier gegenläufiger Kolonnadenzonen im öffentlichen Raum betont und verankert. Als signifikante Strukturelemente der Fassade sind, neben den geschoßhohen Prallglasscheiben und der inneren Holzfassade, speziell für das Landratsamt angefertigte, keramische Kacheln vorgesehen, – ganz im Geiste der Karlsruher Tradition von Sonderbauelementen aus Keramik. Die tektonische Abstufung des Gebäudevolumens prägt auch die terrassenförmig angelegten und intensiv bepflanzten Außenbereiche. Nicht zuletzt durch die derzeit im Bau befindliche Kombilösung erlangt dieses Areal zukünftig im Hinblick auf Mobilität und stadträumliche Qualität eine völlig neue Erscheinung und Bedeutung.
Beurteilung durch das Preisgericht
Es wird gewürdigt, dass mit dieser Setzung bereits in der 1. Phase eines 1. Bauabschnitts alle Flächen des künftigen Landratsamtes erstellt werden können, ohne aufwendige Interimslösungen zu schaffen. Diese eindeutige Trennung zu einem späteren 2. BA wird konsequent und gut bis in die Tiefgarage durchgeführt.
Nach Abriss des Hochhauses und Umzug des Amtes in den Neubau kann auf dem östlichen Teil des Grundstücks bis zum Ettlinger-Tor-Platz hin problemlos der 2. Bauabschnitt errichtet werden. Dieser 2. BA hält einen wohltuenden Abstand zum Landratsamt ein und gibt den Fassaden beider Gebäudevolumen den notwendigen Freiraum, um im Stadtraum zu wirken.
Obwohl der Block des 2. BAs durch eine orthogonale Verschwenkung zur Beiertheimer Allee hin einen schönen Vorplatz vor dem Eingang des Landratsamts entstehen lässt, wird dessen Lage in der zweiten Reihe vom Ettlinger-Tor-Platz kommend, verdeckt durch den Block des 2. BAs, vom Preisgericht kritisch gesehen. Obwohl die Eingänge zum Landratsamt, Servicecenter und Konferenzzentrum an der richtigen Stelle nach Westen hin gerichtet sind und durch eine schöne lange Kolonnade zur Kriegsstraße hin markiert werden, ist die Adressbildung zum Ettlinger-Tor-Platz nicht markant genug bzw. verstellt.
Das Raumprogramm des Landratsamtes ist erfüllt. Das Erdgeschoss mit den sich gegenüberliegenden Kolonnaden und Eingängen nach Ost und West ist hinsichtlich der öffentlichen Nutzungen gut organisiert. Hervorzuheben ist die schöne durchgesteckte Erschließung in den Konferenzbereich des ersten OGs und die Lage des Vorplatzes belebenden Betriebsrestaurants. Auch die Regelgeschosse sind trotz ihrer relativ großen Breite gut und flexibel zu nutzen. Der Baukörper überzeugt mit seinen relativ kurzen Wegen zwischen den einzelnen Nutzungen. Mit seinen ermittelten Kennwerten bestätigt er seine Kompaktheit und Wirtschaftlichkeit.
In den oberen Etagen löst sich der Baukörper mit Ausnahme der Hochhausscheiben in eine Terrassenlandschaft auf. Die Aufenthaltsqualität der Terrassen, die durch eine Bepflanzung noch gestärkt wird, wird vom Preisgericht gewürdigt. Sie stellen einen guten räumlichen Ausgleich zu den Büroarbeitsflächen dar und fördern die Arbeitsplatzqualität.
Gleichzeit wird vom Preisgericht jedoch auch die skulpturale Ausformulierung der Dachlandschaft kritisch hinterfragt. Die Abtreppungen der einzelnen Terrassen erscheinen in ihrer Anzahl und Höhe etwas beliebig und unbestimmt. Ihr räumlicher immer gleicher Abschluss mit einem Raumgerüst aus Stahl wirkt schematisch und unfertig. Hier wird im Preisgericht sehr kontrovers diskutiert, ob das vorgeschlagene Motiv eines offenen Gerüsts oder eines unausgefüllten Gitters die richtige architektonische Antwort auf den oberen Abschluss eines öffentlichen Hauses mit klarem Raumprogramm und Inhalt ist.
Kritisch wird vom Preisgericht auch die Verkleidung des Fassadengerüsts, also der Geschossbänder, Stützen und Stahlträger, mit Keramikfliesen gesehen. Das Preisgericht ist der Meinung, dass die Fliesen auf den relativ schmalen Streben ihre Wirkung nicht so gut entfalten können, als wenn sie, wie normalerweise, großflächig eingesetzt würden. Hier wäre für die Fassadenbekleidung ein anderes Material angemessener gewesen.
Schade ist, dass für die Errichtung des Landratsamtes nicht innovativere Konstruktionen vorgeschlagen werden als normale Stahlbetonstützen und -decken, auf denen Stahlstüzen und-Träger im Dachbereich stehen - Holzbau hätte sich angeboten. Das Energiekonzept zur Betreibung des Hauses scheint etwas überinstrumentalisiert. Hier hätte man sich etwas mehr Einfachheit gewünscht, genauso, wie, dass die vorgeschlagene Geothermie auch zum Beheizen des Hauses und nicht nur zur Kühlung genutzt würde.
Lobenswert ist das klare und gut durchdachte Brandschutzkonzept. Gut geschnittene Nutzungseinheiten sind erkennbar und das Rettungswegekonzept ist vom Hochhaus bis zu den Notausgängen im EG und den Zugängen für die Feuerwehr sauber ausgearbeitet.
Insgesamt handelt es sich bei der Arbeit um einen starken architektonischen Beitrag, der eine sichere, manchmal jedoch etwas manieristisch wirkende Handschrift der Verfasserinnen erkennen lässt und dessen wesentliches Problem letztendlich in der Setzung des Entwurfs in die zweite Reihe des Grundstücks besteht.
©grauwald studio Gesellschaft für Architektur und Bild
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©Allmann Sattler Wappner Architekten
Lageplan
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Bauphasen
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Grundriss EG
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Grundriss 2. OG
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Grundriss 5. OG
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Querschnitt
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Detailansicht
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