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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2021

Neues Quartier „holz.stahl.digital“ in Kreuztal

Perspektive Austraße / Mühlenweg

Perspektive Austraße / Mühlenweg

Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

stm°architekten

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Raumbild
Leitidee des neuen Wohn- und Arbeitsquartiers ist das Verweben von landschaftsräumlichen Elementen und baulichen Resten der industriellen Nutzung mit einer Baustruktur, die sich pixelartig über die Flächen der abzubrechenden Hallen legt. Mit Hilfe dieses Grundkonzeptes verschmelzen die drei Abschnitte des Geländes – der Park im Westen, die zentrale Baufläche und die erhaltenen Hallen im Osten zu einem räumlichen Gefüge. Es entsteht ein Raum-, Bau- und Grüngeflecht, das von der industriellen Tradition lebt, gleichzeitig aber die zukünftigen Anforderungen eines zeitgemäßen Lebensraums bietet. Eine vielfältige Wegestruktur, kleinteilige Bebauung, differenzierte Platzräume und Grünflächen durchziehen und vernetzen das Gelände und ermöglichen erforderliche Reaktionen auf den Klimawandel, bieten Platz für Rekreation und Kommunikation mit Hilfe von öffentlichen und nachbarschaftsorientierten Räumen.

Baustruktur
Die drei gewünschten Wohnformen verteilen sich in Bautypen, die auf einer einfachen Grundgeometrie basieren und über eine Höhenentwicklung von 2 und 3 Geschossen verfügen. Die Gebäude basieren auf einer Massivholzkonstruktion und sind mit Holzfassaden verkleidet. Begrünung der Dächer und an Teilen der Fassaden ergänzen zusammen mit integrierten Photovoltaikflächen die Erscheinung der Hochbauten.

Neben den Wohnbauten werden gut erreichbare von den Wohnungen am Rand des Quartiers Fahrrad-Hubs angeboten. Die Quartiersgarage – ebenfalls mit Fahrradabstellplätzen ausgestattet – ist am südöstlichen Rand der Bebauung platziert. So belastet kein PKW Verkehr – außer Notfall und Sonderfahrten – das Quartier. Das Dach wird als begrünte Spielfläche hergerichtet, die Fassaden mit PV Modulen bestückt. Wichtige Elemente für ein zeitgemäßes Wohnen sind die zugeordneten privaten und halböffentlichen Freiflächen: Angebote sind angefügte Balkone, eingeschnittene Dachterrassen und angelagerte Terrassen auf Geländehöhe als private Räume, bei den Mehrfamiliengebäude zusätzlich erweiterte Treppenräume als kommunikative Gemeinschaftsflächen und natürlich die Platzstruktur, die sich durch das Baufeld zieht.

Freiraum
Der Freiraum verbindet die drei Teilflächen des Entwurfs: Strukturen und Elemente sind offene Grünflächen, Spielplätze, Baumfelder und Wege mit Platzflächen zur Kommunikation unter den BewohnerInnen. Befestigte und versiegelte Fläche wird minimiert, Versickerungsfläche maximiert. Wo möglich, wird wasserdurchlässiger Belag zur Befestigung der Erschließungen verwendet. Vielfältig gestellte Bäume, in Form von Hainen oder auch als Einzelbäume bieten Schatten und durchziehen zusammen mit Staudenfeldern und Strauchpflanzungen das Quartier. Es entsteht ein offener, fließender Grünraum, der nicht durch massive Hecken verstopft wird.

Erinnerungskultur
Die Identifikation des Geländes beruht auf den zu erhaltenden Teilen der Hallen: Neben den Stirnwänden, die als Schallschutz fungieren, sollen Stützen, Mauerrudimente und sichtbare Fundamente im Freiraum integriert werden und das Wohnquartier prägen. Die vorgeschlagene Baustruktur stellt sich zwischen die Fluchten der Wandscheiben und Stützen und ermöglicht großzügigen Erhalt. So beschränkt sich der Bezug auf die Geschichte des Quartiers nicht nur auf die Verwaltung und die Kulturhalle im Osten, sondern durchzieht und prägt als weitere bauliche Schicht das gesamte Gelände.

Klimaneutralität und Wassermanagement
Die angestrebte Klimaneutralität stellt einen wesentlichen Baustein des vorgeschlagenen Konzeptes dar und bezieht sich auf ein umfassendes Siedlungs- und Lebensbild als Grundlage für ein anderes Wohnen und Arbeiten. Neben den energetisch optimierten Bauten – sowohl in der Herstellung, als auch während der Lebenszeit und bezüglich des Rückbaus – sorgen die Ausbildung des Quartiers, die zu einem angemessenen Mikroklima führen wird, die vorgehaltenen Kaltluftschneisen, das Wassermanagement und die vorgeschlagene Freiflächenbewirtschaftung zu den Grundlagen, die für das klimaneutrale Wohnen und Arbeiten in Zukunft erforderlich sein werden. Das Wassermanagement des Siedlungskörpers beruht auf dem „Schwammstadt“-Prinzip. Die Flachdächer und Teile der Clusterinnenflächen dienen zur Regenwassersammlung, die Zwischenspeicherung erfolgt in Zisternen. Zur Aufnahme von Starkregenfällen wird das System mit dem Ferndorfbach und den westlichen Freiflächen vernetzt. Dieser Wasserlauf ist folglich nicht nur aktivierter Lebens- und Erholungsraum, sondern integratives Element des vorgeschlagenen Konzeptes. Das im Baugebiet anfallende Abwasser wird in drei Gruppen getrennt. Das Grauwasser aus den Waschbecken und Duschen der privaten Bäder und den Waschmaschinen der Wohneinheiten wird gesondert in Aufbereitungseinheit geleitet und in Zisternen gespeichert und kann im Baugebiet verbleiben. Gelbwasser und Schwarzwasser sollen so weit wie möglich getrennt erfasst und dezentral behandelt werden.

Bestandsbau
Die zu erhaltenden Bestandsgebäude werden durch die ihnen zugeführten Nutzungen und behutsame bauliche Eingriffe zum öffentlichen Anlaufpunkt des neuen Quartiers und zum Vermittler zwischen urbaner Nachbarschaft und dem ländlichen Raum.

Subtile Anpassungen und zurückhaltende Gesten im Erscheinungsbild des Bestands sollen von einer architektonischen Haltung des „Weiterbauens und Reparierens“ zeugen, ohne dass Charakter und Charme der existierenden Gebäude verloren gehen.

Eingefasst von den beiden Bestandsbauten entsteht ein multifunktional nutzbarer Platz, der einerseits den BewohnerInnen als übergeordneter Quartierstreffpunkt zur Verfügung steht und andererseits als angemessener Vor- und Schauplatz öffentlicher Veranstaltungen dient, vergleichbar mit dem Marktplatz klassischer Stadt- und Dorftypologien.

Konzept Tonnenhalle
Die Tonnenhalle wird zum Veranstaltungsort. Um diese Nutzung auch nach außen hin ablesbar zu machen und die benötigte Repräsentativität zu schaffen, wird vorgeschlagen, zunächst den Magazinanbau zu entfernen. Ein neues Foyer, das sich südlich vor die Tonnenhalle legt und den Bestand nach Osten durchstößt, ergänzt die Nutzung der Veranstaltungshalle und markiert einen neuen und angemessenen Zugang von außerhalb des Quartiers. Die architektonische Geste eines massiven Bügels, der an der Tonnenhalle beginnt, sich nach Osten durch den Bestand zieht und schließlich den Durchgang der ehem. Anlieferung fasst, bildet auf zurückhaltende Art eine klare Adresse sowohl zum Quartier, als auch nach außen aus. Nebennutzungen für die Veranstaltungshalle werden wie eingestellte Kisten in den Bestand integriert und tragen zu einer flexiblen Nutzungsmöglichkeit der Halle bei.

Konzept ehem. Verwaltungsbau
Im ehemaligen Verwaltungsbau werden unterschiedliche öffentliche Nutzungen angedacht, von der sowohl das Quartier als auch die umliegenden Stadtbereiche profitieren können. Es werde zwei Erschließungskerne eingefügt, die es ermöglichen, den Bestand in flexible Nutzungseinheiten aufzuteilen. Ein öffentliches Café mit zweigeschossigem Gastraum sowie Werkstätten und Fablabs ermöglichen im Erdgeschoss den Bezug zum Quartiersplatz und beleben den Ort. In den darüberliegenden Geschossen wird die räumliche Struktur des Bestands grundsätzlich beibehalten und für Co-Working und kleine Einlieger- bzw. Gästewohnungen ausgerüstet. Die Dachräume können ausgebaut und mit Lagerflächen für die BewohnerInnen des Quartiers belegt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser formulieren mit einer städtebaulich konsequenten Punkthausstruktur ein ausdifferenziertes, kleinteiliges Konzept, das eine große räumliche Vielfalt und situative Maßstäblichkeit innerhalb des Quartiers ausbildet und einem zeitgemäßen Anspruch an moderne Wohn- und Arbeitsformen überaus gerecht werden könnte. Mit einer intelligenten Mischung verschiedener Wohntypologien entstehen ganz unterschiedlich dimensionierte Wegverbindungen und Plätze, die mit einer ausreichenden Berücksichtigung privater Gartenflächen eine hohe Ausgewogenheit in der Abstufung zwischen öffentlichen, halböffentlichen und privaten Räumen erwarten lassen. Der Lärmschutz scheint durch den Erhalt historischer Fassadenteile ausreichend gegeben, wobei hier ein struktureller Bruch zur anschließenden Bebauungsstruktur festzustellen ist.

Der Grünraum im nordwestlichen Grundstücksbereich wird vom Preisgericht hinsichtlich des nicht vorhandenen Bedarfes einer öffentlichen Parkanlage an diesem Ort kritisch gesehen. Nichtsdestotrotz ist die Struktur bei der im Quartier geschaffenen hohen Dichte hier folgerichtig verortet. Die weiche Kante, die aus der Setzung der gewählten Struktur resultiert, erzeugt zum Ferndorfbach wie auch zum öffentlichen Grünraum im Nordwesten einen angemessenen, interessanten räumlichen Übergang.

Gut vorstellbar ist die vielseitige Nutzung der Hallen und die Ausbildung eines neuen Foyerbereiches als Anbau an die Tonnendachhalle, der sich zum Quartiersplatz in einladender Geste öffnet. Der zwischen Bestandshalle und Quartier entstehende, tiefe Platzraum schafft einen gut dimensionierten öffentlichen Ort, der den neu entstehenden Quartiersplatz an der Bender-Halle folgerichtig mit dem Raum am Ferndorfbach verbindet. Kritisch wird hier die fehlende Raumkante der westlich anschließenden Quartiersbebauung zum Platz beurteilt; die teils privaten Gartenstrukturen in diesem öffentlichen Raum wirken hier räumlich wenig überzeugend.

Das Quartiersparkhaus südlich der Bender-Halle scheint angemessen dimensioniert und in der Erschließungslogik eines im westlichen Bereich vollständig autofreien Quartiers folgerichtig. Für die vorgeschlagenen Einfamilienhaus- und Doppelhausstrukturen wird die zwangsläufige und teilweise recht weite Entfernung zwischen Stellplatz und Wohnstandort aber nachteilig gesehen.

Deutlich negativ bewertet wird die Grundrissqualität insbesondere der Mehrfamilienhäuser. Fraglich scheint in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht hier auch der geringe Gebäudequerschnitt, die großen Erschließungsräume und die Auslagerung der Aufzugsanlagen.

Beim in städtebaulicher Hinsicht richtig gewählten Konzept der Gebäude als „Allseiter“ wären hier vielseitigere Grundrissformen wünschenswert gewesen.
Abgabeplan 01

Abgabeplan 01

Abgabeplan 02

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