Einladungswettbewerb | 09/2023
Quartiersentwicklung Ehemalige Daimlersiedlung in Stuttgart-Hallschlag
©ASTOC Architects and Planners GmbH / mit Glück Landschaftsarchitektur
Perspektive Rostocker Straße
Gewinner / Nach Überarbeitung
Preisgeld: 22.912 EUR
ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH
Stadtplanung / Städtebau
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Verfasser:
Jörg Ziolkowski, Andreas Kühn, Prof. Oliver Hall, Sebastian Hermann, Peter Berner, Prof. Markus Neppl, Ingo Kanehl
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Mitarbeitende:
Arpad Hetey, Lena Hüpgens, Rüdiger Hundsdörfer, Timo Eisele, Lucas Riera, Svenja Krings, Marcin Wasag, Dr. Matthias Stippich
Landschaftsarchitektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Erläuterungstext
Ausgangslage
Als Feedback zu unserem Entwurf aus der ersten Phase gab es im Wesentlichen der Wunsch nach einem prägnanteren Städtebau, der die Daimlersiedlung angemessen erweitert. Ein besonderer Fokus wurde hier auf die Entwicklung flexibler und wachsender Strukturen gelegt. Gleichzeitig sollten die Gebäude flächenneutral unter die Hochhausgrenze modifiziert werden. Der Vorschlag, deutlich mehr BGF in den Bereich der Rostocker Straße zu verschieben, war ebenfalls ein sehr hilfreicher Hinweis. Eine stärkere Verbindung der einzelnen Abschnitte und eine größere Prägnanz der Baukörper waren richtigerweise gewünscht.
Konzept
Unsere Leitidee ist die Entwicklung eines städtebaulichen Typus, der sich aus den existierenden Merkmalen und Konzepten entwickelt und diese Planungsideen in die Zukunft transformiert. Der markante Grundtyp, der aus einem flexiblen Sockel und zwei aufgehenden Hochpunkten mit sehr effizienten Wohnungstypen besteht, wird dann in Reflexion des Kontextes variiert. In seiner Kompaktheit und strukturellen Selbstähnlichkeit ist er nicht nur sehr effizient, sondern auch als klares zeitgenössisches Element im Ensemble des Hallschlags identifizierbar. Die Ergänzungen sind daher auf der einen Seite ortsspezifisch und sensibel, auf der anderen aber auch prägnant und raumprägend ohne in Konkurrenz zum Bestand zu treten.
Diese städtebauliche Methodik der minimal invasiven, aber maximal wirksamen Eingriffe ist auch die Maxime der Freianlagengestaltung. Wir arbeiten eng an den existierenden Strukturen, erhalten möglichst viele Elemente der ursprünglichen Freianlagenkonzeption und stärken diese gezielt durch unsere zeitgenössische Interpretation der Ursprungsideen.
Das Erbe der Nachkriegsmoderne
Die ehemalige Daimlersiedlung im Hallschlag steht prototypisch für die Großsiedlungen der Nachkriegsmoderne. Genau aus diesem Grund ist sie in der konzeptuellen Auseinandersetzung interessant. Nicht nur vor dem Hintergrund der Bauausstellung stellen sich an dieser Stelle einige Fragen, die nicht nur nach situativen, sondern auch nach grundsätzlichen Antworten verlangen.
Die konzeptuellen Grundlagen der Daimlersiedlung liegen natürlich in der Moderne mit ihrem Paradigma nach klaren Formen, die kontrastreich über den großzügigen und öffentlichen Außenräumen schweben. Tief in diesem Bild verankert ist auch der hohe Stellenwert des MIV, der sich in der Daimlersiedlung nicht nur in ihrem Namen, sondern auch in der besonderen Garagensituation manifestiert.
Unser zeitgenössisches Selbstverständnis
Da Stadt und Architektur immer auch als Abbild ihrer jeweiligen Zeit bzw. als Produkt ihrer Rahmenbedingungen verstanden werden können, stellt sich bei dieser Aufgabe die Grundsatzfrage, welche Zeit / welche Rahmenbedingungen wir denn mit unserem Bebauungsvorschlag abbilden. Bei dieser Frage nach den zeitgenössischen Planungsparadigmen, die das „Erbe der Moderne“ reflektieren, stützen wir uns auf die viel zitierten Grundsatzpositionen der Charta von Leipzig und der New European Bauhaus Initiative.
Die Aufgabenstellung, nämlich die Schaffung von qualitätvollen und preisgünstigen Wohnraum, der möglichst alle Stadtbewohner anspricht, ist absolut vergleichbar. Die gesellschaftlichen Paradigmen haben sich jedoch verändert.
Die Aufgabe liegt nicht nur in der Schaffung von qualitätvollem Wohn-, Stadt- und Freiraum, sondern ganz grundsätzlich in der Transformation der architektonischen, der städtebaulichen und der Freiraumidee der Daimlersiedlung in die Zukunft.
Die DNA der Daimlersiedlung
Wir suchen also das Muster, die DNA der Daimlersiedlung. Die typologische und wirtschaftliche DNA ist die Effizienz, die Modularität und der hohe Vorfertigungsgrad der Wohneinheiten.
Diese den Grundsätzen der Moderne folgenden Prinzipien werden durch flexible und gemeinschaftsorientierte Erdgeschosszonen mit pavillonartigen Ergänzungen, die eher als Teil der Landschaft verstanden werden, ergänzt. Stadträumlich betrachtet definieren die großen und frei auf der Landschaft stehenden Wohngebäude weiträumig die städtebauliche Struktur. Die pavillonartigen eingeschossigen Gebäude sorgen für die Bildung der Mikroräume und die Wegeführung.
FAZIT: (Zwei) hohe Baukörper im Dialog untereinander ordnen die großen Räume und verknüpfen den Kontext. Sie beinhalten effiziente und qualitativ hochwertige Wohnungen für unterschiedlichste Nutzer. Die gemeinschaftsorientierten Erdgeschosszonen sind hochflexibel und mitunter experimentell, sie ordnen den Nahbereich und bilden die kleinen Quartiersräume.
Transformation
Die vorgefundenen konzeptuellen Muster der Daimlersiedlung transformieren wir in die Zukunft. Den Ideen der Charta von Leipzig und des European Bauhaus folgend erzeugen wir nach diesem Prinzip eher kleinmaßstäbliche Hochpunkte, die kompakter sind und ein integrierenderes Verhältnis zum umgebenden Freiraum entwickeln. Die Ordnung der städtebaulichen Räume findet im mittleren Maßstab statt, um keine Konkurrenzsituation zu den bestehenden Strukturen zu entwickeln.
Die Sockelgeschosse bilden die flexible Basis, die in Analogie zum identifizierten Muster den Nahraum strukturiert und klare Adressen und Wegeführungen ausbildet. Die kompakten Baukörper wie auch die Freiräume folgen hierbei dem Prinzip der möglichst minimalen Invasion und dem maximalen Erhalt existierender Strukturen.
So entsteht die städtebauliche Grundtypologie des Hallschlager Zwillings, die die Räume neu strukturiert sich in den jeweiligen städtebaulichen und Freiraumkontext integriert.
Resultierender Entwurfsansatz
Der Hallschlager Zwilling ist gekennzeichnet durch Dichte und Flexibilität. Diese beiden Parameter werden - ganz ähnlich wie im Bestand - im Sockel und in den Hochpunkten allerdings sehr unterschiedlich ausformuliert.
In den Hochpunkten basieren die Wohnungen auf einem sehr klaren Grundraster, welches modular in der Horizontalen wie auch in der Vertikalen je nach Bedarf variiert werden kann. Dies erlaubt bei aller Flexibilität eine große Kompaktheit und einen hohen Vorfertigungsgrad und macht durch die Unterschreitung der Hochhausgrenze auch einen modulbasierten Holzbau wirtschaftlich möglich.
Den Sockelbereich verstehen wir als „Regal“, in dem hochflexibel gemeinschaftsorientierte Nutzungen getestet, etabliert, variiert oder auch wieder verworfen werden können.
FAZIT: Hohe Dichte bei gleichzeitig hoher Flexibilität und minimalinvasiven Eingriffen, die die vorgefundenen Strukturen sensibel transformieren: Das ist unser Vorschlag zum Umgang mit dem Hallschlager Erbe der Stuttgarter Moderne.
Beurteilung durch das Preisgericht
©ASTOC Architects and Planners GmbH / mit Glück Landschaftsarchitektur
Lageplan 1:500
©ASTOC Architects and Planners GmbH / mit Glück Landschaftsarchitektur
Perspektive Innenhof
©ASTOC Architects and Planners GmbH / mit Glück Landschaftsarchitektur
Perspektive Rostocker Straße
©ASTOC Architects and Planners GmbH / mit Glück Landschaftsarchitektur
Lageplan 1:1000 kurzfristig
©ASTOC Architects and Planners GmbH / mit Glück Landschaftsarchitektur
Lageplan 1:1000 langfristig
©ASTOC Architects and Planners GmbH / mit Glück Landschaftsarchitektur
Modellfoto Basistypologie