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Einladungswettbewerb | 09/2023

Quartiersentwicklung Ehemalige Daimlersiedlung in Stuttgart-Hallschlag

Perspektive Rostocker Straße

Perspektive Rostocker Straße

Gewinner / Nach Überarbeitung

Preisgeld: 22.912 EUR

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Glück Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Mit der Überarbeitung bietet sich die Gelegenheit, den Entwurf feiner auf die Bedürfnisse und den Kontext auszurichten und auch im Sinne der IBA‘27 das Erbe der Stuttgarter Nachkriegsmoderne exemplarisch zu beleuchten. Vor diesem Hintergrund haben wir drei Hauptparameter identifiziert, die unser Konzept prägen: Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und der städtebauliche und typologische Umgang mit der Stuttgarter Nachkriegsmoderne.

Ausgangslage
Als Feedback zu unserem Entwurf aus der ersten Phase gab es im Wesentlichen der Wunsch nach einem prägnanteren Städtebau, der die Daimlersiedlung angemessen erweitert. Ein besonderer Fokus wurde hier auf die Entwicklung flexibler und wachsender Strukturen gelegt. Gleichzeitig sollten die Gebäude flächenneutral unter die Hochhausgrenze modifiziert werden. Der Vorschlag, deutlich mehr BGF in den Bereich der Rostocker Straße zu verschieben, war ebenfalls ein sehr hilfreicher Hinweis. Eine stärkere Verbindung der einzelnen Abschnitte und eine größere Prägnanz der Baukörper waren richtigerweise gewünscht.

Konzept
Unsere Leitidee ist die Entwicklung eines städtebaulichen Typus, der sich aus den existierenden Merkmalen und Konzepten entwickelt und diese Planungsideen in die Zukunft transformiert. Der markante Grundtyp, der aus einem flexiblen Sockel und zwei aufgehenden Hochpunkten mit sehr effizienten Wohnungstypen besteht, wird dann in Reflexion des Kontextes variiert. In seiner Kompaktheit und strukturellen Selbstähnlichkeit ist er nicht nur sehr effizient, sondern auch als klares zeitgenössisches Element im Ensemble des Hallschlags identifizierbar. Die Ergänzungen sind daher auf der einen Seite ortsspezifisch und sensibel, auf der anderen aber auch prägnant und raumprägend ohne in Konkurrenz zum Bestand zu treten.
Diese städtebauliche Methodik der minimal invasiven, aber maximal wirksamen Eingriffe ist auch die Maxime der Freianlagengestaltung. Wir arbeiten eng an den existierenden Strukturen, erhalten möglichst viele Elemente der ursprünglichen Freianlagenkonzeption und stärken diese gezielt durch unsere zeitgenössische Interpretation der Ursprungsideen.

Das Erbe der Nachkriegsmoderne
Die ehemalige Daimlersiedlung im Hallschlag steht prototypisch für die Großsiedlungen der Nachkriegsmoderne. Genau aus diesem Grund ist sie in der konzeptuellen Auseinandersetzung interessant. Nicht nur vor dem Hintergrund der Bauausstellung stellen sich an dieser Stelle einige Fragen, die nicht nur nach situativen, sondern auch nach grundsätzlichen Antworten verlangen.
Die konzeptuellen Grundlagen der Daimlersiedlung liegen natürlich in der Moderne mit ihrem Paradigma nach klaren Formen, die kontrastreich über den großzügigen und öffentlichen Außenräumen schweben. Tief in diesem Bild verankert ist auch der hohe Stellenwert des MIV, der sich in der Daimlersiedlung nicht nur in ihrem Namen, sondern auch in der besonderen Garagensituation manifestiert.

Unser zeitgenössisches Selbstverständnis
Da Stadt und Architektur immer auch als Abbild ihrer jeweiligen Zeit bzw. als Produkt ihrer Rahmenbedingungen verstanden werden können, stellt sich bei dieser Aufgabe die Grundsatzfrage, welche Zeit / welche Rahmenbedingungen wir denn mit unserem Bebauungsvorschlag abbilden. Bei dieser Frage nach den zeitgenössischen Planungsparadigmen, die das „Erbe der Moderne“ reflektieren, stützen wir uns auf die viel zitierten Grundsatzpositionen der Charta von Leipzig und der New European Bauhaus Initiative.
Die Aufgabenstellung, nämlich die Schaffung von qualitätvollen und preisgünstigen Wohnraum, der möglichst alle Stadtbewohner anspricht, ist absolut vergleichbar. Die gesellschaftlichen Paradigmen haben sich jedoch verändert.
Die Aufgabe liegt nicht nur in der Schaffung von qualitätvollem Wohn-, Stadt- und Freiraum, sondern ganz grundsätzlich in der Transformation der architektonischen, der städtebaulichen und der Freiraumidee der Daimlersiedlung in die Zukunft.

Die DNA der Daimlersiedlung
Wir suchen also das Muster, die DNA der Daimlersiedlung. Die typologische und wirtschaftliche DNA ist die Effizienz, die Modularität und der hohe Vorfertigungsgrad der Wohneinheiten.
Diese den Grundsätzen der Moderne folgenden Prinzipien werden durch flexible und gemeinschaftsorientierte Erdgeschosszonen mit pavillonartigen Ergänzungen, die eher als Teil der Landschaft verstanden werden, ergänzt. Stadträumlich betrachtet definieren die großen und frei auf der Landschaft stehenden Wohngebäude weiträumig die städtebauliche Struktur. Die pavillonartigen eingeschossigen Gebäude sorgen für die Bildung der Mikroräume und die Wegeführung.

FAZIT: (Zwei) hohe Baukörper im Dialog untereinander ordnen die großen Räume und verknüpfen den Kontext. Sie beinhalten effiziente und qualitativ hochwertige Wohnungen für unterschiedlichste Nutzer. Die gemeinschaftsorientierten Erdgeschosszonen sind hochflexibel und mitunter experimentell, sie ordnen den Nahbereich und bilden die kleinen Quartiersräume.

Transformation
Die vorgefundenen konzeptuellen Muster der Daimlersiedlung transformieren wir in die Zukunft. Den Ideen der Charta von Leipzig und des European Bauhaus folgend erzeugen wir nach diesem Prinzip eher kleinmaßstäbliche Hochpunkte, die kompakter sind und ein integrierenderes Verhältnis zum umgebenden Freiraum entwickeln. Die Ordnung der städtebaulichen Räume findet im mittleren Maßstab statt, um keine Konkurrenzsituation zu den bestehenden Strukturen zu entwickeln.
Die Sockelgeschosse bilden die flexible Basis, die in Analogie zum identifizierten Muster den Nahraum strukturiert und klare Adressen und Wegeführungen ausbildet. Die kompakten Baukörper wie auch die Freiräume folgen hierbei dem Prinzip der möglichst minimalen Invasion und dem maximalen Erhalt existierender Strukturen.
So entsteht die städtebauliche Grundtypologie des Hallschlager Zwillings, die die Räume neu strukturiert sich in den jeweiligen städtebaulichen und Freiraumkontext integriert.

Resultierender Entwurfsansatz
Der Hallschlager Zwilling ist gekennzeichnet durch Dichte und Flexibilität. Diese beiden Parameter werden - ganz ähnlich wie im Bestand - im Sockel und in den Hochpunkten allerdings sehr unterschiedlich ausformuliert.
In den Hochpunkten basieren die Wohnungen auf einem sehr klaren Grundraster, welches modular in der Horizontalen wie auch in der Vertikalen je nach Bedarf variiert werden kann. Dies erlaubt bei aller Flexibilität eine große Kompaktheit und einen hohen Vorfertigungsgrad und macht durch die Unterschreitung der Hochhausgrenze auch einen modulbasierten Holzbau wirtschaftlich möglich.
Den Sockelbereich verstehen wir als „Regal“, in dem hochflexibel gemeinschaftsorientierte Nutzungen getestet, etabliert, variiert oder auch wieder verworfen werden können.

FAZIT: Hohe Dichte bei gleichzeitig hoher Flexibilität und minimalinvasiven Eingriffen, die die vorgefundenen Strukturen sensibel transformieren: Das ist unser Vorschlag zum Umgang mit dem Hallschlager Erbe der Stuttgarter Moderne.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Idee ist es, mit präzise gesetzten und in der Höhe gestaffelten punktartigen Gebäuden den Bestand zu ergänzen. Im östlichen Bereich haben die Gebäude bis zu 16 Geschosse, die Anordnung erlaubt Ausblicke und Durchblicke mit spannenden Raumsequenzen. Der Entwurf zeigt überzeugend, dass die Entwicklung von höheren Gebäuden mit einem kleinen Fußabdruck zur Qualifizierung der städtebaulich komplexen Situation beitragen kann. Es wird deutlich, dass eine Hochhausbebauung in diesem Bereich sehr gut möglich ist, auch im Hinblick auf eine großräumigere Betrachtung des Stadtteils im landschaftlichen Kontext.

In den Erdgeschossen gibt es gemeinschaftsorientierte Nutzungen, was ausdrücklich begrüßt wird. Es gelingt eine überzeugende Vernetzung mit dem Freiraum. Es werden sehr gute Grundlagen für eine Belebung des Quartiers gelegt.

Gut funktioniert die Idee einer Freiraumvernetzung quer durch das Quartier in Verlängerung der Rostocker Straße; die städtebaulichen
Cluster bzw. Sequenzen werden verbunden. In der Mitte erfolgt richtigerweise eine Vernetzung in Nord-Süd-Richtung. An dem Achsenkreuz, das am östlichen Ende der Rostockerstraße aufgespannt wird, entsteht leider nur ein breiter Weg, der durch die Anordnung oberirdischer Pkw-Stellplätze und die Zufahrt in die Tiefgarage weiter belastet wird. Eine adressbildende Quartiersmitte wird hier vermisst. Zwischen den Geländeniveaus kann noch keine überzeugende barrierefreie Verbindung erkannt werden.

Es werden drei unterschiedliche Landschaftstypen angeboten, jeder dieser Bereiche hat spezifische Qualitäten und eine ökologische Bedeutung. Etwas überinstrumentiert wirkt der „Loop“, der den östlichen Bereich der Bebauung (Abschnitte 1 und 3) mit der Stadtbahnhaltestelle an der Bottroper Straße vernetzt. Die Betonung der Wegeverbindung zur Stadtbahn ist grundsätzlich ein sehr guter Gedanke. Es wird jedoch hinterfragt, ob ein Loop in der vorgeschlagenen Form das richtige Freiraummotiv hierfür darstellt oder ob dadurch das prägnante Motiv der Freiraumachsen nicht eher geschwächt wird.

Im westlichen Bereich werden Baukörper in gleicher Typologie vorgeschlagen. Die Gleichförmigkeit wird etwas kontrovers diskutiert, einerseits lässt sie Flexibilität hinsichtlich der Nutzungen zu, andererseits wirkt die Reihung etwas seriell. Auch kommen Fragen der Eignung der Typologie hinsichtlich der vorgeschlagenen Nutzungen auf, insbesondere die im westlichen Baustein vorgesehen Kita kann nicht überzeugen.

In Bezug auf vielfältige und qualitätsvolle Wohnungsgrundrisse lässt der Entwurf viele Entwicklungsmöglichkeiten zu. Allerdings sind die Wohnungsgrößen durchschnittlich deutlich zu groß und somit nicht zielgruppengerecht. Zudem entspricht die Zahl der Wohnungen nicht den Vorstellungen der Ausloberin. Ein Großteil der Wohnungen kann von zwei Seiten belichtet werden. Eine gute Mischung von geförderten und frei finanzierten Wohnungen ist sehr gut vorstellbar, ohne eine baulich ablesbare „Zwei-Klassengesellschaft“ zu schaffen.

Die Auseinandersetzung mit dem Tiefgaragenbestand und die phasenweise Entwicklung wird nachvollziehbar dargelegt.
Die mittlere Kompaktheit aller Baukörper ist überdurchschnittlich gut. Grundsätzlich liefert der Entwurf auch ein gutes Potenzial für die PV-Nutzung auf den Dächern und an den Fassaden. Die Angabe zur Dimension der PV-Freiflächen scheint jedoch nicht plausibel.
Das durchdachte Nachhaltigkeits- und Energiekonzept zeugt von einer guten Durcharbeitung und ist insgesamt schlüssig. Zur Konstruktion der Gebäude werden über die Erwähnung eines modularen Ansatzes hinaus keine Angaben gemacht.

Die konzeptionelle Aufteilung der Fassadenflächen PV-Fassaden auf den Südwest- und Südostseiten und Begrünungen auf den anderen Seiten wird begrüßt, ist in den Perspektiven und Ansichten jedoch nur teilweise und sehr schematisch dargestellt.

Die vorgeschlagenen Begrünungen, u.a. mit dem Klimahain, und die Retentionsmulden im zentralen Bereich, die jedoch erst mit dem TG-Umbau umgesetzt kommen können, tragen zu einer guten stadtklimatischen Qualität bei.

Insgesamt liefert der Entwurf überzeugende Antworten auf die gestellte, sehr komplexe Aufgabenstellung. Ein robustes Grundkonzept spannt einen städtebaulich qualifizierten Rahmen auf, der gut weiterentwickelbar ist.
Lageplan 1:500

Lageplan 1:500

Perspektive Innenhof

Perspektive Innenhof

Perspektive Rostocker Straße

Perspektive Rostocker Straße

Lageplan 1:1000 kurzfristig

Lageplan 1:1000 kurzfristig

Lageplan 1:1000 langfristig

Lageplan 1:1000 langfristig

Modellfoto Basistypologie

Modellfoto Basistypologie