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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2024

Entwicklung Karl-Wildschütz-Platz in Fröndenberg/Ruhr

Lageplan

Lageplan

Anerkennung

Preisgeld: 3.000 EUR

Loweg Architekten und Stadtplaner PartGmbB

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Städtebauliche Leitidee
Die Neugestaltung des Karl-Wildschütz-Platzes markiert einen wichtigen Schritt bei der Umsetzung des Stadtentwicklungskonzepts der Stadt Fröndenberg/Ruhr. Das Projekt wertet einen bedeutenden Teil der Innenstadt auf und schafft gleichzeitig einen neuen städtebaulichen Akzent, der die östliche Grenze der Innenstadt definiert. Es eröffnet zudem Potenzial für zukünftige Entwicklungen entlang der Bahnlinie in südwestlicher Richtung. Neben der Aufwertung der Innenstadt zielt der Entwurf für das neue Quartier 'Karl-Wildschütz-Platz' darauf ab, einen nachhaltigen Baustein unter Berücksichtigung architektonischer, sozialer und ökologischer Gesichtspunkte zu schaffen. Dabei wurde eine ausgewogene Balance zwischen identitätsstiftender Architektur und der Integration in den städtebaulichen Kontext angestrebt, unter größtmöglicher Rücksichtnahme auf die umliegenden Wohnstandorte.
Das neue Quartier erstreckt sich entlang der gesamten Grundstückslänge parallel zur Bahntrasse und zur südlichen Grundstücksgrenze. Dadurch entsteht im nordwestlichen Bereich eine einladende Weitung, die als Auftakt für die Erschließung des Quartiers dient. Die regelmäßige Anordnung der Gebäude schafft ein ruhiges und harmonisches Erscheinungsbild, das sensibel auf den städtebaulichen Kontext reagiert. Durch die kleinteilige Struktur wird die Offenheit bewahrt und Ausblicke sind möglich. Die vorhandene Nachbarbebauung wird durch die drei- bis maximal viergeschossigen Gebäude nicht beeinträchtigt und es bleiben freie Blickachsen nach Süden erhalten. Die lineare, klar gegliederte und kompakte Struktur der Baukörper ist von wesentlicher Bedeutung für die Nachhaltigkeit, Kosteneffizienz und letztendlich die Realisierbarkeit des neuen Quartiers.

Funktionale Leitidee
Aufgrund seiner Randlage im östlichen Bereich der Innenstadt und der damit verbundenen eingeschränkten Erreichbarkeit für Fußgänger und Individualverkehr wird das Quartier größtenteils für Wohnzwecke konzipiert. Lediglich im westlichsten Gebäudeteil im Erdgeschoss wird eine gewerbliche Nutzung z.B. als Büro, als Co-Working Space oder als Bistro/Café mit Außenbestuhlung als vermittelndes Element zwischen Wohnquartier und Innenstadt vorgeschlagen. Der Platz westlich des ersten Gebäudeteils dient in diesem Sinne als halböffentlicher Raum. Das Innere das Quartiers ist dagegen als private Erschließungsachse konzipiert, die ausschließlich den Bewohnern und ihren Besuchern vorbehalten ist und die dafür sorgt, dass die einzelnen Gebäude zu einer Einheit zusammengeführt werden. Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, soziale Außenbereiche zu schaffen, die das gemeinschaftliche Leben und den Austausch zwischen den Bewohnern fördern. Die Einrichtung einer Spiel- und Aufenthaltsfläche im östlichen Teil des Grundstücks betont und unterstützt diese Idee zusätzlich.
Die nach Süden ausgerichteten, verglasten Balkone zwischen den Gebäuden resultieren aus den hohen Schallschutzanforderungen, die sich aus der Nähe zu den Bahngleisen ergeben. Die Verglasungen der Balkone zusammen mit den angrenzenden Gebäudefronten dienen als Lärmschutzriegel gegenüber der nahegelegenen Bahntrasse und tragen zu einer Lärmreduzierung im Inneren des Quartiers bei. Diese Maßnahme wertet zudem die nördlich dahinterliegende Bestandsbebauung im Hinblick auf den Schallschutz qualitativ auf.

Erschließung und Anbindung
Das Quartier wird von Nordwesten her durch die Karl-Wildschütz-Straße über einen offenen und einladenden Vorplatz erschlossen, der mit großzügigen Baumstandorten als zukünftiger Verbindungspunkt und Pufferzone zu den bereits entwickelten Bereichen der Innenstadt dienen soll. Hier ist Platz für die Unterbringung von 20 öffentlichen Stellplätzen vorgesehen, die auch von den Besuchern des Quartiers genutzt werden können. Gleichzeitig werden die bestehenden Zufahrten der angrenzenden Nachbargrundstücke durch die Gestaltung des Vorplatzes berücksichtigt und integriert. Durch die Anordnung der öffentlichen Stellplätze direkt am Quartierseingang und dem Bestreben, den Individualverkehr weitgehend aus dem Wohngebiet herauszuhalten, wird die verkehrstechnische Erschließung des Restgrundstücks auf ein Minimum reduziert. Die privaten oder baurechtlich notwendigen Stellplätze werden über eine Rampe am Ende des Vorplatzes erreicht und liegen in einer linear und effizient organisierten, eingeschossigen Quartiers-Tiefgarage.
Über den westlich gelegenen Taschenplatz erreicht man ebenerdig den ersten Gebäudeteil mit der Gewerbeeinheit und dem dazugehörigen Freibereich sowie den darin befindlichen Wohneinheiten auf kurzem Wege. Weiter östlich gelangt man zum Zugang des privaten Wohnquartiers. Über eine begrünte Erschließungsachse können alle Häuser fußläufig erschlossen werden. Durch die erhöhte Lage im Vergleich zur Erschließungsstraße für den motorisierten Verkehr und Fahrradverkehr sowie der Lage im Inneren des Quartiers entsteht eine klare Trennung zwischen Individualverkehr und Fußgängerverkehr, wodurch ein autofreier, qualitativ hochwertiger Innenbereich geschaffen wird. Weitere Vorteile des Geländeversatzes sind die Schaffung von Privatsphäre gegenüber dem öffentlichen Raum und die Erhöhung des Erdgeschossniveaus im Vergleich zu den angrenzenden höher liegenden Geländeanschlüssen sowie der Bahntrasse. Darüber hinaus wird weniger Erdaushub für die Herstellung der Tiefgarage benötigt, und es ist möglich, die Tiefgarage mit einer deutlich verkürzten Rampe zu erschließen. Die beiden mittleren Gebäude erhalten eine außenliegende vertikale Erschließung, um den Gedanken der offenen Erschließungszone zwischen den Gebäuden zu betonen und zu stärken.
Gemeinschaftliche Fahrrad- und Müllräume sind zentral im Quartier organisiert mit Zugang sowohl von der höherliegenden Erschließungsachse als auch ebenerdig von der Straße und somit gut für alle erreichbar.

Grünstruktur und Ökologie
Das neue Quartier zeichnet sich durch große, raumbildende Bestandsbäume auf den Nachbargrundstücken im Norden und einen grünen Gürtel im Süden entlang der Bahntrasse aus. Dank des kompakten Bebauungskonzepts können die Bestandsbäume entlang der Grundstücksgrenzen größtmöglich erhalten bleiben.
Die innere Erschließungsachse wird in Ost-West-Richtung mit formalen, rhythmisierten Baumstandorten gestaltet. Über diese Achse ist auch der Spielplatz mit Grünfläche und üppigen Bäumen im nordöstlichen Bereich sicher und schnell von allen Gebäuden aus erreichbar. Dies ermöglicht besonders im Sommer ein schattiges Spielen unter den Bäumen. In nordsüdlicher Richtung ist zwischen den Häusern ein erhöhter Garten als Begrünung vorgesehen, der den Wohnungen im Erdgeschoss als Privatgarten zugeordnet wird. Die Grünflächen südlich der Schallschutzwände bzw. Gebäude fungieren als Regenwasser-Retentionsflächen. Alle Dachflächen werden begrünt und in Kombination mit Photovoltaik-Elementen zur Energiegewinnung genutzt. Dank der kompakten Bauweise und der verbindenden Tiefgarage ist es denkbar, alle Häuser über eine gemeinsame Energiezentrale zu versorgen.

Struktur und Organisation der Wohnungen
Die klare Struktur der Gebäude führt zu kompakten und effizient gestalteten Wohneinheiten. Innerhalb der einzelnen Gebäude wird ein vielfältiger und flexibler Wohnungsmix angeboten, der den unterschiedlichen Anforderungen zukünftiger Bewohner gerecht wird und förderfähig ist. Die einzelnen Wohneinheiten variieren in ihrer Größe von 2- bis 5-Zimmer-Wohnungen und bieten damit Wohnraum für Menschen mit unterschiedlichsten Anforderungen. Es sind passende Wohnungsgrößen für Alleinstehende, Wohngemeinschaften, Senioren und Familien verfügbar. Sämtliche Wohnungen verfügen über einen Freisitz und können barrierefrei erschlossen werden. Die Dachterrasse des westlichen viergeschossigen Gebäudes ist für die alle Bewohner zugänglich und als Dachgarten mit Weitblick nutzbar.
Die durchgängige Hauptausrichtung der Wohnungen nach Osten oder Westen ergibt sich aus dem Bestreben, das Grundstück in seiner Tiefe zu nutzen, und den Anforderungen des Schallschutzgutachtens. Dieses schließt eine reine Ausrichtung schutzbedürftiger Räume Richtung Süden aus. Generell erhalten die Wohn-/Essräume als Hauptaufenthaltsräume eine Ausrichtung mit Übereck-Ausblick, was zusätzlich eine zweiseitige Belichtung in diesen Bereichen ermöglicht.
Die filigran ausgeführten Balkone im Süden sind hinter Schallschutz-Verglasungen angeordnet, um Durchblicke zu erhalten und die Durchlässigkeit für Sonnenlicht in das Quartiersinnere zu gewährleisten. Gleichzeitig sorgen sie dafür, dass die angrenzenden schutzbedürftigen Räume einen lärmreduzierten Gebäudefrontabschnitt erhalten, was beispielsweise eine Fensterlüftung ermöglicht.

Städtebauliche Erweiterung
Eine perspektivische Weiterentwicklung der Bebauungsstruktur entlang der Bahntrasse in Richtung Südwesten, beibehaltend der gleichen Körnigkeit und Bebauungstypologie, ist gut vorstellbar.
Eine fußläufige Anbindung könnte über den Taschenplatz erfolgen. Die Tiefgarage könnte aufgrund ihrer einfachen Struktur unkompliziert erweitert werden, wodurch die bestehende Zufahrt gemeinsam genutzt werden könnte. Dadurch ließen sich zusätzliche Erschließungsmaßnahmen auf ein Minimum reduzieren. Eine attraktive fußläufige Anbindung des Himmelmann-Parks über den Taschenplatz wäre eine vielversprechende Option. Diese könnte südlich bis zum Bahnübergang auf Höhe des neu gestalteten Marktplatzes verlaufen, was den Taschenplatz als zentrales Verbindungselement weiter stärken würde.

Beurteilung durch das Preisgericht

Leitidee der Arbeit ist eine kompakte kammartige Gebäudestruktur aus vier Häusern, die sich entlang der Bahntrasse entwickelt. Am östlichen Ende der Karl-Wildschütz-Straße bildet eine zusammenhängende dreieckige Platzfläche räumlich eine großzügig erlebbare Entreesituation. Durch ihre Belegung mit infrastrukturellen Funktionen zur Unterbringung des ruhenden öffentlichen Verkehrs kann sie leider als Quartiersplatz nicht überzeugen, auch wenn die Nachbarschaft von hier aus allgemein gut lesbar ist. Die zum Zwecke des Aufenthaltes im Freien ausgewiesenen kleineren Platzsequenzen am westlichen und östlichen Grundstücksende besetzen qualitativ weniger attraktive Restflächen. Kontrovers diskutiert die Jury die Qualitäten des halböffentlichen Weges, der sich als Wohngasse durch das Quartier zieht, als auch die der privaten Freiflächen, die z.B. von der Tiefgaragen-Einfahrt gestört werden.

Zunächst ungewöhnlich wirkt die bauliche Strukturierung und Volumetrie der neuen Wohnbebauung. Die Jury diskutiert daher auch intensiv über Qualität und Funktion dieser Struktur. Bei näherem Hinsehen zeigen sich mehrere Vorzüge: Die vier Häuser sind in je zwei Einheiten unterteilt, die über ein gemeinsames offenes Treppenhaus miteinander verbunden einen Vierspänner-Typus ergeben. Die Wohnlagen weisen ausreichenden Abstand zueinander und gute Belichtungsverhältnisse auf. Die Struktur bietet ein hohes Potential für nachbarschaftliche Bezüge und Begegnungsmöglichkeiten auf, interessante Durchblicke gewährleisten ein offenes Wohnambiente. Kritisch wird die Adressbildung hinterfragt. Auffindbarkeit und Erreichbarkeit der Eingänge sind nur über Umwege gegeben, hier wird das strukturelle Potential leider nicht genutzt.

Besonders bemerkenswert lösen die Verfasser die Frage der Lärmemissionen, indem sie leichte Strukturen für private verglaste Freisitze zwischen die Häuser hängen, die das Gesamtareal komplett vor dem Bahnlärm schützen. Die gegenüberliegende Bewohnerschaft wird weder mit einer geschlossenen baulichen Struktur noch mit einer Lärmschutzwand konfrontiert. Auch wenn dieser Ansatz grundsätzlich gewürdigt wird, bleiben Zweifel über die Höhe der damit verbundenen Aufwendungen für Errichtung, Wartung und Reinigung. Die entlang der Bahn begrünte Spange mit Baumbestand und Retentionsflächen überzeugt.

Den ruhenden privaten Verkehr in einer Tiefgarage unterzubringen, wird in der Jury kontrovers diskutiert. Unter dem geforderten Programm ist dies folgerichtig. Als nachhaltigere Variante wäre der Entfall oberirdischer öffentlicher zugunsten privater Stellplätze denkbar.

Die Dichtewerte liegen bedingt durch die weitgehend dreigeschossige Bauweise im unteren Bereich. Hierdurch werden allerdings Versiegelungen für Aufstell- und Rettungswegflächen obsolet.

Insgesamt leistet die Arbeit durch ihre kreativen Antworten und Lösungsansätze an die nicht unkomplizierten Anforderungen des Standortes einen wichtigen Beitrag. Eigenständigkeit in der baulichen Ausformulierung und Angemessenheit in Bezug auf die gewünschte Einfügung zur Schaffung guter Wohnverhältnisse zeichnen sie aus. Leider weist sie aber dabei noch freiraum- und städtebauliche Schwächen auf.
Erdgeschoss/ Erschließung

Erdgeschoss/ Erschließung

Regelgeschoss

Regelgeschoss

Schnitte

Schnitte

Modell

Modell