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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2024

Eingangs- und Gastronomiegebäude Orangerie im Grugapark in Essen

Anerkennung

Preisgeld: 15.000 EUR

STÖBE ARCHITEKTEN GmbH & Co. KG

Architektur

studio erde_office for anthropocene landscapes

Landschaftsarchitektur

blauphysik

Bauphysik

Erläuterungstext

Der Grugapark ist als grüne Lunge der Stadt Essen geprägt von einer punktförmigen Bebauung. Jeder dieser Pavillons ist eine eigenständige Entität und gliedert sich selbstbewusst, aber behutsam in die Landschaft ein. An diese Tradition soll der neue Kreislauf - Pavillon anschließen: Schule Natur, Gastronomie und Willkommenszentrum werden auf der kleinstmöglichen Fläche komprimiert und unter einem gemeinsamen Dach zusammengefasst. Es entsteht ein Pavillon.
Das neue Gebäude wird als Teil verschiedener Kreisläufe gedacht:
Täglich regelt der Pavillon als städtebauliches Gelenk im Park den Zugang von Menschen und Waren.
Monatlich integriert sich der Pavillon als didaktisch angelegter Lernraum in die natürlichen und energetischen Ökosysteme des Parks und erzeugt neben Energie und Wasser auch selbst verschiedene saisonale Nahrungsmittel.
Jahreszeitlich passt sich der Pavillon als adaptive Struktur an die klimatischen Bedingungen der verschiedenen Jahreszeiten an und senkt so den Energieverbrauch für den Gebäudebetrieb.
Über Dekaden wird der Pavillon durch Wiederverwendung von Baustoffen nicht nur zum Materialfundus der Zukunft, sondern greift schon heute auf bereits bestehende Materialien zurück und senkt so den CO2-Abdruck des Gebäudes.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen einen kompakten, langgestreckten Baukörper vor, der unter einem großen, gestaltprägend nachin geneigten und nach Osten abgerundeten Dach alle Nutzungen - incl. des Bestandsbaus - vereint. Die markante Da bindet nicht nur die unterschiedlichen Funktionsbereiche zusammen, sondern übernimmt durch seine Ausgestaltung mit PV-Elementen gleichzeitig die Funktion eines „Energiekraftwerks" und integriert darüber hinaus Wintergärten und eine geschickt eingebettete Luftzirkulation.

Die eindeutige Geste des alles überspannenden Daches wird gewürdigt. Den Verfassern gelingt hierdurch ein eigenständiger identitätsstiftender Baukörper, der es schafft als zeichenhaftes Zugangsgebäude wahrgenommen zu werden. Die Großmaßstäblichkeit und die scheinbare Massivität sowie die Ausgestaltung des Dachs wird jedoch sehr kontrovers diskutiert. Vor all großflächige Dachfront zur Kranichwiese scheint problematisch.

Funktional gliedert sich das Gebäude in einen nördlich platzierten dienenden „Rücken" mit Nebenräumen, und einem sich nach Süden zum Park hin orientierten öffentlichen Bereich.

Über eine im Osten gelegene Zugangssituation, ausgestaltet als großzügig überdachter Platz, wird der Komplex erschlos Ort des Ankommens leitet er die Besucher*innen selbstverständlich zur Gastronomie, zum Multifunktionsbereich und zu Seminarräumen. Die sukzessive Anordnung von Gastraum, Multifunktionsraum, Foyer und Schule Natur lassen sich funktional zusammenschließen und ermöglichen somit eine hohe Flexibilität in der Nutzung. Dieses Angebot wird begrüßt, führt aber in Teilen zu sehr schmalen und tiefen Raumzuschnitten, die sich mit Raumtiefen von 12 Metern an der Grenze der natürlic Belichtung bewegen. Es sind zudem zu wenig überdachte Außensitzbereiche trotz zurückspringendem Baukörper, was zu wendigkeit von Sonnenschirmen führt, wenn keine größere Markise angebracht würde. Die logistische Verbindung des Lagerbereichs im UG über den Aufzug und den Personaleingang funktioniert so nicht. Die schwarz-weiß-Trennung im Küchenbe wie im Entwurf vorgeschlagen funktional problematisch und nicht zulässig.

Durch die bauliche Integration des Bestandsbaus werden bei diesem umfangreiche und vermutlich kostenintensive Umbaumaßnahmen notwendig, die kritisch bewertet werden. Zwar führt die Umstrukturierung auch zu einer Aufwertung der Nutzbarkeit, so kann zum Beispiel vom Bestandsbau der Wintergarten als Lern- und Lehrzone mit bespielt werden, jedoch tragen diese zusätzlichen Raumangebote auch zu der überdimensionierten Dachform bei.

In freiräumlicher Hinsicht stellt sich der „Kreislaufpavillon" seitlich zum neuen Parkeingang, dadurch gelingt ein offener und selbstverständlicher Zugang mit klaren Sichtbeziehungen. Die Anbindung zur Virchowstraße wird allerdings dem Bestand gegenüber nicht erheblich besser gelöst. Radstellplätze, die direkt zur Fahrbahn der Gruga-Trasse ausgerichtet, gefährden die Verkehrssicherheit und sind daher nicht umsetzbar. Der vorgeschlagene kleine Vorplatz erscheint dagegen richtig platziert, dennoch wirkt der arena-artige Treppenaufgang nicht einladend und der Haupteingang mit der Kasse an der Gebäudespitze wird so nicht überzeugend in Szene gesetzt.

Die an den Eingang anschließende großzügige geschwungene Raumfolge der Freiräume in den Park hinein nimmt die freiräum-lichen Maßstäbe des Parks auf und wird gewürdigt. Auch die Positionierung der Pflanzenkläranlage, die gleichzeitig als Versickerungs- und Filteranlage für Regenwasser dient, weckt als lesbares Signal einer nachhaltigen Baukultur bei der Jury großes Interesse. Allerdings wird eine landschaftsarchitektonische Haltung, wie diese Idee im öffentlichen Raum materialisiert, eingebunden und gestaltet werden könnte, noch vermisst. Der Vorschlag Luftmassen, welche sich über der Pflanzfläche abkühlen, aktiv durch eine Lüftung ins Gebäudeinnere zu leiten kann für ein angenehmes Raumklima sorgen. Darüber hinaus werden kleinräumig Ent-siegelungen vorgenommen, die mit „Klimaschutzbäumen" bepflanzt werden und ebenfalls als Retentionsraum dienen. Diese in Lage und Form unbestimmten benachbarten Baumhaine helfen jedoch nicht dabei, die Gastronomieflächen zu beschatten. Die hierfür angebotenen Schirme überzeugen nicht.

Die streitbare Auswahl des im Hinblick auf Unterhalt und Reinigung nicht unbedingt geeigneten Recycling-Kieses als Belag für die gesamte Fläche des Vorplatzes ist wiederum interessant, liefert aber nicht die starke entwerferische Lösung, die dieser große und im Grugapark wichtige Platz bräuchte. Auch hinsichtlich stadtklimatischer Aspekte stehen die Materialität und die gleichwohl hohe Versiegelungswirkung im Kontrast zu den anderweitigen klimaaktiven Maßnahmen.

Dennoch wird der Gesamtansatz der Sammlung, Aufbereitung und Nutzung von Regenwasser, die neben der Pflanzenkläranlage auch eine Zisterne umfasst, besonders positiv hervorgehoben. Kritisch vermerkt wird, dass der Umfang der Fassaden- bzw. Dach-begrünung im unteren Bereich liegt.

Die Belange des nachhaltigen Bauens werden zudem besonders in konstruktiver und technischer Hinsicht berücksichtiqt. Der Gebäudeentwurf weist einen kompakten Baukörper mit günstigem AV-Verhältnis und eine südausgerichtete Dachfläche auf, was gute Voraussetzungen schafft für ein effizientes Gebäude. Leider gelingt es der Arbeit trotz der großen Dachflächen nicht, PV-Flächen in einem Umfang zu generieren, der für eine Eigenstromversorgung voraussichtlich erforderlich sind. Durch den Verzicht auf Vordächer und reine Gründachflächen wird das Potenzial der entwerferischen Konzeption noch nicht ausgeschöpft.

Besonders positiv hervorzuheben ist, dass sich der Entwürf wie kein anderer in einem sehr hohen Maß mit der Wiederverwendung von Bauteilen/Baumaterial aus den Bestandgebäuden auseinandersetzt und diese in hohem Maß in den Neubau und die Gestaltung des Außenraums integriert. Die konkreten Vorschläge, Materialien der alten Orangerie zu verbauen, werden gewürdigt. Auch das zonierte Lüftungskonzept ist positiv hervorzuheben. Eine ausreichende natürliche Belichtung der Hauptnutzflächen ist aufgrund der großen Raumtiefen jedoch nicht gegeben.

Im Hinblick auf die DGNB-Zertifizierung wirkt sich die geringe Tageslichtversorgung im Handlungsfeld Visueller Komfort negativ aus. Dagegen bilden die Aspekte des zirkulären Bauens eine gute Grundlage für den Zertifizierungsprozess. Auch das Zusatzangebot des Umweltbildungs-Gewächshauses wird in der Zertifizierung als sozialer Mehrwert positiv bewertet.

Insgesamt stellt die Arbeit einen sehr eigenständigen Beitrag dar, der in einem hohen Maß versucht viele Aspekte des ressourcenschonenden und energieeffizienten Bauens zu berücksichtigen.
Perspektive

Perspektive

Lageplan

Lageplan

Grundriss

Grundriss

Fassadenschnitt

Fassadenschnitt

Schema Tragkonstruktion, Wiederverwendung der vorhandenen Stahlträger (orange) für das neue Dachtragwerk

Schema Tragkonstruktion, Wiederverwendung der vorhandenen Stahlträger (orange) für das neue Dachtragwerk

Thermisches- und energetisches Grundprinzip im Winter und Sommer

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