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Offener Wettbewerb | 06/2021

Neubau Naturwissenschaften an der Uni Muesmatt in Bern (CH)

2. Rang / Projektteil

Preisgeld: 65.000 CHF

Andrea Roost, dipl. Architekt BSA SIA SWB

Architektur

Klötzli Friedli Landschaftsarchitekten AG

Landschaftsarchitektur

Tschopp Ingenieure GmbH

Bauingenieurwesen

AebiTech SA

TGA-Fachplanung

prometplan ag

Fassadenplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

StÀdtebau
Das LaborgebĂ€ude erscheint oberirdisch als prĂ€zis geschnittener, kompakter Quader. Als Gegenpart zu diesem sehr hohen Laborneubau in der Mitte des Areals wird zurĂŒckgesetzt von der Freiestrasse ein etwas weniger hohes, langes Volumen vorgeschlagen. Mit einem vorgelagerten, noch niedrigeren Baukörper nimmt es strassenseitig die Flucht der bestehenden Bauten auf und generiert gleichzeitig vor der Kirche von Moser und Curjel eine Ausweitung fĂŒr einen kleinen Quartierplatz.

In diesem programmatisch korrekt dimensionierten Volumen ist eine flexible Labornutzung plausibel. Die vorgeschlagene Schnittlösung mit Höhenstaffelungen ist stĂ€dtebaulich grundsĂ€tzlich vertretbar, im Grundriss vermag der Ansatz jedoch nicht zu ĂŒberzeugen, da er einen prekĂ€ren Engpass zur Physiologie, eine tief verschattete Schlucht im Vis-Ă -vis mit dem Ersatzbau Chemie, undurchlĂ€ssige, gedrĂŒckte Pilotis- respektive ArkadenrĂ€ume und insgesamt schematische, unzusammenhĂ€ngende FreirĂ€ume hervorbringt. Die teilweisen Abgrabungen unter 556m ĂŒ. M. und die BrĂŒstung oberhalb 588m ĂŒ. M. sind fĂŒr die GebĂ€udehöhe der 1. Etappe problematisch.

Freiraum
Der stĂ€dtebauliche Entscheid zu einem hohen Hauptvolumen und einem liegenden flĂ€chigen GebĂ€udevolumen fĂŒr die zweite Etappe erzeugt im Arealinneren ĂŒberall beengte FreirĂ€ume. Der rĂ€umlich und in seiner Belagsgeometrie stark auf die Pauluskirche ausgerichtete Quartierplatz wirkt einerseits zu beengt und fliesst andererseits unter dem GebĂ€ude hindurch etwas unbestimmt in die seitlichen und hinteren Bereiche des Areals. Die Vorbereiche an der Freiestrasse sind auf Kosten des Binnenraumes zu gross dimensioniert, die geschwungenen GrĂŒninseln wirken wie verlorene Parkfragmente und finden nirgends sonst auf dem Areal eine Entsprechung oder FortfĂŒhrung.

Die Idee der Wiederaufnahme eines Pharmaziegartens wĂ€re zwar eine schöne Geste, aber die minimale Anlage als Streifen um das neue HauptgebĂ€ude ist sehr kĂŒmmerlich und wohl auch schwierig in der Umsetzung, liegt der Bereich doch fast ĂŒberall im stĂ€ndigen Schatten der hohen GebĂ€ude. Insgesamt wirken die FreirĂ€ume dispers und lassen eine starke Gestaltungsidee, die das Areal zusammenhalten wĂŒrde, vermissen. Der sich durchziehende Festkiesbelag vermag das nicht wett zu machen und wirkt nicht ĂŒberall adĂ€quat. Der Anteil an versiegelten FlĂ€chen ist sehr hoch, insbesondere im Bereich Pausen- und Spielplatz könnte er deutlich reduziert werden.

Die ParkplĂ€tze schaffen Konflikte mit dem FussgĂ€ngerzugang von der BĂŒhlstrasse her. Die Idee, mit den VelostellplĂ€tzen den Verkehrsfluss an der Freiestrasse zu beruhigen ist zwar schön, die PlĂ€tze beanspruchen jedoch öffentlichen Grund anstelle des Uni-Areals und sind zudem weit entfernt von den EingĂ€ngen. Die eigenstĂ€ndige FĂŒhrung der Velorampe neben der Zufahrt zur Tiefgarage ist gut gelöst, die dahinter liegenden Velo-PPl jedoch nur umstĂ€ndlich zu erreichen. Die grosse Velohalle kann wegen der Anlieferung des bestehenden ChemiegebĂ€udes erst in der 2. Etappe gebaut werden.

Architektur
Als Komposition mit einem Raster von 1.8m und französischen Fenstern wird der allgemein etwas repetitive architektonische Ausdruck mit der modularen Konstruktion fĂŒr unterschiedliche Nutzungen begrĂŒndet. Die gewĂ€hlte kleinteilige Gitterstruktur passt nicht zum konstruktiven Konzept einer hinterlĂŒfteten Natursteinfassade und leistet auch keinen Beitrag zur Integration des grossen Massstabes.

Betrieb/Nutzung
Das Thema des flexiblen DreibĂŒnders mit Mittelzone bestimmt in Variationen das ganze GebĂ€ude. Die robuste Typologie mit zwei Kernen ermöglicht eine klare interne Adressgebung mit separater Erschliessung fĂŒr den halböffentlichen Kopfbereich mit Praktika / experimenteller Lehre respektive fĂŒr den uni-internen Forschungsbereich. Die betrieblichen RaumzusammenhĂ€nge sowie die Nutzungsverteilung sind funktional umgesetzt.

Der Entwurf versucht die durchgehenden Steigzonen in den Erdgeschossgrundriss zu integrieren und die Ausnahme in der Tragstruktur zu entschĂ€rfen, indem die HörsĂ€le unterirdisch ausgelagert werden. Das Erdgeschoss selbst sowie die WegfĂŒhrung in die halböffentlichen Zwischen- und Untergeschosse vermögen indessen rĂ€umlich nicht zu ĂŒberzeugen. ZusĂ€tzlich verhindern Grosshörsaal und ebenfalls unterirdische Velohalle die Aufrechterhaltung der Zulieferung Freiestrasse 3 wĂ€hrend dem Bau der 1. Etappe.

Das Regelgeschoss mit einer Tiefe von ca. 37 m ist wie gesagt als klar zonierter zweikerniger DreibĂŒnder organisiert und funktioniert sehr gut. Die modular aufgebaute Regelstruktur mit laborseitigen SteigschĂ€chten erzeugt flexibel bespielbare Labors, einen ungeschmĂ€lert nutzbaren Mittelbund und gut belichtete SchreibplĂ€tze. ZusĂ€tzlich generiert die vorgeschlagene Typologie der nach innen verschobenen Erschliessungskerne auch willkommene NutzflĂ€che an den Stirnfassaden und gut platzierte Begegnungszonen.

Statik
Die vorgeschlagenen grossen Spannweiten im Laborbereich sind problematisch fĂŒr die Schwingungsanforderungen und fĂŒhren zu einem unwirtschaftlichen Tragwerk. Typologisch gesehen wĂ€ren indessen zusĂ€tzliche StĂŒtzen vermutlich möglich. Das Konzept mit vielen Untergeschossen und ausgelagerten RĂ€umen direkt neben flachfundierten Bestandesbauten verlangt eine tiefe, aufwĂ€ndige Baugrube.

Etappierung
Einzig die zwingend erforderliche Anlieferung der Freiestrasse 3 wÀhrend der ersten Bauetappe wird durch die Situierung der unterirdischen Velo-Einstellhalle und dem unterirdischen grossen Hörsaal verunmöglicht.

GebÀudetechnik, Energie, Wirtschaftlichkeit
Ein besonderes Merkmal dieses Entwurfs ist die konzeptionelle und bauliche Kongruenz von Raumstruktur, Tragstruktur und Struktur der Haustechnik. Die ĂŒber alle Geschosse rĂ€umlich gut integrierten SteigschĂ€chte bestehen gleichzeitig aus tragenden und nichttragenden Teilen. FĂŒr die Labors hat dies den Vorteil der typologischen FlexibilitĂ€t und rĂ€umlichen DurchlĂ€ssigkeit.

Kompakte GebĂ€udeform, ModularitĂ€t auf vielen Ebenen und standardisierte Bauweise wĂ€ren grundsĂ€tzlich eine gute Ausgangslage fĂŒr eine nachhaltige Lösung. Leider sind GebĂ€udevolumen und GeschossflĂ€chen unnötig gross geraten was sich wiederum negativ auf die zu erwartenden Baukosten auswirkt.

Konklusion
Als StĂ€dtebauliches Konzept vermag das Projekt «ANGELICA» nicht zu ĂŒberzeugen. Das Lehr- und ForschungsgebĂ€ude fĂŒr die UniversitĂ€t zeichnet sich jedoch durch die hohe NutzungsqualitĂ€t der Laborgeschosse aus. Die öffentlichen Bereiche im Erdgeschoss sowie der architektonische Auftritt nach Aussen fallen indessen ab.