modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 11/2018

MUT ZUR LÜCKE – MUT ZU NEUEM 5.0 – konkret in der Lutherstadt Wittenberg

Perspektive Collegienstraße

Perspektive Collegienstraße

3. Preis

Preisgeld: 2.500 EUR

BauKasten.architekten.ingenieure

Architektur

Erläuterungstext

Leitgedanke zum Entwurf

Der Leitgedanke ist ein bewusster Umgang mit dem städtebaulichen Kontext, aber auch ein gestalterischer “Bruch“. Die Schließung der vorhandenen „Lücke“ mit gestalterisch hochwertigen Wohnungsbauten ist uns ebenso wichtig, wie ein behutsamer Umgang mit dem städtebaulichen Umfeld der historischen Altstadt der Lutherstadt Wittenberg.
Die Nachbarbebauung wird zum einen geprägt durch Putzfassaden, teilweise mit Stuckverzierungen und Gesimsen (Collegienstraße Nummer 86). und zum anderen mit einer zurückhaltenden Gestaltung (Collegienstraße Nummer 88) als Lochfassade mit Holzfenstern und großformatigen Schaufensteranlagen im Erdgeschoss. Im zurückhaltend ausgeführten Fassadenbereich der Nummer 88, ist ein Erker mit verzierten Holzstäben im Fensterbereich vorhanden. Die Satteldächer sowie Dachgauben haben eine rote Dachziegeleindeckung. Die Sockel wurden als verputzter Natursteinsockel im Bereich Nummer 86 sowie als Klinkersockel in der Nummer 88 errichtet.
In unserem Entwurf werden die Höhenkanten der Gesimse der benachbarten Bestandsgebäude aufgenommen. Durch den Höhensprung mit dem auskragenden Bauteil „Tubus“ wird der vorhandene Höhenversatz zwischen der Nummer 86 und 88 ausgemittelt.
Städtebaulich wird der Leitgedanke der historischen Leiterstruktur aufgenommen und neu inter-pretiert. Das Grundstück wird durch Vorderhaus (Collegienstraße 87), Mittelhaus und Hinterhaus (Wallstraße) gegliedert. Auf Seitengebäude wird aufgrund der beengten Platzverhältnisse ver-zichtet. Die Gewerbeeinheit im Erdgeschoß verbindet das Vorderhaus mit dem Mittelhaus.


Städtebauliche Einordnung

Der Bereich des Wettbewerbsgebietes wird durch ein verfallendes Bestandsgebäude, welches abgebrochen wird, mit teilweise verwildernden Grünbereich sowie fehlender Gebäudekante zur Collegienstraße 87 gekennzeichnet. Von der Straßenkante Collegienstraße 87 zur Wallstraße hin, fällt das Grundstück bis zu 2,44m ab.
Auch gibt es aus der Sicht der Entwurfsverfasser auf dem Grundstück für den Bereich Dachgeschoss des Vorderhauses wichtige Sichtachsen, zum einen stadtseitig über die Dächer der Collegienstraße zu den beiden Kirchtürmen und dem Kirchenschiff der Stadtkirche (Lutherische Kirche) und zum anderen in der entgegengesetzten Richtung über die Wallstraße zur unverbauten Elbaue.
Mit vorliegendem Entwurf möchten die Entwurfsverfasser im betreffenden Wettbewerbsbereich eine „städtebauliche“ Reparatur mit gesunden und zeitgerechten Strukturen durchführen sowie auf das städtebauliche Umfeld behutsam eingehen. Zwischen den beiden historischen Bestandsgebäuden der Nachbargrundstücke 86 und 88 im Bereich der Collegienstraße 87 wird ein Neubau (Vorderhaus) errichtet. Im Bereich der Wallstraße wird ein Neubau (Hinterhaus) in Raumkantenbezug zur bestehenden Villabebauung auf dem Nachbargrundstück Wallstraße 88 gebaut. Im neu entstehenden Hof zwischen dem Vorder- und dem Hinterhaus wird ein weiterer Neubau (Mittelhaus) direkt an die Grundstücksgrenzen der beiden benachbarten Grundstücke gebaut.


Raumprogramm, altersgerechte Funktionalität und Barrierefreiheit

Im Entwurf werden unterschiedliche Wohnungstypen und –größen vorgesehen:
• Vorderhaus: 2 Stück 2 – Raum-WE, 2 Stück 3-Raum-WE und
eine hochwertige 4-Raum-WE
• Mittelhaus: jeweils 2 Stück 2-Raum-WE sowie 3-Raum-WE
• Hinterhaus 2 Stück 4-Raum-WE sowie eine 3-Raum-WE
Alle Wohnungen im Vorder- und Mittelhaus werden barrierearm sowie altengerecht und für unterschiedliche Wohnbedürfnisse (insbesondere Aufzüge, mindestens 1m breite Türen, bodengleiche Duschen, ausreichende Bewegungsflächen, Rampen im Außenbereich etc.) ausgeführt.
Alle Nutzungseinheiten haben einen ersten Flucht- und Rettungsweg über die notwendigen Treppenräume. Der zweite Flucht- und Rettungsweg wird im Bereich Vorderhaus über Feuerwehrdrehleitern (Aufstellung in der Collegienstraße) sowie über Anleitern mit Steckleitern für die beiden rückwärtigen Gebäude Mittel- und Hinterhaus sichergestellt.


Material und Konstruktion

Die im Wettbewerbsgebiet vorhandenen Gestaltungselemente wie Geschossigkeit (3+Dach), Satteldach, Dachgauben, Putzfassaden, Natursteinsockel, Holzfenster, Holztüren als Hauszugänge sowie die unterschiedlichen Trauf- und Firsthöhen werden für die gestalterische Konzeption der neuen Wohnbebauung aufgenommen und neu interpretiert.
Die neue Fassade der Straßenseite des Vorderhauses wird als Lochfassade (Faschen) mit kerngedämmten Stahlbeton – Thermowandplatten (Außenschale aus Sichtbeton, betongrau eingefärbt) ausgeführt. Durch Gesimse (Sichtbeton, weiß eingefärbt) wird die Fassade horizontal gegliedert. Dadurch wird Bezug auf die Nachbarbebauung genommen. Die Brüstungsbereiche erhalten einen Beesenputz.
Die neuen Fassaden des hofseitigen Mittel- und Hinterhauses werden als Lochfassaden aus kerngedämmten Stahlbeton – Thermowandplatten (Außenschale aus Sichtbeton, weiß bzw. grau eingefärbt) mit entsprechender Fugenteilung ausgeführt.
An den Wohngebäuden werden hofseitig auskragende Stahlbeton - Balkonplatten in Sichtbeton mit verzinkten Geländern vorgesehen.
Als Fenster werden gedämmte Holzfenster, sowie im Dachbereich gedämmte Kunststoffdachfenster sowie Holzaußentüren als Gebäudezugangstüren mit seitlicher Verglasung für das Mittel- und Hinterhaus vorgesehen. Die großflächigen Verglasungen der Gewerbeeinheit im Erdgeschoß Vorderhaus werden straßenseitig als gedämmte Alu-Glas-Konstruktionen (Festverglasungen mit zweiflügeliger Türanlage) ausgeführt. Die Schaufensteranlage sowie das Tor Hauptzugang erhalten anthrazitfarbene Oberflächen. Die Hauptzugänge Vorder- und Mittelhaus werden als zweiflügelige Tore mit Holzverschalung auf Stahlrahmenkonstruktion vorgesehen.
Der „Tubus“ im Dachbereich Vorderhaus wird als „durchgeschobenes“ Element in beidseitig auskragender Holzfachwerkkonstruktion errichtet. Die Fachwerkkonstruktion wird ausgedämmt sowie außenseitig mit pulverbeschichteten Zinkblechen sowie im Innenbereich mit GK-Platten verkleidet. Beide Giebelbereiche erhalten großflächige Alu-Glas-Konstruktionen, mit Blick nach Norden zur Stadtkirche nach Süden zur Elbaue. Beide Verglasungen sind in der vertikalen Fensterachse leicht zum Raum hin geneigt
Die neuen Wohngebäude werden als massive Konstruktionen mit Stahlbetonwänden und Stahlbetondecken errichtet. Die Gründung erfolgt frostfrei über Stahlbetonstreifenfundamente bzw. tragende Bodenplatten (Bereich vermuteter historischer Keller Collegienstraße 87).
Die nichttragenden Innenwände sowie Installationsschächte werden mittels Trockenbauwänden errichtet.
Die Dachtragwerke des Vorder- und des Hinterhauses werden als Holztragwerk (Pfetten und Sparren) mit Holzverschalung errichtet. Die Dächer werden als gedämmte Dächer mit grauer Glattziegeleindeckung und Holzdachfenstern sowie verzinkten Kastenrinnen und Fallrohren ausgeführt.
Das Mittelhaus sowie das Dach der Gewerbeeinheit werden jeweils als Flachdach in Stahlbeton ausgeführt. Beide Dächer werden entsprechend gedämmt. Das Flachdach über der Gewerbeeinheit wird als Gründach mit extensiver Begrünung ausgeführt. Auf dem Flachdach des Mittelhauses wird eine Kiesschicht auf einer Abdichtung sowie eine Photovoltaikanlage vorgesehen. Die außenliegende Dachentwässerung wird durch die Attika geführt.
Die Tiefgarage wird in WU – Beton als „weiße Wanne“ ausgeführt. Im sichtbaren Fassadenbereich erhält die Tiefgarage eine Holzverschalung mit Rankhilfen. Die Zufahrt wird durch ein Gitterrolltor verschlossen. Die Decke über der Tiefgarage wird in Stahlbeton errichtet. Die Deckenbereiche unterhalb des Mittel- und Hinterhauses werden entsprechend gedämmt. Alle weiteren Deckenbereiche werden als Gründach mit intensiver Begrünung sowie mit Plattenbelag als kleiner Platz / Hof ausgeführt.
Des Weiteren wird das Grundstück im Bereich der Wallstraße mit einer halbhohen Sichtbetonmauer mit modern gestalteten Stahlstäben gefasst. Die Sichtbetonmauer erhält an den markanten Punkten, wie Grundstücksbegrenzungen und Grundstückszugängen (Toranlage), Pfeiler.


Wirtschaftlichkeit

Durch die neue Bebauung wird ein verantwortungsvoller Umgang mit den vorhandenen Ressourcen angestrebt. Die Einsparung von Primärenergie durch das BHKW als zentrale Versorgung der neuen Bebauung trägt hierzu bei. Auch wird ein Teil des benötigten Strombedarfs für die neue Bebauung durch das BHKW und die Photovoltaikanlage selbst erzeugt und kommt somit den Mietern zu Gute.
Durch die Errichtung der neuen Bebauung mit Gebäudehüllflächen nach KFW70 Standard und der aktuell geltenden EnEV werden die Betriebskosten für die Mieter gering gehalten.
Die neue Bebauung kann durch den Einsatz der Fertigteilbauweise schnell und kostengünstig errichtet werden.


Energetisches Gesamtkonzept

Für die Versorgung der neuen Wohnbebauung wird ein erdgasbetriebenes BHKW in einem abgetrennten Bereich der Tiefgarage vorgesehen. Als Vorteil der gemeinsamen Erzeugung von Wärme und Strom (KWK) im BHKW gegenüber der getrennten Erzeugung, sind der geringere Primärenergieeinsatz und die geringeren CO2-Emissionen hervorzuheben. Das vorgesehene BHKW trägt darüber hinaus zur Netzentlastung und zur Verminderung oder Vermeidung des Netzausbaubedarfs durch bedarfsgerechte Erzeugung bei.
Die Dämmung der Gebäudehüllflächen wird nach KFW70 Standard ausgeführt. Die Gebäude werden entsprechend der aktuell geltenden EnEV gedämmt (Bodenplatte, Wände, Fenster, Türen und Dach). Das Flachdach Mittelhaus erhält eine Photovoltaikanlage zur Eigenbedarfserzeugung. Des Weiteren wird auf dem Grundstück eine Zisterne für Regenwassernutzung im Gartenbereich angeordnet.


Gestaltung des Wohnumfeldes

Das vorhandene Grün, insbesondere Bäume, wird im Bereich der Wallstraße weitestgehend erhalten und weiter entwickelt sowie neue Grünbereiche geschaffen. Diese sind vor allem für die Bewohner des “Gartenbereichs an der Wallstraße“ und die freiraumbezogene Gemeinschaftsfläche „Hof“ zwischen dem Mittelhaus und dem Hinterhaus nutzbar. Der Höhenunterschied auf dem Grundstück von der Straßenkante Collegienstraße zur Wallstraße wird durch die Gestaltung der Freiflächen und Grünanlagen aufgenommen. Hier wird eine behindertengerechte Rampenanlage vorgesehen.
Alle Flachdächer über der Tiefgarage und der Gewerbeeinheit im Erdgeschoss (Bereich vom Vorderhaus bis Mittelhaus) werden mit intensiver Dachbegrünung, partiell mit Strauchwerk bzw. Bäumen ausgeführt.


Ruhender Verkehr

Der Schwerpunkt des ruhenden Verkehrs für die neue Wohnbebauung bildet die Tiefgarage mit 16 Stellplätzen sowie mehreren Fahrradabstellplätzen. Für die 12 Wohnungen werden 12 Stellplätze zuzüglich 2 Gäste-Stellplätze (20%) gemäß Stellplatzsatzung benötigt. Für die 375m² Verkaufsnutzfläche sind gemäß Stellplatzsatzung ca. 10 Stellplätze erforderlich. In der Summe sind 24 Stellplätze nachzuweisen. In der Tiefgarage werden 16 Stellplätze (inklusive 2 behindertengerechte Stellplätze) vorgesehen. Die fehlenden 8 Stellplätze können gemäß Stellplatzsatzung kostenfrei abgelöst werden.

siehe auch:
https://www.baukasten-architekten.de/portfolio/mut-zur-luecke-5-0-lutherstadt-wittenberg/

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf nimmt die Leiterstruktur der Umgebung mit der Dreiteilung der Baumasse in ein Vorderhaus, ein Hinterhaus und ein Mittelhaus (anstatt Seitenhaus) auf. Die drei Baukörper gliedern das Grundstück in unterschiedliche Hofräume mit einer zu erwartenden angemessenen Aufenthaltsqualität. Durch die parallele Ausrichtung der 3 Gebäude entstehen gut orientierte Wohnungen. Erschließung und Zuschnitt der Wohnungen sind gut gelöst, insbesondere wird die Qualität der durchgesteckten Wohnbereiche hervorgehoben.
Die Stellplätze sind in einer die Geländesituation ausnutzenden Garage nachgewiesen, von der die beiden hinteren Gebäude direkt erreicht werden. Die dafür erforderliche Zufahrt führt allerdings zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Aufenthaltsqualität des Freibereichs an der Wallstraße. Die Gewerbeeinheit ist als gut nutzbare Fläche für flexible Nutzungen geeignet. Über das Mittelhaus werden alle Gebäudeebenen sinnvoll miteinander verknüpft.
Die Architektur des neuen Gebäudes an der Collegienstraße erfüllt nicht die Erwartungen der Jury an eine hohe Qualität der modernen Interpretation seiner historischen Nachbarn. Der Versuch der Anpassung der Fassade an die Struktur der Lochfassaden der Nachbarn in den Normalgeschossen ist mit der senkrechten Elementstruktur wenig überzeugend und die vom Verfasser als Tubus bezeichnete Dachdurchdringung sprengt den stadträumlichen Maßstab.
Der grundsätzlich positive Entwurfsansatz der räumlichen Grundstücksgliederung verliert leider in der architektonischen Ausbildung der einzelnen Gebäude.
Vogelperspektive - gesamt

Vogelperspektive - gesamt

Perspektive Hof

Perspektive Hof