Nichtoffener Wettbewerb | 10/2020
Neues Stadtquartier an der Heinrich-Wieland-Straße in München
©Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH mit Weidinger Landschaftsarchitekten GmbH (Visualisierung: bloomimages)
3. Preis
Preisgeld: 18.000 EUR
Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH
Architektur
-
Verfasser:
-
Mitarbeitende:
Jonas Houba, Tobias Bloh, Agnieszka Jedrzejak, sebastian pluequett, Hieu Dang Tran
Weidinger Landschaftsarchitekten GmbH
Landschaftsarchitektur
GSE Ingenieur - Gesellschaft mbH Saar, Enseleit und Partner
Bauphysik, Brandschutzplanung
WINTER Beratende Ingenieure für Gebäudetechnik
TGA-Fachplanung
Visualisierung
Erläuterungstext
Städtebauliche Konzeption
Das Wettbewerbsgebiet befindet sich an der Schnittstelle zwischen stark frequentierten Straßenzügen im Südwesten und ruhigem, landschaftlich geprägtem Areal im Nordosten. Aus der Spannung zwischen diesen so unterschiedlichen Freiräumen entwickelt das Quartier seine unverwechselbare Identität. Die direkte Landschaft räumliche Beziehung zum unmittelbar angrenzenden innerstädtischen Landschaftsraum wird dabei die Wohn- und Aufenthaltsqualität auf dem verkehrsbelasteten Standort maßgeblich steigern. Gleichzeitig hat das Quartier eine gesamtstädtische Wirkung zu entwickeln, welche den wichtigen übergeordneten Knotenpunkt verschiedener Verkehrsverbindungen markiert.
Die städtebauliche und architektonische Konzeption des Entwurfs antwortet auf die gegebene Situation mit der Setzung von zwei gegeneinander leicht versetzten U-förmigen Baukörpern. Durch den Versatz entstehen zum Südwesten und Nordosten hin zwei platzartige Freiräume, welche von Kopfbauten markiert werden und von beiden Seiten her die Eingänge zum Quartier definieren. Die Größe und Maßstäblichkeit der Kopfbauten antwortet auf die beiden unterschiedlichen Stadträume, zu denen sie sich orientieren: zu einem ein wichtiger städtischer Verkehrsknotenpunkt und zum anderen ein weitläufiger Grünzug entlang des Hachinger Baches.
Das Zusammenspiel der U-förmiger Baukörper und der Kopfbauten läßt ein Raumgefüge aus vier klar definierten, miteinander vernetzten Freiräumen entstehen: zwei Eingangsplätzen, welche die Zugänge räumlich definieren und zwei ruhigen, halboffenen Gartenhöfen im Inneren, um die sich die Wohntrakte gruppieren. Die räumliche Verengung an der Schnittstelle zwischen den Plätzen und Innenhöfen definiert den Übergang von den öffentlichen Plätzen zu den internen Höfen und reduziert den Lärmeintrag ohne die einzelnen Freiräume voneinander abzuschotten. Während sich die Traufhöhen der straßenbegleitenden Bauteile an der anliegenden Bebauung orientieren und den Straßenraum stärken, ordnet der kraftvolle Turm an der Kreuzung der Heinrich-Wieland- und der St.-Michael-Straße den unübersichtlichen Stadtraum durch seine klare Präsenz und strahlt über seine unmittelbare Umgebung hinaus.
Das Quartier erscheint sowohl als eine Komposition verschiedener Teilvolumina, als auch als ein skulptural geformter städtischer Block. Die Kopfbauten erhalten dabei durch ihre Position innerhalb des Gesamtkomplexes jeweils unterschiedliche Orientierung und Raumwirkung, die sich je nach Standort und Blickrichtung ändert. Der skulpturale Charakter der Anlage wird durch das regelmäßig umlaufende Fassadenraster unterstützt.
ADRESSE UND EINGNGSSITUATION
Die Konzeption der Eingangsbereiche lässt nicht nur eine attraktive Adresse und räumlich gefasste Eingangssituationen entstehen, sie ermöglicht zugleich eine Aufwertung der inneren Höfe und flexible Zuordnung beider Hauptgebäudeteile zueinander.
Die Topographie des Grundstückes und die Beschaffenheit der anliegenden Stadt- und Freiräume wird in die städtebauliche Grundordnung integriert. Die Anlage befindet sich auf einem neu geschaffenen Plateau. Der Eingangsplatz liegt auf dem Niveau der Straßenkreuzung, der Höhenversprung zu den Innenhöfen definiert den Übergang zwischen dem öffentlichen Stadtraum und dem Innenbereich des Quartiers. Der nordöstliche Platz auf der Schnittstelle zum Park liegt auf dem gleichen Niveau, wie die begrünten inneren Höfe. Von
diesen werden die Erschließungskerne einzelner Hauseinheiten direkt erreicht. Die Höfe bilden Möglichkeiten zum Aufenthalt im Freien, für informelle Kommunikation und Begegnungen.
Die Nutzungszuordnung innerhalb des Quartiers unterstützt die Differenzierung und Thematisierung der Freiräume: Die Einzelhandelsflächen und kleine Gastronomieeinrichtungen orientieren sich zu stark frequentierten Bereichen an der Schnittstelle zwischen der Stadt und dem Quartier hin. Die öffentlich begehbaren Flächen entlang der Straßen werden durch Arkaden erweitert, um genug Bewegungsraum zu gewährleisten. Sie bieten zugleich wettergeschützte Warte- und Aufenthaltsflächen für Halte- und Wartebereiche des ÖPNV, entlang der Straßen angeordnet sind.
Die beiden Innenhöfe sind hauptsächlich für die Bewohner bestimmt. Sie sind gärtnerisch gestaltet und bieten Aufenthalt- bzw. Spielflächen. Durch die klare Herausbildung beider Zugangssituationen zur Stadt und zur Landschaft hin werden sie mit der anliegenden Stadt- und Landschaftsräumen vernetzt. Die Kindertagesstätte liegt an der Schnittstelle zwischen dem Quartier und dem Park mit direktem Bezug ins Freie. Die Dachflächen auf den verbindenden Bauteilen werden als begrünte Terrassen mit Aufenthaltsangeboten für die Bewohner konzipiert. Technikflächen werden auf dem nördlichen Turm angeordnet.
Energiekonzept
Das Energiekonzept setzt auf einen möglichst CO2-neutralen Gebäudebetrieb und auf moderne Gebäudetechnik. Die Kernelemente des Konzepts werden im Folgenden kurz beschrieben.
Geothermiebasierte Wärmeversorgung
Kern des Energiekonzepts bildet die Fernwärmeversorgung, welche in der Heinrich-Wieland-Straße unmittelbar am Gebäude anliegt. Die Anforderungen der ENEV und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) werden durch diese umweltfreundliche Bereitstellung der Energie über das geothermiebasierte Versorgungsnetz bereits eingehalten.
Ein Trockenkühlwerk reduziert im Sommerbetrieb die Temperatur in den Betondecken der Büroflächen im so genannten Freikühlbetrieb, einer sehr wirtschaftlichen Art der nächtlichen Auskühlung. Eine Nachkühlung im Tagesbetrieb erfolgt über konventionelle zentrale Kältetechnik. Der Heiz- und Kälteenergiebedarf dieses modernen Gebäudes wird aufgrund der hervorragenden Isolierung der Fassade und des optimal geplanten Sonnenschutzes bereits mit baulichen Maßnahmen auf ein Minimum reduziert.
Technische Infrastruktur im Gebäude
Die Erfordernis von mechanischen Lüftungsanlagen wird auf die Nutzungen der Büro- und Einzelhandelsflächen begrenzt. Zur Grundtemperierung der Büroflächen (4.000 m²) wird eine wirtschaftlich günstige und effiziente Betonkernaktivierung vorgesehen. Für die Wohnungen ist eine natürliche Fensterlüftung grundsätzlich ausreichend (für höherwertige Wohnungen kontrollierte Wohnraumlüftung mit WRG).
Dachbegrünung und Photovoltaik
Die Dachfläche des Gebäudes wird intensiv begrünt. Durch die Begrünung und die damit verbundene Verdunstung des Regenwassers trägt sie im Sommer zur Kühlung des darunter liegenden Geschosses bei, aber auch der darüber liegenden Photovoltaik bei (die Dachfläche kann optional für eine PV-Nutzung vorbereitet werden). So könnte die Effizienz der optionalen Photovoltaikanlage und der Ertrag an „hausgemachtem“ Ökostrom gesteigert werden.
Regenwasser zur Gebäudekühlung und Bewässerung
Das Regenwasser, welches auf die Dachflächen niederfällt, wird in einem Regenwassertank eingesammelt. Im Sommer wird das Regenwasser in den Lüftungsgeräten Retail und Büro auf der Abluftseite verdunstet, wodurch nutzbare Verdunstungskälte freigesetzt wird. Diese Kälte wird, kontaktlos – getrennt durch einen Wärmetauscher - an die Zuluft abgegeben und sorgt so für eine angenehme, energiesparende Frischluftversorgung der zu versorgenden Bereiche.
Option: Solare Vorwärmung der Außenluft
Die Frischluft für die in jedem Falle mechanisch zu belüfteten Räumen (z.B. von Stadtwerken eigens genutzte Büroflächen) wird durch einen, sich auf dem Dach befindlichen, Biofilter geleitet. Neben einer ökologischen Vorfilterung der Außenluft erfüllt der Biofilter im Winter noch eine zusätzliche Funktion. Durch seine gläserne Hüllfläche stellt die Biofiltereinheit einen solaren Luftvorerwärmer dar, welcher die Luft vortemperiert.
BRANDSCHUTZ
Gebäudeteil Nord
Der Gebäudeteil Nord wird mittels zwei inneren Brandwänden in 3 Brandabschnitte untergliedert.
Die Nutzungseinheiten verfügen jeweils über einen Rettungsweg, der über einen notwendigen Treppenraum, der teilweise über einen notwendigen Flur zu erreichen ist. Der zweite Rettungsweg erfolgt, mit Ausnahme der Kindertagesstätte, über anleiterbare Fenster, bis 8 m Anleiterhöhe über tragbare Rettungsgeräte der Feuerwehr, über 8 m über Hubrettungsfahrzeuge. Die erforderlichen Flächen für die Feuerwehr werden ausgebildet.
Zur Sicherstellung der Erschließung der Feuerwehr wird im nordöstlichen Grundstücksbereich eine Feuerwehr-Bewegungsfläche ausgebildet.
Die Kindertagesstätte erstrickt sich über zwei Geschosse, die beide über den notwendigen Treppenraum angeschlossen sind. Die interne Verbindungstreppe bildet den zweiten Rettungsweg über eine Halle aus. Beide Rettungswege sind unabhängig voneinander zu erreichen.
Gebäudeteil Süd
Der Brandschutz wird analog zum Gebäudeteil Nord umgesetzt.
Der Gebäudeteil Süd wird ebenfalls durch zwei innere Brandwände in drei Brandabschnitte untergliedert. Bei dem westlichen Gebäudebereich handelt es sich um ein Hochhaus.
Zur Sicherstellung der Rettungswege wird im Bereich des Hochhauses und im südlichen Gebäudeteil ein Sicherheitstreppenraum gem. den Anforderungen der Hochhausrichtlinie ausgebildet.
Die sonstigen Nutzungseinheiten verfügen jeweils über einen Rettungsweg, der über einen notwendigen Treppenraum, der teilweise über einen notwendigen Flur zu erreichen ist. Der zweite Rettungsweg erfolgt über anleiterbare Fenster, bis 8 m Anleiterhöhe über tragbare Rettungsgeräte der Feuerwehr, über 8 m über Hubrettungsfahrzeuge. Die erforderlichen Flächen für die Feuerwehr werden ausgebildet.
Zur Sicherstellung der Erschließung der Feuerwehr wird im nordöstlichen Grundstücksbereich eine Feuerwehr-Bewegungsfläche ausgebildet.
Der Gebäudeteil des Hochhauses wird mit einer flächendeckenden Brandmelde- und Alarmierungsanlage ausgestattet.
Für den Löschangriff der Feuerwehr wird im Hochhaus ein Feuerwehraufzug angeordnet. Die Vorräume des Sicherheitstreppenraumes und des Feuerwehraufzuges erhalten Wandhydranten.
Tiefgarage
Die Tiefgarage im 1. Untergeschoss wird entsprechend Garagenverordnung in Rauchabschnitte kleiner 2.500 m² eingeteilt. Im Bereich der Tiefgarage im 2. Untergeschoss wird eine Sprinkleranlage ausgebildet entsprechend der Forderungen der Garagenverordnung. Die Rauchabschnitte im 2. Untergeschoss betragen mas. 5.000 m².
Die Belüftung und Entrauchung erfolgt über Lichtschächte und Deckenöffnungen. Aufgrund der großen Abmessungen der Garage wird die natürliche Entrauchung bereichsweise durch Jet-Ventilatoren unterstützt.
Die Garage wird aufgrund der Verbindung zum Hochhaus mit einer flächendeckenden Brandmelde- und Alarmierungsanlage ausgestattet.
Beurteilung durch das Preisgericht
©Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH mit Weidinger Landschaftsarchitekten GmbH (Visualisierung: bloomimages)
©Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH mit Weidinger Landschaftsarchitekten GmbH
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