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Award / Auszeichnung | 10/2022

Architekturpreis der Stadt Nürnberg 2022

Außenansicht Sebader Platz

Außenansicht Sebader Platz

Pfarrhof St. Sebald

DE Nürnberg

Preis

Fritsch Knodt Klug + Partner mbB Architekten

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Kultur-, Veranstaltungsgebäude

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 02/2012
    Fertigstellung: 01/2021

Projektbeschreibung

Nördlich der Sebalduskirche entstand im 13. Jahrhundert ein turmartiges Gebäude, die Keimzelle des Sebal-der Pfarrhofes. Zug um Zug wurde der Bau zu der heutigen Vierflügelanlage erweitert. Er spiegelt eine über Jahrhunderte nachvollziehbare architektur-, bau- und kunstgeschichtliche Entwicklung wider, die eng mit kirchlichen und politischen Ereignissen verbunden ist. In den Konstruktionselementen des Gebäudes waren Funde seiner Bau- und Nutzergeschichte verborgen, die einen Schatz an geschichtlichen Informationen in sich bergen.
Wichtiger Impuls für die Erweiterungen war der Sebalduskult mit seinen rasant wachsenden Pilgerströmen, aber auch der Repräsentationswille seiner Hausherren und deren bedeutende Gäste. Der sakrale Raum mit dem berühmten Steinchörlein war mit Wandmalereien und Glasgemälden Nürnberger Künstler ausgestattet. Der Kachelofenfund mit Verkündigungsdarstellung, Kaiserbildnis Friedrichs III und Hirsvogelwappen des Sebalder Probstes zeichnet ein Bild kirchlicher Repräsentanz und vorreformatorischer Frömmigkeit. Die 1357 datierte Holzdecke mit Rankenbemalung, Wandfassungen und rotem Ziegelestrichboden schmückten einen festlichen Saal. Probst Melchior Pfinzing realisierte die technisch anspruchsvolle Anhebung der Dachkon-struktion für einen hohen Renaissancesaal, Sein Nachfolger Georg Pessler stattete einen Memorienraum mit Wandbemalungen kunstvoller Brokatteppiche und Schmuckgirlanden aus und zierte diese mit Wappen und der Bauinschrift 1523, einem Jahr, als in Nürnberg der Reichstag inmitten des Reformationsgeschehens stattfand. Der unter Putzflächen entdeckte jüdische Grabstein und die hebräische Türinschrift: „durch dieses Tor soll kein Kummer kommen“ wirft unbeantwortete Fragen auf.

500 Jahre nach der letzten großen Bauveränderung wurde der Pfarrhof saniert, um aktuellen Vorschriften von Brandschutz, Energieeffizienz, Barrierefreiheit und Nutzerbedürfnissen zu entsprechen. Seine traditio-nelle Nutzung als Pfarrhof wurde im Einklang mit der wertvollen Bausubstanz fortgeschrieben, um ein nieder-schwelliger Ort für Gastlichkeit, Begegnung und Integration zu sein. Die fragmentiert erhaltenen Geschichts-marken sind räumlich sichtbar integriert oder verborgen unter Verkleidungen erhalten. Das Einraummuseum Stein&Tür öffnet den Blick für das Geheimnis des Pfarrhofs.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der bis ins frühe 13. Jahrhundert zurückreichende Sebalder Pfarrhof hat die Zeit erstaunlich gut überstanden. Seit rund 500 Jahren ist die heutige Vierflügelanlage baulich nicht wesentlich verändert worden, entsprechend groß ist ihre denkmalpflegerische Bedeutung. Die in den vergangenen Jahren umgesetzte umfassende Sanierung hatte dem historischen Rang, gleichzeitig aber auch den Anforderungen von Brandschutz, Energieeffizienz, Barrierefreiheit und zeitgemäßen Nutzerbedürfnissen Rechnung zu tragen. Der damit verbundene Spagat ist den mit dieser Aufgabe betrauten Architekten, Fachleuten und Handwerkern in beeindruckender Weise gelungen – das lässt sich heute, rund zwei Jahre nach Abschluss der Arbeiten, ohne jeden Zweifel konstatieren.

Das hängt wohl auch damit zusammen, dass baulich zwar viel gemacht werden musste, vieles aber doch so bleiben konnte wie seit eh und je. Der Sebalder Pfarrhof ist über die Jahrhunderte hinweg ein Ort der Begegnung und der Repräsentation gewesen, ein Haus sowohl zum Wohnen als auch zum Arbeiten. Mittlerweile ist das Leben wie selbstverständlich in das Gebäude zurückgekehrt. Das kleine Café gleich beim Eingangstor lockt Besucher an, die im Durchgang zum Innenhof oder in der Wöchnerstube im ursprünglichen Turmhaus an der Südostecke Platz nehmen können. Der anschließende ehemalige Kapitelsaal wurde nach Westen erweitert und wird als Versammlungsort von der Kirchengemeinde genutzt. Bei Bedarf kann er gemietet und separat über den Innenhof erschlossen werden. In den Obergeschossen befinden sich beeindruckende Räume in privater Nutzung, wie die ehemalige Hauskapelle mit dem originalen, markant roten Ziegelsplitt-Estrich – das heutige Wohnzimmer der Pfarrersfamilie – oder der imposante Pfinzingsaal, der vermietet ist und als Büroraum genutzt wird. Man kann erahnen, dass es im Rahmen einer solchen Sanierung eine große Anzahl einzelner Maßnahmen gegeben hat, die in enger Abstimmung zwischen Bauherrschaft und Vertretern von Bauforschung, Archäologie und Denkmalpflege zu treffen waren. Die meisten davon erscheinen recht plausibel und wurden sorgfältig und liebevoll umgesetzt. Den sichtbar größten baulichen Eingriff stellt das neue Treppenhaus samt Personenlift dar, der im Bereich der offenen Arkaden auf der Nordseite angeordnet wurde und – auf einen ersten Blick vielleicht etwas überraschend – als moderne Stahl-Glas-Konstruktion umgesetzt wurde. Oft sind die Eingriffe aber nur auf einen zweiten Blick, zu sehen und bleiben der Entdeckung derjenigen vorbehalten, die darauf ein besonderes Augenmerk haben. Die Architekten haben weitgehend darauf verzichtet, ihre eigene Handschrift im Kontrast zu dem bedeutsamen Bestand durchzusetzen und haben pragmatisch von Fall zu Fall entschieden. Ohne dass an irgendeiner Stelle der Anschein einer unangemessenen Musealisierung aufkommen könnte, entstehen ein atmosphärischer Reichtum und eine Lebendigkeit, die sich auch nach außen richten und einladen, das Zeugnis europäischer Kulturgeschichte und zeitgemäßer gekonnter Baukunst zu entdecken.
Innenhof mit Gemeindecafé

Innenhof mit Gemeindecafé

Fragment Deckengestaltung des 14.Jh

Fragment Deckengestaltung des 14.Jh

Altane 2.OG Wandoberflächen des 14Jh

Altane 2.OG Wandoberflächen des 14Jh

Pfinzingsaal mit Decke von 1512

Pfinzingsaal mit Decke von 1512

Altane

Altane

Raumgestaltung 15Jh

Raumgestaltung 15Jh

Flur 2.OG

Flur 2.OG

Scrafito

Scrafito

Decke EG

Decke EG

Gemeinderäume EG

Gemeinderäume EG

Chörlein

Chörlein

Chörleinzimmer mit Bodenbelag 14. Jh

Chörleinzimmer mit Bodenbelag 14. Jh

Durchgang zum Innenhof

Durchgang zum Innenhof

Gemeindecafé

Gemeindecafé