Einladungswettbewerb | 07/2023
Wohnbebauung Schiesserstraße in Radolfzell
©Diezinger Architekten
Situation
3. Preis
Preisgeld: 9.000 EUR
Thomas Egger Modellbau | Frässervice
Modellbau
Erläuterungstext
Städtebau
Die Tiefgarage wird von der Höhenentwicklung analog zum Bestand geschickt in das Gelände von der Schiesserstraße zu den Anschlusshöhen der umgebenden Bebauung integriert und schafft einen selbstverständlichen Übergang und klare Zonierung von halböffentlichen zu privaten Bereichen. Die Zufahrt in die Tiefgarage befindet sich an der östl. Grundstücksgrenze hinter den Nebengebäuden des östl. Nachbarn. Eine Mitnutzung der vorhandenen TG Zufahrt der südlichen Wohnbebauung wäre technisch möglich und wünscheswert.
Gestalt
Die klar formulierten Baukörper werden aus den Fluchten des Bestandes entwickelt und schaffen Zugehörigkeit und Eigenständigkeit als besondere Qualität zugleich. Die polygonalen Flächen sind bewusst aufeinander bezogen, bilden ein klar ablesbares Ensemble und zonieren die Freiflächen. Zurückgesetzte Dachgeschosse gliedern die Baukörper ebenso wie die zurückgesetzten Eingangsbereiche. Die Höhenentwicklung ist aus der Zeilenbebauung der Schiesserstraße abgeleitet, schafft durch die Auflösung der Zeilen jedoch wie selbstverständlich den Übergang zu den kleinteiligen Bebauungen im Osten sowie zur übergeordneten Körnigkeit des Stadtgebietes von Radolfzell. Die neuen Stadtbausteine werden analog zur umgebenden Bebbauung mit massstäblichen Putzfassaden und schön detailierten Fensteröffnungen ausgebildet. Die Erdgeschosse werden zum Zugangsbereich im Norden überhöht und in den Wohnbereichen als Hochparterre ausgebildet. Durch die Höhenstaffelung des Freibereichs über die Garage hinweg besitzen die Freibereiche der Wohnungen jedoch ebenerdigen Zugang zu den privaten Freibereichen. Die Zugänge und Erschließung der einzelnen Baukörper sind im Norden über den Vorbereich konzentriert und selbstverständlich mit klarer Adressbildung erreichbar. Die Erschließung der Obergeschosse erfolgt über einen kompakten Treppenkern mit Aufzugsanlage über alle Bereiche barrierefrei und mit direktem Zugang zu Parkgarage. Die Treppenkerne werden über Oberlichter und Lufträume natürlich belichtet.
Funktionalität Wohnungen
Material und Nachhaltigkeit
Die vom Auslober gewünschte massive Konstruktion der Baukörper bietet optimale Speichermasse und Dämmqualität zugleich. Das passive Konzept des sommerlichen Wärmeschutzes wird unterstützt durch die Loggien. Zurückliegende Freibereiche mit natürlicher Verschattung im Sommer öffnen sich zu den Wohn-, Ess- und Kochbereichen mit geschützten Öffnungselementen und Verglasungen. Der Aufwand für technischen Sonnenschutz wird somit bei hoher Aufenthaltsqualität über den gesamten Jahreszyklus deutlich reduziert. Kompakte Bauweise und sortenreine Trennbarkeit der massiven Konstruktionen sind Garanten für eine wirtschaftliche und dauerhaft nachhaltige Konstruktion. Natürliche Lüftung durch gegenüberliegende Öffnungen der Parkgarage reduzieren den technischen Aufwand und der Unterhaltskosten erheblich. Zuluftöffnungen im Freiraum werden gleichsam als Sitzgelegenheiten ausgebildet und integrieren sich selbstverständlich in die Freiraumgestaltung. Die starke Bepflanzung mit großen Bäumen in den Feianlagen unterstützt den sommerlichen Wäremschutz in erheblichen Maße.
Energetik
Die Neubauten werden als sehr kompakte Baukörper mit einem guten A/V Verhältnis konzipiert. Die hocheffiziente Gebäudehülle wird hinsichtlich der Tageslichtanteile und transparenten Flächen hin optimiert und vom Dämmwert am Niveau des Passivhausstandards vorgeschlagen. Loggien mit natürlicher Verschattung und Sonnenschutzmarkisen sorgen für den erforderlichen Sonnen- und Blendschutz. Hinsichtlich der Gebäudetechnik wird ein Low-Tech Konzept vorgeschlagen, dass mit der konsequenten Reduktion an mechanischen und technischen Anlagenteilen sowohl auf einen wirtschaftlichen Betrieb, als auch auf optimale Raumkonditionen abzielt. Maschinelle Lüftung wird nur für die Nassräume vorgesehen. Eine Überströmung über einfache Fensterfalzlüfter stellt den baulichen Feuchtschutz sicher. Die Wärmeerzeugung erfolgt über die Nahwärmeversorgung. Die Dachflächen sind für den Betrieb von Photovoltaikanlage optimiert und zusätzlich extensiv begrünt um die Regenabflussmengen zu reduzieren und Wasser zu speichern.
Freiraum
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Verfasser setzt städtebaulich auf die Idee Wohnen im Park. Dabei werden 3 polygonale Gebäude bewusst lose auf dem Grundstück gruppiert. Es entstehen dabei fließende Räume. Durch den Rückversatz des mittleren Hauses entsteht auch an der Schiesserstrasse ein grüner Platzraum. Von hier erhalten alle drei Gebäude auf schlüssige Art und Weise ihre barrierefreien Zugänge.
Ein kompakter zentraler Erschließungskern mit durchlaufendem Luftraum verspricht eine hohe räumliche Qualität, sofern im Dachbereich eine Verglasung für Tageslichteinfall sorgt - was nicht deutlich in den Plänen erkennbar wird. Die Grundrisse sind konsequent als Ringstruktur entwickelt - mit den Nebenräumen um das Treppenhaus und einer flexibel organisierbaren äußeren Raumfolge für die Haupträume. Auskragende Balkonloggien versprechen Aufenthaltsqualität und attraktive Sichtbeziehungen in den Park. In den Staffelgeschossen mit Dachterrassen fallen die Grundrisse teilweise recht schmal aus, was nachgebessert werden müsste. Auch wird die dortige Fassadenwahl mit großflächigen raumhohen Fensterbändern kritisch gesehen. Die vier – fünfgeschossigen Gebäude erhalten in den Regelgeschossen Putzfaschen um die Fenster. Dieses Gestaltungsmittel gewährleistet eine optische Aufwertung der Fassaden. Die gewählte Farbigkeit der drei Häuser scheint etwas überzogen und müsste zurückgenommen werden. In der gut organisierten Tiefgarage befinden sich ausreichende Fahrradstellpätze in drei verteilten Räumen jeweils in Nähe der Erschließungskerne.
Die Reduzierung des Versiegelungsgrades durch Baumgrün und Grünstrukturen auf dem Dach wird sehr begrüßt. Leider ist die Idee des Freiraumkonzepts nur rudimentär dargestellt. Elemente wie durchgehende Wegeführungen, Platzaufweitungen etc. fehlen. Die grünen „Fenster“ sorgen für eine angenehme Durchlüftung des Quartiers an heißen Tagen. Kritisch gesehen werden die erforderlichen Feuerwehrzufahrten in die nördlichen Hofbereiche, die die Qualität von dort möglichen Baumpflanzungen einschränken.
Die Arbeit liegt mit insgesamt 54 Wohneinheiten im guten Mittelfeld. Die Kompaktheit der drei Gebäude ist neben dem Energiekonzept eine gute Grundlage für eine wirtschaftliche Umsetzbarkeit. Aufgrund des Parkgedankens sollten sich die Wohnungen mit ihrer Qualität auch gut vermarkten lassen. Auch wenn die Arbeit und der Entwurfsansatz kontrovers diskutiert wurde ist sie sicherlich ein gelungener Beitrag zur gestellten Aufgabe.
©Diezinger Architekten
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