Städtebauliche wie landschaftsplanerische Idee und Integration:
Die prägnante Lage der Stadt auf dem Bergsporn über dem Neckar, ihre charakteristische Stadtsilhouette mit den Türmen, der umgebenden Stadtbefestigung, die Anbindung der historischen Innenstadt, der Brückenschlag über Gleisanlage, den wilden Neckar wie die baumreichen Auen sind maßgebend für das Konzept der Gartenschaubrücke.
Zwei Achsen ausgehend von den beiden Brückenköpfen, der daraus folgende Schnittpunkt mit Lage über dem Neckar ist bewusst ausgewählt, um die Gartenschaubrücke in der Landschaft, unverwechselbar und angemessen zu verorten. Der Kreuzungspunkt wird zur famosen Aussichtsplattform über dem Neckar mit Blick auf die historische Innenstadt, dem Neckarlauf, Uferbalkon und dessen Auen. Durch die zwei Achsen wird der Brückenkopf auf der ENRW-Seite leicht modifiziert, zu Gunsten einer fließenden Anbindung der Brücke, Ausformung des Plateaus wie Baum- und Böschungserhalt im Süden, der Eingriff in den erhaltenswerten Baumbestand wird auf ein Minimum reduziert. Eine zweite Aussichtsplattform verortet wiederum die Entwurfsidee, diese ergibt sich aus der Wegekreuzung vom stadtseitigen Brückenkopf mit der talseitigen Zuwegung von Norden unterhalb der historischen Eckbastion. Dies ist ein eindrucksvoller Ort unterhalb der Stadtmauer mit Blick in den Stadtgraben, neckaraufwärts, über die Gartenschaubrücke neckarabwärts umringt von einem prächtigen Baumbestand, ein Wohlfühlort.
Die rotgedeckten Dächer, die Türme der historischen Innenstadt und die bestehenden Brücken in der Umgebung sind ausschlaggebend für einen Brückenentwurf in rotbraunen Stahl mit leichtem und transparentem Geländer. Zum Einem ergibt sich ein uneingeschränkter 360°Blick auf der ganzen Gartenschaubrücke, zum anderen wird die Neigung der Brücke durch den klaren Strich dynamisch inszeniert. Diese Inszenierung wird in der kraftverlaufenden dynamischen Untersicht wie den drei Chromosom-förmigen gedrehten X-Stützen fortgeführt. Die Analogien zur Landschaft, dem Neckar “wilden Mann” und der Dachlandschaft Rottweils kommen buchstäblich zum Tragen. Das Logo der Stadt Rottweil erhält eine gespiegelte Fortführung mit der neuen Brücke unterm Strich.
Tragwerkskonzept:
Die über ca. 200m verlaufende Fußgängerbrücke ist in Stahlhohlkastenbauweise mit einem dreiecksförmigen Querschnitt in wetterfestem Stahl konzipiert. Der untere Grat des Dreiecksquerschnitts verläuft dabei in Bezug auf den Brückengrundriss diagonal zwischen den Widerlagern und Aussichtsplattformen. Auf diese Weise wird im Bereich der Aussichtsplattformen der Schwerpunkt des tragenden Querschnitts so verschoben, dass die Querschnittsverbeiterung nahezu ohne Torsion aufgenommen werden kann. Um über die Länge eine konstante Querschnittshöhe von ca. 100cm zu ermöglichen, erfolgt die Auflagerung des Überbaus, der sich über drei Felder spannt, auf X-förmigen Stützen. So wird die Ausnutzung des Überbauquerschnitts in den Feld- und Stützbereichen vereinheitlicht.
Die Anbindung des Überbaus an die als Hohlkastenquerschnitte ausgeführten Stützen erfolgt torsions- und biegesteif, so dass über diese zugleich die Aussteifung des Überbaus in Querrichtung erreicht werden kann. Hierfür verschwenkt der untere Bereich der X-förmigen Stützen auf ca. halber Stützenhöhe zusätzlich um ca. 90° und liegen auf einem gemeinsamen Fundament auf. Eine Einspannung der Stützen über Köcher in die Fundamente wird damit nur in Längsrichtung der Brücke als Montagehilfe vorgesehen. Somit können die Stützenquerschnitte im Auflager- als auch im Anschlussbereich des Überbaus reduziert und müssen lediglich auf halber Stützenhöhe mit max. 80/80cm ausgeführt werden. Im Bereich der Widerlager erfolgt lediglich eine vertikale Auflagerung des Überbaus – insbesondere im Hinblick auf die schwierige Gründungssituation am Hang am oberen Widerlager – so dass die Lagerkonstruktionen konstruktiv einfach ausgeführt werden können. Während die Lagerkonstruktion beim unteren Widerlager von vorne zugänglich ist, wird diese beim oberen Widerlager auf Grund dessen exponierter Lage verdeckt ausgebildet. Es wird eine von hinten zugängliche Lagerbank vorgesehen, um die Wartung zu gewährleisten, eine deutlich einfachere Ausführung als ein von außen zugänglichem Lager am steilen Hang.
Insgesamt entsteht ein filigranes Bauwerk, dessen Transparenz durch die Verwendung eines Edelstahlnetzes als Absturzsicherung erhöht wird. Die Filigranität geht einher mit einer höheren Schwingungsanfälligkeit des Überbaus. Es werden gemäß den derzeitigen Ergebnissen der Vorbemessung vertikale Eigenfrequenzen von ≥ 2,0 Hz und horizontale Eigenfrequenzen von ≥ 1,5 Hz erreicht. Diese können als unangenehm empfunden werden und auch LockIn-Effekte hervorrufen. Entsprechend werden planmäßig Schwingungstilger vorgesehen, die geometrisch im Überbau vorgesehen werden können. Diese Konstruktionsweise kann insbesondere bei Fußgängerbrücken als gängig und unkompliziert betrachtet werden.
Die Gründung erfolgt auf Grund des anstehenden Bodens für die X-förmigen Stützen sowie das untere Widerlager über eine Tiefgründung auf Pfählen mit Pfahlkopfplatten. Beim oberen Widerlager wird zunächst davon ausgegangen, dass dieses direkt in der Felswand gegründet werden kann, zumal die Zuwegung in diesem Bereich für schweres Gerät schwierig ist.
Konstruktion und Materialien:
Die Konstruktion kann auf Grund Ihrer Robustheit und der Rezyklierbarkeit von Stahl als besonders nachhaltig angesehen werden. Von Vorteil ist hier die Eigenschaft des wetterfesten Stahls, dass dieser ohne Beschichtungen mit Ausnahme der Wegfläche, eingesetzt werden kann. Die Brücke erhält eine Deckschicht aus Gussasphalt mit einer farbabgestimmten Splitteinstreuung, die auch mit der Wegedecke der angrenzenden Wege harmoniert. Dezent und wertig. Beide Adjektive gelten auch für das Beleuchtungskonzept der Brücke. Bei Einbruch der Dunkelheit wird diese über eine LED-Orientierungsbeleuchtung in den Handläufen aus Holz erhellt und weist den Besucher*innen den Weg.
Die Ausbildung der Brücke als Bauwerk aus wetterfestem Stahl hat zum Ziel, die Dauerhaftigkeit des Bauwerks zu maximieren und Instandhaltungsmaßnahmen zu minimieren. Es müssen keine Anstriche erneuert oder korrosionsgefährdete Stellen kontrolliert werden. Nicht zugängliche Bereiche werden über zusätzliche Beschichtungen vor dauerhafter Feuchteeinwirkung geschützt. Die hohe Dauerhaftigkeit, verbunden mit geringen Instandhaltungsmaßnahmen und die Verwendung des wieder verwendbaren Baustoffes Stahl verleihen dem Brückenentwurf ein hohes Maß an Nachhaltigkeit. Die bewusste Umsetzung kleinerer Stützweiten ermöglicht eine einfache Demontage und Wieder- bzw. Weiterverwendung der Bauelemente nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip.
Montageablaufplan:
Die Montage der Brücke erfolgt in transportierbaren Baugruppen, die im Werk vorgefertigt, auf die Baustelle transportiert und dort zu sieben Montagegruppen verschweißt werden – drei Stützengruppen mit zugehörigem Überbau sowie 4 Überbaugruppen. Vorgesehen ist die Stützengruppen auf die Fundamente in Montageköcher einzuheben und danach die dazwischen liegenden Überbaugruppen einzuhängen und zu verschweißen sowie die Anschlüsse an die Widerlager herzustellen. Hierfür werden Hängegerüste vorgesehen, die zusätzlich witterungsgeschützt eingehaust werden. Der Vorteil in dieser Montageweise liegt im möglichen Verzicht auf zusätzliche Hilfsstützen.