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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2024

Neubau Forschungszentrum Keltenwelt am Glauberg in Glauburg

Perspektive 01

Perspektive 01

1. Preis

Preisgeld: 24.000 EUR

Lehmann Architekten GmbH

Architektur

helleckes landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Analyse
Der Glauberg in Hessen zählt zu den bedeutendsten Stätten der Kelten in Europa. Die frühkeltische Siedlung auf dem Bergplateau und der repräsentative sakrale Bezirk am Fuß des Berges zeugen von dieser Kultur- und Siedlungsgeschichte.

Der Archäologische Park und der im Jahr 2011 eröffnete Neubau des Keltenmuseums sollen durch ein neues Forschungszentrum ergänzt werden. Für das Forschungsgebäude ist ein an den Archäologischen Park angrenzendes Baufeld am Fuße der befestigten keltischen Siedlung vorgesehen.
Parallel zu diesem Vorhaben soll die Stätte am Glauberg in einem mehrjährigen Verfahren für die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste nominiert werden.

Aufgabe
Für den Neubau des Forschungszentrums wurde bewusst die Nähe zur Grabungs- und Fundstätte sowie zum Museum gewählt. Der geplante Neubau befindet sich somit innerhalb der potentiellen Welterbestätte. Seine bauliche Integration ist daher von besonderer Bedeutung, da hiervon unter Umständen die Welterbenominierung beeinflusst wird.

Der Auslober betont, dass die Nominierung des Glaubergs für die UNESCO-Welterbeliste für die Keltenwelt am Glauberg, die hes¬sische Landesarchäologie sowie das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst eine he¬rausragende Bedeutung besitzt.

Aufgrund der sensiblen Lage des Neubaus innerhalb der potentiellen Welterbestätte muss sich die Architektur zurücknehmen und unterordnen:
„Das Gebäude darf die visuelle Integrität des Ensembles in kei¬ner Weise beeinträchtigt, da eine ungestörte Sichtverbindung mit dem Umland sowie eine repräsentative Sichtbarkeit aus der Ferne zu den Charakteristika der Machtzentren der älte¬ren Eisenzeit gehören. Der unversehrte Fortbestand dieser Sichtverbindungen ist für die visuelle Integrität und den au¬ßergewöhnlichen universellen Wert von hoher Relevanz.“

Die Aufgabe steht im Spannungsfeld zwischen den Anfor¬derungen zur Un¬terbringung der Räumlichkeiten des Forschungszentrums, der Ergänzung der musealen Nutzung und der sehr zurück haltenden Integration in den Landschaftsraum.

Entwurfskonzept – Städtebau, Architektur und UNESCO-Welterbe
Da eine erfolgreiche Nominierung zum UNESCO-Welterbe eine überragende Bedeutung für die Stätte am Glauberg hat, ist das bestimmende Thema für den Entwurf des Forschungszentrums, dieses als dienendes Gebäude so zurückhaltend wie möglich in den Museumspark zu integrieren.

Die Topografie wird dabei genutzt, um ein Untergeschoss innerhalb des Baufelds so anzuordnen, dass dieses vollständig in den Hang integriert werden kann. Das Gelände wird innerhalb des Plangebiets entsprechend modelliert. Die im Untergeschoss vorgesehenen Tageslichträume orientieren sich zu einem Innenhof, der von außen nicht in Erscheinung tritt und weder den Blick in die Ferne noch die Wahrnehmung des Glaubergs aus der Ferne beeinträchtigt.

An dem Weg des Museumsgarten liegt der Haupteingang für den öffentlich zugänglichen Bereich des Forschungsgebäudes. Der Eingang definiert sich als Einschnitt in den begrünten Hang und führt zum Foyer und dem Vortragssaal.

Ein Pavillon auf der Erdgeschossebene ergänzt das Forschungszentrum und dient als Zugang für Mitarbeiter sowie zur Anlieferung von Grabungsfundstücken. Im Pavillon selbst sind die Arbeits- und Sozialräume untergebracht. Über eine Treppe und Aufzug ist der Pavillon direkt mit den darunter befindlichen Funddepots und Lagern verbunden.

Der eingeschossige Pavillon entspricht der Grundfläche des ehemaligen Haus Richter und ist in Nord-Süd-Richtung an der östlichen Waldkante orientiert, um den Blick von und in die Ferne nicht zu beeinträchtigen.

Durch die nahezu vollständige Integration des Neubaus in den Hang ergeben sich wie selbstverständlich auch die notwendigen Flächen der Feuerwehr für das Aufstellen und Wenden der Einsatzfahrzeuge.

Mit dem vorliegenden Entwurfskonzept wird es möglich, den für das Forschungszentrum notwendigen Raumbedarf mit den geringst möglichen sichtbaren baulichen Eingriffen in den Ort zu realisieren und die visuelle Integrität und den au¬ßergewöhnlichen universellen Wert des Ensembles am Glauberg im Sinne des Welterbes zu bewahren.

Nutzung und Organisation
Das Gebäude gliedert sich konsequent in den öffentlichen Bereich für Museumsgäste im unteren Geschoss und den nichtöffentlichen Bereichen für Forschung und Mitarbeiter. Für die Gäste des Vortragssaals erfolgt der Zugang un¬mittelbar vom Museumsgarten über den Geländeeinschnitt in das Foyer. Vom Foyer aus sind beide Abschnitte des teilbaren Vortragssaal erschlossen. Das Foyer verfügt über Sitzgelegenheiten, eine Verpflegungsstation und Garderoben mit Schließfächern.
Die sanitäre Anlagen verfügen über einen direkten Zugang von außen sowie vom Foyer.
Der Vortragssaal ist flexibel nutz- und teilbar und zu dem kontemplativ gestalteten Innenhof orientiert. Der Saal ist für Veranstaltungen auch außerhalb der Öffnungszeiten des Museumsgartens nutzbar.

Für die Mitarbeiter sowie für die Anlieferung ist ein separater Eingang im oberen Geschoss vorgesehen, der ebenerdig über die Zufahrtsstraße erreicht wird.

Der verdunkelbare Multifunktionsraum befindet sich an der Schnittstelle zwischen Forschungsbereich und Vortragssaal sowie in räumlicher Nähe zum Bibliotheksarchivraum. Das Funddepot verfügt über den gewünschten direkten Zugang zur Fundreinigung. Die weiteren dienenden Lagerräume und die Werkstatt befinden sich in direkter Nachbarschaft.

Die zusätzlich gewünschten Räume für den Hausmeister, das Reinigungspersonal sowie ein Erste-Hilfe-Raum wurden berücksichtigt.

Barrierefreiheit
Alle Aufenthalts- und Arbeitsräume und insbesondere der öffentliche Bereich sind ebenerdig erreichbar und barrierefrei gestaltet. Über den Aufzug im nichtöffentlichen Gebäudeteil sind beide Geschosse miteinander barrierefrei verbunden.

Statik und Baukonstruktion
Um sicherzustellen, dass der Neubau des Forschungszentrums mit der Nominierung des Glaubergs zur Aufnahme in das UNESCO-Welterbe verträglich ist, wurde das Gebäude nahezu vollständig in den Hang integriert.

Der Einsatz von Beton für die Wände, Decken und Bodenplatten gegen Erdreich ist statisch und bauphysikalisch erforderlich. Wo technisch sinnvoll, werden statisch relevante Bauteile im Innenraum aus Holz gefertigt.

Für die sichtbaren geschlossene Flächen der Fassade ist eine Schale aus Basalt vorgesehen. Dieser ortstypische Naturstein wurde auch im benachbarten Steinbruch abgebaut und stellt den Bezug zum Ort und zur frühkeltischen Siedlung her.

Vorbeugender Brandschutz
Neben der Welterbenominierung stellen die in der Auslobung formulierten Anforderungen der Feuerwehr ein weiteres, den Entwurf beeinflussendes Thema dar:
Die Zufahrt der Feuerwehr erfolgt über den nördlich gelegenen Weg entlang des Archäologischen Parks. Die Feuerwehraufstellfläche sowie die entsprechenden Flächen für das Wenden des Einsatzfahrzeugs sind innerhalb des vorgesehenen Baufelds ausgewiesen.

Das Forschungszentrum ist bauordnungsrechtlich in die Gebäudeklasse 3 einzustufen.
Das Gebäude kann in beiden Geschossen jeweils ebenerdig direkt ins Freie verlassen werden. Das Fluchtwegekonzept wird ergänzt durch einen Treppenraum sowie eine Außentreppe im Hof. Die Rettungsweglängen werden in allen Bereichen eingehalten.

Energiekonzept und Gebäudetechnik
Als Beitrag für den Klimaschutz und einen energieeffizienten Gebäudebetrieb werden unter Berücksichtigung der Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes die Zielsetzungen des EH40-Standards umgesetzt.

Die hoch gedämmte Gebäudehülle und die Speichermassen des Gebäudes bieten energetisch und raumklimatisch die optimalen Voraussetzungen für den effektiven Einsatz regenerativer Energieerzeugung über Wärmepumpe und Photovoltaik-Anlage. Hierdurch ergibt sich ein geringer Primärenergiebedarf.

Darüber hinaus ist die Umsetzung einer energieeffizienten Haustechnik geplant, die den Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes genügt und einen hohen Anteil an regenerativen Energien an der Energieversorgung ermöglicht.
Auf dem Dach des Pavillons ist, von außen nicht sichtbar, eine Photovoltaikanlage vorgesehen.
Für die Wärmeversorgung und die Kühlung des Gebäudes wird die Umsetzung einer Luft-Wasser-Wärmepumpe geplant. In Verbindung mit dem Solarstrom können hiermit die Warmwasserbereitung im Sommerhalbjahr und die Beheizung in der Übergangszeit weitgehend autark erfolgen.
Die Nutzung von Erdwärme (Geothermie) durch den Einsatz von Sole-Wasser-Wärmepumpen mit Erdsonden wäre alternativ umsetzbar,

Ergänzt wird das System durch eine Lüftungsanlage mit hohem Wirkungsgrad und einer Wärmerückgewinnung von mehr als > 75 %. Grundsätzlich können die Arbeitsräume auch natürlich über Fenster be- und entlüftet werden. Der sommerliche Wärmeschutz wird durch einen außenliegenden Sonnenschutz vervollständigt.

Natürliches Tageslicht ist in sämtlichen Räume vorhanden, die entsprechend der Auslobung natürlich belichtet werden sollen. Weitere Ausstattungsmerkmale sind veranstaltungs-, zeit-, präsenz- und tageslichtabhängige Lichtsteuersysteme und eine Regenwassernutzung für die WC-Anlagen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser*innen entscheiden sich – mit Blick auf eine Welterbenominierung – für eine Lösung, die sich im Landschaftraum weitgehend zurücknimmt. Der wesentliche Teil des Raumprogrammes wird in ein Untergeschoss integriert, welches sich in die vorgefundene Topografie des Hanges eingräbt. Die visuelle Integrität der potenziellen Welterbestätte scheint durch den Entwurf nicht beeinträchtigt zu sein.

Ein im Gegensatz zum Untergeschoss sichtbarer, oberhalb des Hanges angeordneter Baukörper wird in seiner Anmutung als Pavillon-artiges Gebäude ausgebildet. Die Verfasser*innen schreiben die vor Ort vorgefundene Freiraumplanung mit den im Museumsgarten eingestreuten Baukörpern weiter.

In der Konsequenz zeigt sich das Forschungszentrum als introvertiert organisiertes Haus. Um einen begrünten Innenhof sind der öffentliche Saal, ein Multifunktionsraum und die Werkstätten angeordnet, der Hof dient zur Belichtung und schafft gleichzeitig auch den richtigen Abstand unter den unterschiedlichen Nutzungen. Alle dienenden Funktionen liegen folgerichtig entlang der eingegrabenen Außenwände in den dunklen Bereichen. Die WC- Anlagen sind sowohl vom Außenbereich wie auch vom Foyer zu erreichbar gut positioniert.

Im Obergeschoss befinden sich die Büroflächen und der Sozialbereich, im Gegensatz zum fast verborgenen Untergeschoss zeigt sich das Forschungszentrum hier leicht und offen unter einem schwebenden Dach.

Zu der sensiblen Verteilung der Baumassen gehört ein präziser Umgang mit der Erschließung und Wegeführung. Konsequenterweise wird der Zugang für die Mitarbeiter auf der Ebene der Büros im Obergeschoss verortet. Eine vertikale Erschließung in Eingangsnähe verbindet beide Ebenen auf selbstverständliche Weise. Zugleich ist, vom Museumsgarten kommend, der öffentliche Zugang zum Saal als Einschnitt in das Gelände gut gewählt. Die Inszenierung durch die seitlichen Aufweitungen wird vom Preisgericht jedoch kontrovers diskutiert, hier könnte man sich eine selbstverständlichere Eingangssituation und eine stärkere Präsenz des Saales vorstellen.

Die Anordnung der unterschiedlichen Funktionsflächen wird aus Nutzersicht positiv bewertet. Der Entwurf zeigt ein gutes Verhältnis von Nutz- und Verkehrsflächen.

Die vorgeschlagene Materialisierung ist sorgfältig gewählt. Während die unterirdischen erdberührenden Bauteile in konstruktiver Notwendigkeit aus Beton hergestellt sind, werden die weiteren tragenden Elemente als Holzbau ausgebildet. Für die Fassade wird der Einsatz von Basalt, der in unmittelbarer Nähe abgebaut wird, vorgeschlagen, hierdurch wird ein weiterer Bezug zum Ort hergestellt.

Der Entwurf führt den Außen- und Innenraum zu einer Einheit – hierfür stehen z.B. die sorgfältig geführten Wege, die den Museumsgarten über das Foyer und den Vortragssaal mit dem Hof verbinden. Der Hof als Patio steht stellvertretend für einen kommunikativen Ort mit einer zurückhaltenden Begrünung durch Gehölze. Der Eingang der Mitarbeitenden im nördlichen Gebäudeteil wird durch proportional angemessene Wegeflächen erschlossen und durch die FW-Aufstellfläche mit Rasengittersteinen ergänzt. Ob und inwieweit eine Flächenretention auf den unterbauten Flächen zum Beispiel das Regen- oder Hangwasser fassen kann, wäre im weiteren Prozess zu prüfen. Prägend ist die bis zu 3m hohe Stützmauer als Schichtmauerwerk nördlich des Gebäudes.

Präzisierende Aussagen zur Ausstattung, so beispielsweise des Mobiliars oder der Erweiterung des Spielplatzes im Außenraum und deren Erschließung oder Absturzsicherungen oberhalb des Haupteinganges wären zu erbringen.

Die Anforderungen des Landes Hessen betreffend Energieeffizienz und Ökologie können mit dem vorliegenden Entwurf sehr gut erfüllt werden. Gemäß der Bewertung mittels SNAP erfüllt der Entwurf in großem Umfang ausgewählte BNB-Vorprüfkriterien.

Die Dachflächen des zweigeschossigen Gebäudeteils sind mit einer PV-Anlage belegt, was positiv gewertet wird. Die vorgesehene PV-Fläche weist im Teilnehmerfeld ein durchschnittliches Potential an Eigendeckungsgrad auf. Die Technikflächen erscheinen für die vorgesehene Anlagentechnik auskömmlich.

Die Ausführung des Innenausbaus und statisch relevante Bauteile im Innenraum in Holzbauweise wird positiv gewertet, wenngleich der Entwurf für die Decken keine Substitution mittels Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen beschreibt. Insgesamt scheint der Entwurf im Teilnehmerfeld einen höheren Energiebedarf aufzuweisen als der Durchschnitt.

Der Wettbewerbsbeitrag liegt – bezogen auf den vorgegebenen Kostenrahmen – in der vergleichenden Kostenbetrachtung etwas über dem Durchschnitt aller Wettbewerbsbeitrage und etwas über dem Wert der Vorgaben aus dem auf den aktuellen Kostenstand angepassten „0“-Projekt. Insgesamt stellt die Arbeit einen überzeugenden konzeptionellen Beitrag zum Umgang mit der Frage nach einem weiteren baulichen Eingriff an diesem landschaftlich einmaligen Ort dar.
Perspektive 02

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Präsentationsplan 01

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Präsentationsplan 02

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