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Einladungswettbewerb | 04/2024

Quartiersentwicklung LIA in Augsburg

Blick ind Quartier

Blick ind Quartier

1. Preis

Preisgeld: 22.200 EUR

asp Architekten GmbH

Stadtplanung / Städtebau

bäuerle landschaftsarchitektur + stadtplanung

Landschaftsarchitektur

moka-studio GbR

Visualisierung

MS Architekturmodelle

Modellbau

Erläuterungstext

Living in Augsburg

Nachhaltiges Wohnen und Arbeiten am Hettenbach
Auf dem innenstadtnahen Produktionsgelände der Firma Eberle im Augsburger Stadtteil Pfersee soll ein nachhaltiges Stadtquartier mit dem Fokus auf das Wohnen entstehen. Die seit 1836 immer wieder erweiterten Produktionsstätten auf dem Areal entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen an die Bandstahlproduktion, weshalb der Betrieb an einen anderen Standort im Stadtgebiet verlagert wird. Die Herausforderungen bestehen sowohl darin, das vormals introvertierte Grundstück in die bestehende Stadtstruktur zu integrieren und zu den umliegenden Quartieren hin zu öffnen, als auch die unter Denkmalschutz stehenden Bestandsgebäude mit neuen Nutzungen zu belegen und sie maßvoll mit Neubauten zu ergänzen. Der vorliegende Entwurf begegnet diesen Herausforderungen mit einem robusten Entwicklungskonzept, dass die schrittweise Transformation des Areals aufzeigt und ein nachhaltiges Wohnen und Arbeiten am Hettenbachs ermöglicht.

Grüner Rand – Starke Mitte
Die Grundidee des städtebaulichen Konzepts basiert auf einem Grünen Rand, der das Quartier saumartig umschließt. Im Norden integriert der Grüne Rand die bestehenden Gehölzstrukturen des Biotops. Im Westen und Süden folgt er dem Uferbereich des Hettenbachs, welcher die Grünstrukturen auf der anderen Gewässerseite mit einbezieht, sich zum Quartier hin situativ aufweitet und in die Wohnhöfe vordringt. An der Quartiersmitte öffnet sich der Grüne Rand in Form einer Quartierswiese großzügig zur ehemaligen Halle 13, die – zur Gemeinschafts- und Eventräumlichkeit umgenutzt – als Scharnier zwischen Grünraum am Hettenbach und Quartiersplatz fungiert. Der Quartiersplatz liegt gerahmt von Halle 13 und dem identitätsstiftenden Werks-Schornstein im Herz der Nachbarschaft und ist dank ansprechender Erdgeschossnutzungen sowohl bei Tag als auch Nacht ein belebter Treffpunkt. Zum Quartiersplatz gelangen zukünftige NutzerInnen und AnwohnerInnen über ein engmaschiges Fuß- und Radwegenetz, das die umliegenden Nachbarschaften – unter anderem über mehrere Stege über den Hettenbach – mit dem Quartier verknüpft.

Bedarfsgerechte Nutzungsmischung - Industriekultur erleben
Der Umgang mit dem industriellen Erbe des Areals kommt besondere Bedeutung zu. Neben dem Musealen Weg entlang des Hettenbachs, der sich der Firmengeschichte widmet, erfahren die denkmalgeschützten Industrie- und Verwaltungsbauten entlang der Eberlestraße durch kluge Nachnutzung eine Aufwertung. Vielfältige Raumstrukturen lassen neue Lebensorte entstehen, in denen Arbeiten, Wohnen und soziale Angebote eng miteinander verwoben sind. Ergänzt werden die Bestandsbauten durch kompakte Strukturen, die nahezu ausschließlich dem Wohnen dienen. Ihre Lage in unmittelbarer Nähe zum Uferbereichs des Hettenbachs ermöglicht hohe Wohn- und Aufenthaltsqualitäten. In den Baukörpern sind unterschiedliche Typologien vorgesehen, die Raum bieten für alle BewohnerInnen, unabhängig von Einkommen und Lebensphase. Dritte Orte dienen dem sozialen Austausch, der Aneignung und spontanen Treffen.

Aktive Freiräume – für Mensch und Klima

Zukunftsorientierte Stadtentwicklung soll nicht nur den Menschen, sondern auch der Natur zugutekommen und beides in Einklang miteinander bringen. Neben Fragen zum Umgang mit dem Klimawandel und rückläufiger Artenvielfalt steht die Qualität von Begegnungs- und Erholungsräumen im Vordergrund. Der Entwurf erreicht diese Qualität mit multikodierten Freiräumen, die Angebote für die Mittagspause und Freizeitaktivitäten beinhalten und so Begegnungsorte zwischen dem Quartier und den umliegenden Wohn- und Gewerbegebieten ausbilden. Darüber hinaus entwickelt der Entwurf ein robustes Netz an Grünräumen, die das Quartier durchziehen. Die dabei entstehenden, differenzierten Freiräume – Grünverbindungen, der Museale Weg, Rigolen, Retentionsflächen, Gartenterrassen und durchgrünte Dachflächen – bieten ein vielfältiges Angebot für Mensch und Natur und stärken die Identität des Ortes.

Das Quartier als Schwamm – klug gekühlt und auf Starkwettereignisse vorbereitet

Die über das Quartier verteilten Freiflachen sorgen für einen geringeren Versiegelungsgrad und eine effiziente blaugrüne Infrastruktur, die einen wichtigen Baustein der klimagerechten Stadtentwicklung darstellt. Durch den Umgang mit anfallendem Regenwasser auf dem Areal wird sowohl der Abfluss in die Kanalisation drastisch reduziert als auch die Kühlung des Quartiers gefördert und die Bewässerung der Vegetation gefördert. Das Konzept des Regenwassermanagements besteht dabei aus zwei wesentlichen Komponenten: Begrünte Dächer halten den Niederschlag für bestimmte Zeit zurück und reduzieren bei Sonneneinstrahlung die Temperatur der Gebäudehülle. Darüber hinaus ermöglichen Grünflächen, Mulden und Retentionsflächen die Rückhaltung und Verdunstung des Regenwassers im öffentlichen Raum. Zudem beinhaltet das Konzept die Nutzung von Grauwasser sowohl innerhalb des Gebäudes als auch außerhalb des Gebäudes, z.B. für die Bewässerung des öffentlichen Grüns. Auf diese Weise können große Laubbäume, die einen effizienten Beitrag zur Klimaanpassung im Quartier leisten, langfristig gesichert werden.

Ökologisch, ökonomisch und sozial – und auch noch zirkulär
Nachhaltigkeit bildet eines der Hauptmerkmale des Entwurfs. Das städtebauliche Konzept gibt klare Baukörper vor, die dank ihrer modularen Bauweise problemlos auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren und mit unterschiedlichen Konfigurationen ausgefüllt werden können. Der Lebenszyklusgedanke des zirkulären Bauens prägt die gesamte Planung und Ausführung des neuen Stadtquartiers. Bereits bei der Wahl der Materialien werden neben dem biobasierten Rohstoffe Holz so konsequent wie möglich Recyclingbaustoffe eingesetzt. Dem Konzept des Urban Minings folgend werden die Materialien aus den abgebrochenen Bestandsbauen – entweder in den neuen Baukörpern oder als Freiraumelemente – wiederverwendet. Konstruktion und Gebäudetechnik sind von Anfang an auf Demontage und Wiederverwertbarkeit ausgelegt. So können nach der Nutzungszeit des Gebäudes alle Materialien einfach getrennt und entweder erneut verwendet oder hochwertig recycelt werden. Module und wiederverwendbare Bauteile erleichtern den Rückbau. Mechanische Lüftungs- und Kühlungssysteme senken zudem den Energiebedarf der Gebäude drastisch. Photovoltaikanlagen sowie begrünte Dächer sind für alle Baukörper vorgeschrieben.

Gut angebunden – kurze Wege für alle

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilitätswende ist ein attraktiver Anschluss an den Umweltverbund unerlässlich. Ein engmaschiges Fuß- und Radwegenetz verbindet das Quartier mit der Innenstadt, den Einrichtungen des täglichen Bedarfs und den umliegenden Naherholungsgebieten. Der Parkierungsverkehr taucht unmittelbar nach der Zufahrt von der Eberlestraße in eine unterirdische Stellplatzanlage ab, so dass eine autoarme Quartiersentwicklung möglich ist. Ein Großteil der Radabstellflächen befinden sich in den Tiefgeschossen der Gebäude 2 und 3 sowie an dezentralen, über das Areal verteilten Orten. Der Hol- und Bringverkehr der beiden Kindertagesstätten am nördlichen Gebietsrand kann über die Zweibrückenstraße abgewickelt werden und so eine zusätzliche Verkehrsbelastung im Quartier vermieden werden. Während die Durchfahrt für den PKW-Verkehr durch das Gebiet nicht möglich ist, können die öffentlichen Bewegungsräume durchgängig von Müll-, Sonder und Rettungsfahrzeugen befahren werden. Deren Aufstellflächen ordnen konfliktfrei und ohne große Präsenz den öffentlichen Raum. Ein in Gebäude 3 gelegenes Logistik- und KEP-Zentren fängt den Großteil der Warenströme bereits an dem Quartierseingang ab. Hier übernehmen emissionsfreie Transportmittel wie Lastenräder, E-Scooter, Zustellroboter, E-Kleintransporter oder Drohnen kleinere Waren sowie Produkte und beliefern deren EmpfängerInnen.

Realistische Entwicklungsschritte – Bestand umnutzen

Das Phasenkonzept respektiert die historisch gewachsenen Strukturen und berücksichtigt die sich ändernden Anforderungen an den Ort. Nach dem Umzug der Produktionsstätten gilt das Augenmerk der Nachnutzung der zu erhaltenden Bestandsgebäuden sowie dem Bau der Tiefgarage, um den Stellplatzbedarf des Quartiers unmittelbar zu decken. In der zweiten Entwicklungsphase entstehen die beiden Kindertagesstätten am nordwestlichen Quartierseingang, um den Standort frühzeitig für Familien attraktiv zu gestalten. Ebenso erhalten Gebäude 1 und 7 ihre neue Nutzung. Im nächsten Bauabschnitt bilden die baulichen Strukturen südlich der Quartiersmitte und die umgenutzte Halle 13 das Herz des Quartiers aus. In der letzten Bauphase komplementieren vier Wohngebäude in attraktiven Uferlagen die Transformation des Eberleareals.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit mit dem Motto „Grüner Rand und starke Mitte“ bietet ein gut nachvollziehbares und überzeugendes Grundkonzept: Eine großzügige Ost-West-Raumspange schafft eine Verbindung zwischen dem Bestandsensemble und dem Mühl-Hettenbach. Die darin integrierte und zum Gemeinschaftsgebäude umgenutzte Halle 13 gliedert den Raum in einen urbanen Platz im Westen und eine Quartierswiese im Osten, die zugleich eine Verzahnung mit dem jenseits des Baches anschließenden Grünraum herstellt.

Das vorgeschlagene Erschließungssystem ist einfach strukturiert und gut nachvollziehbar. Die Bebauungsstrukturen reagieren richtig auf die unterschiedlichen Randsituationen. Nur südlich der Zweibrückenstraße kann die dargestellte Ausbildung der Randbebauung nur bedingt überzeugen. Die große Bebauungslücke im westlichen Teil mit dem im weiteren Verlauf anschließenden, langgestreckten Gebäude ist in ihrer Gesamtwirkung zu heterogen, um einen überzeugenden Abschluss des Quartiers ausbilden zu können. Zudem wird durch den westlichsten Baukörper die für die Eberlestraße bisher prägende Sichtbarkeit von Bau 2 geschwächt.

Die Gebäudehöhen sind grundsätzlich richtig gewählt. Auch die über die Vorgaben zur Bebauungshöhe hinausgehenden Teilbereiche der Randbebauung des zentralen Freiraumes scheinen dort, wo ein ausreichender Abstand zum Bestand gewahrt wurde, möglich zu sein, sollten jedoch im Detail sensibel abgestimmt werden.

Wohntypologisch werden winkel- und punktförmige Gebäudestrukturen angeboten, die zusammen in unterschiedlicher Konstellation offene, gut nutzbare Hofräume bilden. Lediglich der nordöstlich an Bau 2 anschließende kleine Hof erscheint etwas unterdimensioniert. Die Gebäudestellungen zu den Rändern nach Norden, Osten und Süden lassen ausreichend Platz für die Entwicklung eines qualitativ hochwertigen Grünraums. Die Freitreppenanlage zum Bach ist ein überzeugender Vorschlag für dessen Einbindung und Verzahnung.

Der Vorschlag einer einzigen großen Tiefgarage mit nur einer Ein- und Ausfahrt wird hinterfragt, Realteilung und Bauabschnittsbildung werden erschwert. Auch wird eine Unterbauung des neuen Quartiersplatzes vom Preisgericht kritisch gesehen. Das Gelände wird von zahlreichen Fuß- und Radwegen durchzogen, für deren Anbindung in benachbarte Quartiere gute Vorschläge unterbreitet werden. Besonders erwähnenswert ist die Ausbildung des musealen Weges entlang des Baches.

Das bauliche Flächenangebot liegt im geforderten Rahmen. Die Nutzungsverteilung ist nachvollziehbar. Die beiden Kitas sind städtebaulich richtig situiert, eine gute Erreichbarkeit - auch von außerhalb – ist gegeben. Eine Viergeschossigkeit für Kita-Gebäude jedoch - wie hier in einem Fall vorgeschlagen - scheint problematisch.

Die Bebauungsstruktur erlaubt, abgesehen von der Tiefgarage, eine gute abschnittsweise Realisierbarkeit. Die einfachen Bauformen lassen eine wirtschaftliche Realisierung erwarten.

Der öffentliche Grünflächenanteil der Arbeit liegt im unterdurchschnittlichen Bereich, entsprechend hoch ist der private Anteil. Ein dezidiert ausgearbeitetes ökologisches Freiraumkonzept aus Klimahöfen, Faunapassagen und Dachbegrünungen wird schlüssig mit einem detaillierten Wassermanagementkonzept verknüpft.

Die Arbeit erfüllt auch die Anforderungen des Denkmalschutzes. Lediglich der Traufabstand des Staffelgeschosses auf Bau 3 müsste in der weiteren Planung noch einmal geprüft werden.

Die Arbeit stellt einen überzeugenden und robusten Beitrag zur gestellten Aufgabe dar. Auf die große Bedeutung der nachfolgenden architektonischen Gestaltung speziell bei diesem qualitätvollen Entwurf wird ausdrücklich hingewiesen.
Lageplan

Lageplan

Isometrie

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Schnitte

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Strategien

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Model

Model

Modell

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