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Dialogisches Werkstattverfahren | 04/2024

Quartiersentwicklung ehemaliges Singer Areal in Würselen

Lageplan

Lageplan

3. Rang

pbs architekten Gerlach Wolf Riedel

Stadtplanung / Städtebau

3PLUS FREIRAUMPLANER Kloeters I Müller I Kastner PartGmbB Landschaftsarchitekten + Architekt

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Leitidee
Die Nachnutzung der ehemaligen innerstädtischen Produktionsflächen an der Kalkhalde setzt die vorhandenen Bebauungsstrukturen konsistent fort und reagiert mit einem Nutzungsmix aus Wohnen und Gewerbe an den richtigen Stellen auf die Nachbarschaft.
Der zentrale Quartiersplatz öffnet das Areal für alle Würselener und bindet die Grünfläche der Kalkhalde selbstverständlich in die Innenstadtstruktur ein.
So entsteht im Herzen der Stadt ein überzeugendes Quartier, das vorhandene Potentiale schöpft und die existierenden Strukturen an den entscheidenden Stellen behutsam in geeignetem Maßstab repariert.

Städtebauliches Konzept
Die geplante Bebauung setzt vorhandene Strukturen im Sinne einer Blockbildung fort und ist grundsätzlich IV-geschossig zzgl. Staffelgeschoss geplant. An den Übergängen zur vorhandenen Bebauung der Bahnhofstraße passen sich die geplanten Baukörper durch die Reduktion ihrer Geschossigkeit an.
Drei VI-geschossige Hochpunkte der Bebauung unterstreichen die Bedeutung des Quartiersplatzes sowie den Zugang an der Bahnhofstraße.
Am Kreuzungspunkt der öffentlich nutzbaren Hauptwege entsteht ein großzügiger Quartiersplatz, der der gesamten Öffentlichkeit zugänglich ist und mit geeigneten öffentlichen Nutzungen und einem Sonderbaukörper bespielt wird.
Vom Quartiersplatz aus setzt auch die neue, ebenfalls öffentliche Verbindung auf die Kalkhalde an. Sie wird derart in die Innenstadtstruktur Würselens integriert als innerstädtische Grünfläche mit Bezug zur industriellen Stadtgeschichte.

Erschließung und ruhender Verkehr
Das Grundstück wird größtenteils autofrei erschlossen. Alle PKW der Anwohner, Besucher und Kunden finden Platz in dem Mobility Hub an der Kaiserstraße oder in der Tiefgarage an der Bahnhofstraße. Einzelne Parkplätze in der grünen Quartiersstraße ergänzen das Parkangebot.
Rettungsfahrzeuge und Feuerwehr bzw. Müllabfuhr haben selbstverständlich Zugang zu allen Gebäudezugängen. Die Warenanlieferungen für die Gastronomie, der Kita und des Lebensmitteladen erfolgt über die Bahnhofstraße in Richtung Quartiersplatz, um dann entlang des Mobility Hub aus dem Quartier zu fahren.
Für Fußgänger und Radfahrer gibt es klare Wegeverknüpfungen innerhalb des Quartiers, aber auch Verknüpfungen aus dem Quartier in die umliegenden Straßen sind vorhanden.

Nutzungsverteilung
Die Nahversorgung in Form eines Lebensmittelladens und eines Drogerieladens sind entlang der Kaiserstraße angeordnet und ergänzen die Angebote. Das Mobility Hub in Form eines klassischen Parkhauses in Kombination mit Car-Sharing und Fahrradgarage befindet sich direkt neben dem Lebensmittelladen in „zweiter Reihe“. Zwischen Bahnhofstraße und Kalkhalde erweitern Mehrfamilienhäuser das Wohnangebot. Der zentrale Mittelpunkt des neuen Quartiers stellt der Quartiersplatz dar. Ein Cafe, ein Restaurant, eine Kita und ein Quartiersbüro beleben den Platz und ergänzen die bereits vorhandene innerstädtischen Plätze. Die Reihenhäuser im Norden des Grundstücks schaffen attraktiven Wohnraum für Familien mit Blick auf die Kalkhalde.

Freianlagen
Die vier Erschließungsachsen, die sich in der Mitte des Quartiers treffen und den Quartiersplatz bilden, werden gesäumt von Bäumen und Pflanzflächen. Den Auftakt bildet die Eingangssituation von der Kaiserstraße. Mit Blick auf die Halde und den zukünftigen Platz gelangt man entlang einer Mauer mit historischen Fotodrucken in das Quartier. Geschichte und Gegenwart sind hier unmittelbar nebeneinander erlebbar. Die südlichen Achsen von der Bahnhofstraße bilden den Eingang in das Wohnquartier. Großzügige Vorgärten und Baumreihen säumen die Wege. Der Quartiersplatz ist ein Treffpunkt für alle Würselener und natürlich auch darüber hinaus. Der wassergebundene Platz wird gefasst von Bäumen, versetzte Wasserbänder auf dem Boden werden gerade im Sommer zum Anziehungspunkt. Die versetzten Sitzbänke an der Halde setzen das Konzept vom Dreiecksplatz fort und bilden einen gelungenen Rahmen auch für Veranstaltungen. Die Kalkhalde wird über eine Wegeverbindung erlebbar gemacht. Einen Abenteuerspielplatz zwischen den Ebenen und einen Trimm-Dich-Pfad auf der Halde aktivieren diesen schönen Ort in der Mitte von Würselen. Für die Kleinkinder gibt es einen „ruhigen“ Spielplatz hinter der Kita. Eine besondere Rolle für junge Leute bildet die Freifläche auf dem Dach des neuen Mobility Hubs. Auf ihr entsteht ein urbaner Raum mit einem Sportfeld und Treffpunkt für Jugendliche. Neben den öffentlichen Freiflächen hat jeder Wohnbereich seine privaten Freiflächen. Jedes Wohncluster erhält im inneren Hofbereich seinen eigenen Spiel- und Pflanzbereich für die Bewohner.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit schlägt als städtebauliche Struktur ein Quartier aus vier unterschiedlich großen Baufeldern vor. Diese knüpfen teilweise an den Bestand an und integrieren sich nachvollziehbar in die bestehende Stadtstruktur.

Diese zunächst nachvollziehbare Strategie ist aber nur gering ausdifferenziert – die Baufelder wirken, aus ähnlichen bis typologisch identischen Baukörpern gebildet, wenig adressbildend. So sind beispielsweise die räumlichen Ausprägungen zur Bahnhofstraße, zu den Gassen und die zum Freiraum der Halde, mit je gleichen grünen Vorzonen identisch.

Die sich teilweise gegenüberliegenden Lücken zwischen den einzelnen Baukörpern führen zu wenig ausgebildeten Zuordnungen von öffentlichem und privatem Raum. Im Gesamten entsteht eher der Eindruck einer Siedlungstypologie als eines gemischten Stadtquartiers.

Die Wohntypologien und der Mix des Wohnungsangebots erscheinen dagegen vielfältig und aktuell marktgängig – weisen aber nur eingeschränkt Innovationspotenzial sich wandelnder Wohnanforderungen auf. Diese Wohnungsvielfalt in einer adressbildenden Art stadträumlich nutzbar zu machen fehlt hingegen. Die Integration von „eigentumsorientierten“ Wohnformen (EFH) wird positiv diskutiert.

Die drei gemeinschaftlichen Hof- bzw. Freiräume in den Baufeldern sind eher als Benutzerräume den Bewohnenden zur Verfügung gestellt. Sie erscheinen maßstäblich angemessen und funktional als drei unterschiedliche kleine Nachbarschaften. Der hohe Anteil an „versiegelten Flächen“ (TG) beeinträchtigt die Qualität der Wohnhöfe und wird kontrovers diskutiert. Wohnungen in den Hof zu entfluchten erscheint je nach Geschoss, nicht sinnvoll, da Rettungsflächen die Qualität der Höfe stark beeinträchtigen würden – ein funktionaler Mangel, der allerdings leicht optimiert werden kann.

Der Auftakt an der Kaiserstraße liegt gut und ist angemessen proportioniert. Drogeriefläche und Lebensmittelmarkt räumlich zu trennen ist allerdings, aus Sicht der Betreibenden, aufgrund des zu erwartenden Nutzerverhalten, nachteilig.

Die Aufreihung der Nutzungen Einkaufen / Parken / Kita an der Erschließung ins Quartier zum Quartiersplatz hin erscheint programmatisch logisch, ist aber wenig qualitativ, besonders im Kitaumfeld zum Mobilitätshub. Die Lage der Kita, nördlich des Quartiersplatzes, führt zu einer sehr ungünstigen, überwiegend verschatteten Nordlage des zugeordneten Freiraums. Die solitäre Situation der Pavillon-Gastronomie unterstreicht diese „Aufteilung“ der Nutzungen.

Insgesamt erscheint das Projekt als ein robuster Entwurf, der eine angemessene städtebauliche Antwort in der bestehenden Stadtstruktur liefert, ohne besondere räumliche Akzente zu setzen.
Vogelperspektive

Vogelperspektive

Quartiersplatz

Quartiersplatz

Innenhof

Innenhof