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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2024

Neubau Justizzentrum Köln

Blick von der Luxemburger Straße über den Boulevard der Justiz

Blick von der Luxemburger Straße über den Boulevard der Justiz

3. Preis

Preisgeld: 165.900 EUR

JSWD Architekten

Architektur

GINA Barcelona Architects

Architektur

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

BFT Cognos

Brandschutzplanung

BSV Büro für Stadt- und Verkehrsplanung Dr.-Ing. Reinhold Baier GmbH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Zur Idee/Städtebau
Mit dem Neubau des Justizzentrums entsteht ein Häuserensemble, das sich selbstverständlich mit dem Grüngürtel und der südlich angrenzenden Bebauung verzahnt und sich bürgernah als Campus positioniert. Das Wegenetz des Grüngürtels zieht sich zwischen den einzelnen Gebäuden durch das gesamte Quartier und rückt damit auch die Bestandsbauten an den Grüngürtel heran. Die Idee solitärer Häuser im Park relativiert die Baumasse und reduziert mögliche Schwellenängste – die Öffentlichkeit wird eingeladen, sich dem Justizcampus von allen Seiten zu nähern. Die Nutzungsbausteine Landgericht/Amtsgericht, Staatsanwaltschaft und Saalgebäude werden jeweils in einem Haus abgebildet. Sie erhalten separate Zugänge am Boulevard der Justiz und sind schon von der Luxemburger Straße aus einsehbar. Das ermöglicht allen BesucherInnen und MitarbeiterInnen eine einfache Orientierung. Die Foyers öffnen sich weiträumig verglast in den öffentlichen Raum und verzahnen sich annähernd schwellenlos mit dem vorgelagerten Boulevard. In der Ebene 0 werden alle Häuser über eine großzügige und mit Tageslicht versorgte Magistrale kreuzungsfrei miteinander verbunden. Der Campus kann in bis zu vier Bauabschnitten wachsen und trägt damit einer großen Flexibilität bei der Realisierung des anspruchsvollen Projektes Rechnung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch einen ganzheitlichen, konzeptionellen Ansatz aus. Das Konzept nimmt Bezug zu den prägenden Typologien und Maßstäben des städtebaulichen Umfelds und fügt sich selbstverständlich in den Stadtraum ein. Zum Park entwickelt sich eine Raumkante mit leicht versetzten Baukörpern, nach Süden vereinzeln sich diese und schaffen einen respektvollen Abstand zu der angrenzenden Bebauung. Durch die geschickte Auffächerung der Bebauungsstruktur und die Erweiterung des Grünraums orientieren sich die Neubauten zum Park und der Luxemburger Straße und schaffen eine gute Wahrnehmung für die Öffentlichkeit. Die gesamte Bebauung setzt sich aus drei in den Höhen gestaffelte Solitäre zusammen, die konsequent die unterschiedlichen Nutzungsbausteine Landgericht / Amtsgericht, Staatsanwaltschaft und Sitzungssäle aufnehmen. Zwischen den Baukörpern werden grüne Fugen ausgebildet, die Wegeverbindungen von dem Grüngürtel im Norden zum angrenzenden Quartier im Süden schaffen und gleichzeitig die Bauten des Justizzentrums öffentlich erlebbar machen. Besonders gelungen ist die Adressbildung des Ensembles und der Einzelbausteine, die alle von der Luxemburger Straße aus gut sichtbar sind. Mit großzügigen Gebäudeunterschnitten werden die drei Eingänge zum Park und dem geplanten „Justiz-Boulevard“ hervorgehoben. Im Untergeschoss schlagen die Verfassenden eine „Magistrale“ vor, die alle Baukörper und Nutzungen miteinander verbindet. Auch wenn die unterirdische Verbindung Vorteile für die freistehenden Gebäude und den städtebaulichen Entwurf schafft, wird dieses hinsichtlich der Funktionalität und räumlichen Qualität äußerst kritisch bewertet. Grundsätzlich fehlt ein angemessener barrierefreier Zugang.

Der starke Auftritt der verschiedenen Nutzungsbausteine wird städtebaulich und architektonisch positiv bewertet, die getrennten Zugänge und damit verbundenen Sicherheitskontrollen werden allerdings als zu aufwendig eingeschätzt. Der klare Hof-Typus als Grundmodul für die einzelnen Solitäre schafft optimale Voraussetzungen für die unterschiedlichen Nutzungsbausteine und jeweiligen Grundrisse. Die Grundrisse verfügen jeweils über zentrale Erschließungskerne und Ringerschließungen mit klaren Raumstrukturen, die in der weiteren Umsetzung flexibel bleiben. Das Raum- und Funktionsprogramm ist grundsätzlich gut umgesetzt, wird aber in der Flächenausweisung teilweise unterschritten bzw. es werden die erforderlichen Qualitäten nicht nachgewiesen. Kritisch bewertet wird die Unterbringung der Poststelle, Druckerei und Bücherei in unbelichteten oder nicht ausreichend belichteten Räumen im Untergeschoss. Für die Fassaden wird ein einheitliches Gestaltungs- und Materialkonzept vorgeschlagen, mit leichten Differenzierungen in der Gliederung, die die unterschiedlichen Inhalte zum Ausdruck bringen. Ob das vorgelagerte freistehende Element nachweislich als passiver Sonnenschutz erforderlich oder funktionslos als Gestaltungselement berechtigt ist, wäre hinsichtlich des konstruktiven, baulichen und wirtschaftlichen Aufwands grundsätzlich zu überprüfen. Die Erschließung der Tiefgaragen, die Gefangenenzuführung sowie die Anbindung an die Wirtschaftshöfe ist in dem Gesamtkonzept schlüssig gelöst. Nicht nachgewiesen ist die für den 1. Bauabschnitt notwendige zweite Ausfahrt der Tiefgarage. Die vorgesehene Unterbauung mit drei Untergeschossen wird als zu aufwendig eingeschätzt. Für die zukünftige Erweiterung des Justizzentrums wird im Süden ein Solitär vorgeschlagen, der das Ensemble selbstverständlich ergänzt. Durch die geschickte Setzung der Einzelbaukörper fügt sich die Bebauung bereits im 1. Bauabschnitt städtebaulich eigenständig in den Kontext ein. Die Stärke des Entwurfs liegt in dem konsequenten städtebaulichen und hochbaulichen Ansatz und der klaren Haltung, das Justizzentrum selbstverständlich in den Stadtraum und der öffentlichen Wahrnehmung zu implementieren. Die Verfassenden schlagen an der Nordseite des Gebäudeensembles den "Boulevard der Justiz" vor, eine mit grünen Intarsien bespielte Bewegungsfläche. Der Boulevard bindet die Neubauten sowohl an die Luxemburger Straße, die Rudolf-Amelunxen-Straße und den inneren Grüngürtel an. Obwohl die grünen, polygonalen Intarsien gut geeignet sein könnten, um die Bewegung auf dem Boulevard zu leiten und dabei Räume mit Aufenthaltsqualität zu schaffen, ist ihre Dimensionierung und ihre Komposition nicht ausreichend durchgearbeitet, um raumbildnerisch wirksam zu werden. So wirken sie zu klein und zu gleichmäßig verteilt, um eine räumliche Präsenz zu entwickeln. Die ankommenden Parkwege stoßen unvermittelt auf den Boulevard, auch hier hätten die Intarsien genutzt werden können, um einen Übergang der Maßstäbe von den Parkwegen auf den groß dimensionierten Boulevard zu gestalten. Die Arbeit schlägt vor, den Boulevard der Justiz auf eine Höhe von 52.00 üNN anzuheben, um einen niveaugleichen Übergang zwischen Park und Gebäude zu schaffen. Eine solche massive Aufschüttung von 3 Metern wird kritisch diskutiert. Die Rampe zur Untertunnelung der Luxemburger Straße müsste sich aufgrund der Aufschüttung verlängern und ist im Plan nicht in ihrer tatsächlichen Dimensionierung dargestellt. Lobend wird hervorgehoben, dass die Freiraumfuge zwischen den beiden Bauabschnitten ohne TGEinfahrt auskommt. Ebenfalls positiv hervorgehoben wird das Angebot der Grünverbindung Richtung südliches Quartier. Die Anfahrbarkeit der beiden Wirtschaftshöfe und der Zufahrt für den Gefangenenbus wird kritisch diskutiert. Die Grundrissorganisation ermöglicht ein hohes Potential natürlicher Belichtungs- und Belüftungsmöglichkeiten. Ebenso wird das Grundkonzept der Hüllkonstruktion der Außenfassaden positiv bewertet, da es einen guten Rahmen für eine differenzierte Ausarbeitung, je nach Nutzung erforderliches Belichtungs- und Belüftungskonzepten ermöglicht. Der Ansatz einer einfachen Fassadenkonzeption ohne hohen Steuerungsaufwand wird begrüßt, wäre jedoch in der Effizienz nach Orientierung und Position im Gebäude zu prüfen.

Bedauert werden die hohen Verglasungsanteile in den Innenhöfen. Hierbei wäre ein differenzierter Umgang in Verbindung mit der vertikalen Lage wünschenswert gewesen. Die Integration der wesentlichen Technikflächen vor allem in Konkurrenz mit aktiven Solarflächen oder einem ressourceneffizienten Umgang mit Untergeschossen ist nicht ablesbar. Alle Gebäudeteile werden in Holzskelettbauweise mit HBV-Decken ab dem 1. Obergeschoss vorgeschlagen. Bei der Planung lose verlegtem Deckenaufbau bestünde die Möglichkeit, dass die HBV-Decken sogar wiederverwendet werden können, wenn die Planung eine hohe Zirkularität anstrebt. Der Deckenaufbau wird nicht weiter betrachtet, der gezeigte Hohlraumboden kann aber zirkulär konstruiert werden. Die opaken Fassaden sind Holzfertigteile in Modulbauweise mit einer Hanfdämmung und Bekleidung durch thermisch behandelte Eiche. Ein vorgestelltes 2-geschossiges Regal aus Betonfertigteilen dient als Sonnenschutz als auch Wetterschutz der Holzfassade. Wenn das Fassadenmodul in lösbarer Weise den Ausbau der Hanfdämmung erlaubt oder eine Dämmung aus Holzwerkstoffen vorsieht, ist nach heutigem Stand der Technik zwar ein Downcycling zu Holzwerkstoffen möglich, doch die übliche thermische Verwertung von Holzbauteilen wird vermieden. Es ist keine Aussage zur Fügungsmethode der Bauteile benannt, aus diesem Grund kann ein Urban Mining zu diesem Zeitpunkt nicht bewertet werden, wäre aber grundsätzlich mit den ausgewählten Materialien in hohem Maße möglich. Insgesamt hat diese Arbeit in der Komplexität ein gutes Potential für die Umsetzung des neuen Justizzentrums.
Lageplan M 1-500

Lageplan M 1-500

Foyer des Zivilbereichs

Foyer des Zivilbereichs

Blickbezug aus dem Grüngürtel

Blickbezug aus dem Grüngürtel