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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2024

Revitalisierung Brinkhaus-Areal in Warendorf

Blick auf dem Platz

Blick auf dem Platz

Anerkennung

Preisgeld: 7.500 EUR

REICHER HAASE ASSOZIIERTE GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Förder Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

GRUNDIDEE
Das Brinkhaus-Areal definiert ein neues Gegenüber von Altstadt und Parklandschaft im Zeichen der Textilindustriegeschichte des Ortes. Unter Einbezug der historischen Bausubstanz wird der Altstadt-Rundling auf der Emsinsel fortgesetzt und komplettiert. Hierbei wird das Motiv der Altstadtgärten zur Ems aufgegriffen und neu interpretiert. Gleichzeitig wird die einzigartige freiräumliche Lage der Emsinsel durch die bestehenden Freiraumqualitäten über das Brinkhaus-Areal verbunden. Großflächige Entsiegelungen und Dachbegrünungen steigern den stadtklimatischen und ökologischen Wert des Raumes.

STÄDTEBAU UND NUTZUNGEN

Das Brinkhaus-Areal orientiert sich in seiner Ausprägung an der besonderen Lage auf der Emsinsel. Die südlich verlaufende Ems, der nördlich angrenzende Emssee, die im Osten befindliche Parklandschaft und der westlich angrenzende Lohwall machen den Ort in seiner Lage und Umgebung wirklich einzigartig.

Um dieser Vielschichtigkeit gerecht zu werden gliedert sich der Städtebau und damit auch der Freiraum in aus den Qualitäten der Umgebung entwickelte Bereiche. Die Grundfigur des bebauten Teils des Brinkhaus-Areals leitet sich aus dem Altstadt-Rundling ab. Die übergeordnete stadträumliche Form wird auf der Insel weitergeführt, um die Freiraumkante der Parklandschaft zu definieren.

Gegliedert wird das neue Quartier durch eine Abfolge von öffentlichen Räumen: der Stadtplatz und der Grüne Anger von Westen nach Osten und die Nord-Südverbindung von der Altstadt zum Langgestüt. Zwischen diesem Grundgerüst entstehen verschiedene Baufelder, die die Dimension und Kleinteiligkeit der Altstadt aufnehmen.

Die besondere Geschichte des Ortes wird in den unterschiedlichen, erhaltenen Gebäudeteilen sichtbar. Alle Bestandsgebäude werden in eine klare Grundstruktur von Baufeldern integriert, die unterschiedliche besondere Wohnqualitäten erzeugen. Der Auftakt der alten Wagenhalle wird in ein Ensemble mit Hotel zum Stadtplatz und Quartiersgare eingebunden. Das Hotel mit 42 Zimmern bespielt mit seiner Außengastronomie im erhaltenen Pförtnerhäuschen und Tagungsräumen im Erdgeschoss den Stadtplatz.
Entlang der Ems wird das ortstypische Motiv der Emsgärten aufgegriffen. Das Wohnen öffnet sich mit seinen grünen Innenbereichen zum Wasser und verbindet damit die besonderen Qualitäten des Ortes mit vielfältigen Wohnangeboten in bestehenden und neuen Gebäuden: Maisonette-Loftwohnungen in der Bestandshalle südlich des grünen Angers, Baugruppen, freifinanziertes und gefördertes Wohnen sowie Baugruppen. Das nördliche Rückgrat bildet das Lagergebäude. Es wird erhalten und durch kulturelle Nutzungen im Erdgeschoss sowie Atelierwohnungen mit Dachgärten in den Obergeschossen umgenutzt. Verbunden durch die Alte Weberhalle und einem neuen nördlichen Abschluss für Cluster-Wohnen entsteht eine attraktive Adresse am Park. Insgesamt werden so 224 Wohneinheiten geschaffen. Ergänzend können gewerbliche, gemeinschaftliche und kulturelle Nutzungen, insbesondere in den Bestandsgebäuden eine Ergänzung zum Nutzungsmix der Altstadt darstellen.
Die Architektur greift die örtlichen Traditionen auf. Beständige Klinkerfassaden und die differenzierte Dachlandschaft fügen sich in den Kontext ein und bilden gleichzeitig ein ablesbares Gegenüber von Alt und Neu. Die Qualitäten von Altstadt und Textilindustrie werden an diesem besonderen Ort miteinander verbunden. Gegenüber der Altstadt entsteht eine dreigeschossige Bebauung. Die Kante zum Park ist drei- bis viergeschossig.

FREIRAUM

Die südlich angrenzende Altstadt ist der Impulsgeber für die Gestaltung des Stadtplatzes und der urbaneren südlichen Promenade. Hier wird die Verbindung von der Altstadt zum Stadtplatz, also zum neuen Quartier ermöglicht und gestalterisch hervorgehoben. Der neue Stadtplatz „Platz der tausend Daunen“ wird zum Trittstein zwischen Altstadt und neuem Quartier. Durch gestalterische Zitate, wie z. B. einen an Daunenfedern erinnernden, grafischen Bodenbelag, wird eine Verbindung zur Historie des Ortes geschaffen. Sitzstufen und eine Kanu-Rutsche entlang der Ems machen das Wasser erleb- und erfahrbar. Die Außengastronomie bespielt den Ort nachhaltig und das Wasserspiel auf der Platzfläche kann für Events abgestellt werden, sodass viel Raum für Veranstaltungen entsteht.

Die in der Warendorfer Position festgehaltene Absicht einer durchgehenden Parklandschaft wird aufgegriffen und ist der maßgebliche Impuls für die nördliche Quartierskante. Die Parklandschaft wird fortgeführt, wobei der Fuß- und Radweg in Abstand zur ökologisch wertvollen Uferzone geführt wird und im Bereich der neuen Außengastronomie am Park zum Quartier verschwenkt. So werden die Erschließungen gebündelt und die Bespielung der Außengastronomie wird durch die Fahrradtrasse unterstützt. Im Bereich der alten Halle, welche entkernt wird und als Gerüst stehen bleibt, wird der Mehrgenerationenplatz „Alte Weberhalle“ etabliert. Ein Spielplatz, Bewegungsangebote und Gemeinschaftssportangebote bilden hier in Zusammenhang mit dem Grünen Anger, dem grünen Quartiersplatz vor historischer Fassade, das identitätsstarke und generationen-übergreifende Herz des neuen Quartiers.

Inspiriert durch die aktuell vorhandene Obstwiese im Emsseepark wird im östlichen Teil eine großzügige Obstwiese etabliert. Diese soll neben einer Förderung der Umweltbildung und Biodiversität für alle Bürger zu Verfügung stehen und durch partizipatorische Events wie Obstbaumschnittworkshops das neue Brinkhaus-Areal mit dem bestehenden Warendorf verbinden. Die Erschließung des Bestandsgebäudes im Osten wird über das Quartier ermöglicht.

Die Gestaltung innerhalb des Quartiers folgt dem Gedanken die ortsprägende dichte Natur der Uferbereiche in die Wohnhöfe zu übersetzen. Eine Wegeführung, die in ihrer Gestaltung die Wohnhöfe zusammenhält, erstreckt sich über das gesamte Quartier. Entlang der halb-privaten Wege fördern Sitzangebote das nachbarschaftliche Miteinander und Spielangebote, sowie ein Angebot für gemeinschaftliches Gärtnern komplettieren eine gemeinschaftliche Wohnatmosphäre.

Innerhalb des neuen Quartieres wird die „Textilspur“ etabliert. Im Bereich der erhaltenden Bestandsgebäude werden Kunstelemente und Relikte der Textilindustrie positioniert. Diese Elemente erzählen in Verbindung mit den Bestandsgebäuden und erläuternden Worten die Geschichte des Ortes. So bleibt diese trotz einer umfangreichen Revitalisierung des Areals bestehen und weiterhin spürbar.

NACHHALTIGKEIT

Folgende Aspekte tragen zur Steigerung der Nachhaltigkeit bei:
- Großflächige Entsiegelungen und Dachbegrünung
- Regenwasserrückhalt und Bewirtschaftung im öffentlichen Raum und auf privaten Flächen (Schwammstadtprinzip)
- Erhalt der Bestandsbäume und Ergänzung von Bäumen und Grünflächen zur Verbesserung des Stadtklimas und Steigerung der Biodiversität
- Nutzung nachhaltiger und beständiger Baumaterialien (Holz, Klinker)
- Einsparung von grauer Energie durch den Erhalt von Bestandsgebäuden
- Mobilitätskonzept mit Fokus auf Rad- und Fußverkehr, Sharing-Angeboten
- Vielfältiger Nutzungsmix für ein lebendiges Quartier
- Unterschiedliche und flexible Wohnungsangebote, inklusive gefördertem Wohnungsbau

ERSCHLIESSUNG

Die Erschließung erfolgt über den zentralen Quartiers- und Emsparkeingang im Nordwesten. Hier werden die öffentliche Zufahrt und die Parkpromenade gebündelt. In direkter Nähe zum Quartierseingang nimmt die Quartiersgarage die notwendigen Stellplätze der gewerblichen und Wohnnutzung auf.
Ein dichtes Netz von Fuß- und Radwegen nutzt das Potenzial der fußläufigen Anbindung an die Altstadt, sowie die Einbindung in das übergeordnete Radwegenetz. Radabstellanlagen werden in die Erdgeschosszonen der Gebäude integriert.
In der Quartiersgarage werden Sharing-Angebote vorgehalten.

PHASIERUNG

Die Entwicklung des Quartiers erfolgt aus dem Bestand heraus. Bestehende und weitere Zwischennutzungen können bis zur Umstrukturierung die Bestandsgebäude bespielen. Im ersten Schritt erfolgt der Abriss der nicht mehr benötigten Gebäude und die Herstellung des Parks auf der freigeräumten Fläche. Darauf folgt die Inwertsetzung des Bestandes und die Einrichtung der Infrastruktur. Den Auftakt bildet das Hotel mit der Quartiersgarage. Die weiteren Baufelder können unabhängig voneinander flexibel als einzelne Bausteine entwickelt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Eine Stärke der Arbeit liegt in der Öffnung zur Altstadt, die durch Blicke auf die Ems eine hohe Qualität für die Wohnbebauung schafft. Der Stadtplatz ist ein eindeutiger Auftakt in das Quartier und setzt die denkmalgeschützte Fassade angemessen in Szene.
Der Mobilitätshub ist richtig verortet und ermöglicht die Unterbringung des ruhenden Verkehrs direkt auf der Emsinsel. Die Verbindung von Nord nach Süd greift den Wunsch der Stadt Warendorf auf und ist eindeutig herausgearbeitet. Die nördliche Erschließung wird dagegen kontrovers diskutiert: Während die Abzweigung des Radverkehrs und die mäanderartige Leitung des MIV eine verkehrsberuhigende Wirkung haben, bleibt die Ansicht der erhaltenen Industriehalle am Ende der Sichtachse unklar.
Die Plätze sind städtebaulich gut verortet und hinsichtlich ihrer Nutzung differenziert ausgearbeitet. Neben dem Stadtplatz macht der „grüne Anger“ den Industriecharakter erlebbar und erinnert an den ehemals vorhandenen Innenhof. Wer die Elbinsel mit dem Fahrrad passiert, findet an einem kleinen Platz – ausgerichtet zur nördlichen Wasserkante – eine Fahrradwerkstatt und ein gastronomisches Angebot mit Außenbewirtung.
Die Bebauung greift die Höhen der Altstadt auf und ermöglicht damit funktionsfähige Wohnhöfe und private Gärten. Satteldächer sollen einen Bezug zur Altstadt herstellen, vermögen jedoch mit ihrer wechselnden Firstrichtung nicht zu überzeugen. Auch die Kleinteiligkeit der Wohnbebauung im Südosten wird kritisch gesehen.
Die Arbeit liegt mit der Anzahl der Wohneinheiten durch eine Umnutzung der Bestandshallen für Wohnzwecke im oberen Drittel. Die damit möglichen Mengeneffekte versprechen einerseits eine wirtschaftliche Umsetzbarkeit, werden andererseits wegen erhöhter baukonstruktiver Maßnahmen mit erhöhten Kosten verbunden sein.
Der Umgang mit dem Erhalt und der Umnutzung der Fabrikhallen wird nicht nur im Sinne der nachhaltigen Ressourcennutzung, sondern auch im Sinne einer identitätsstiftenden Textilarchitektur gewürdigt.
Insgesamt greift der Beitrag viele Aspekte der gewünschten Nutzung und der Warendorfer Position auf, kann das Preisgericht jedoch aufgrund der nicht gut ausgearbeiteten südlichen Wohnbebauung mit ihrer unruhigen Struktur nicht ganz überzeugen.
Übersichtsplan

Übersichtsplan

Lageplan

Lageplan

Schnitt A:A

Schnitt A:A

Schnitt B:B

Schnitt B:B