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Wettbewerblicher Dialog | 05/2024

Umgestaltung ehemaliges Druckhaus in Neue Architekturschule Siegen (NAS)

Visualisierung Außen

Visualisierung Außen

3. Preis / 2. Phase

coopdisco

Architektur

ZRS Architekten Ingenieure

Architektur, Tragwerksplanung, Brandschutzplanung

Ingenieurbüro Hausladen GmbH

Energieplanung

bgmr Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Universität Siegen veranstaltete einen zweistufigen wettbewerblichen Dialog für einen neuen Standort ihres Architektur-Departments im Innenstadtbereich. Anstelle des ursprünglichen Masterplans – der großflächigen Abriss und Neubau vorsah – sollte das Gelände des ehemaligen Druckhaus der Siegener Zeitung unter Berücksichtigung des Bestandes entwickelt werden. Nach der ersten Phase, mit einer Summerschool vor Ort, erzielte die ARGE coopdisco + ZRS Architekten in der zweiten Phase den dritten Platz.
Ziel des Verfahrens war es, den geplanten Abriss zu verhindern und das bestehende Druckhaus aus den 1970er Jahren als neuen Standort für das Architektur-Department zu entwickeln. Im Kontext der Bauwende soll damit nicht nur ein zukunftsweisendes Gebäudekonzept entwickelt, sondern auch ein Modellprojekt für neue Formen des universitären Zusammenlebens und für einen zeitgenössischen Umgang mit Bestand geschaffen werden.

Die Architekturschule der Zukunft ist prozessual, kollektiv und Vorreiter für nachhaltige Bestandsoptimierung
Für den notwendigen Wandel im Bausektor braucht es eine werteorientierte Transformation der Planungs- und Baupraxis, die Infrastrukturen des Wandels hervorbringt sowie Räume, die als Plattform für systemische Veränderungsprozesse dienen. Es braucht subtile Stadt- und Raumerweiterungen, die ihre Qualität aus nutzungs- und bedarfsgerechten Konzepten, adaptiven Strukturen und kollektiven Planungsprozessen entwickeln und langfristig die Benutzbarkeit aufgewendeter Ressourcen ermöglichen.
Der Entwurf von coopdisco + ZRS Architekten versteht die Neue Architekturschule Siegen (NAS) als Reallabor für die Bauwende und umfasst neben der Gebäudeplanung auch ein alternatives Prozess-Design. Durch den Einbezug der Universität in die Planung und den Umbau wird ein innovatives, übertragbares Konzept für praxisorientiertes Lernen und Wirken am eigenen Haus entwickelt – das Siegener Modell.
Die Neue Architekturschule wird zur robusten Struktur und konzeptionellem Rahmen, dessen Raumaufteilung partizipativ entwickelt wird. Das Ensemble besteht aus drei Bestandsgebäuden – Druckhaus, Villa 9 und Villa 21. Auf gleichem Fußabdruck wird durch die Umnutzung und Aufstockung der benötigte Raumbedarf erfüllt. Das exDruckhaus als Herzstück der Neuen Architekturschule wird geometrisch so adaptiert, dass der Bestand nicht nur räumlich, sondern auch energetisch optimiert wird. Die Freiraumgestaltung sieht mit der Renaturierung der Weiß einen vitalen, biodiversen Flussraum vor, der durch die Prinzipien der Aufweitung, Öffnung und Abgrenzung eine abwechslungsreiche Raumfolge schafft und so zu einem Teil des Stadtgeschehens und des Campusalltags wird.

Prozess: Die Neue Architekturschule ist „wegen Umbau geöffnet“
Die Neue Architekturschule öffnet bereits mit Beginn der Planung ihre Türen und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Der Planungs- und Umbauprozess wird zum Teil des Curriculums des Departments. Das vorgeschlagene Reallabor-Konzept mit dem dazugehörigen Prozess ist in drei Phasen gegliedert, in denen Schnittstellen zwischen dem Planungs- und Bauvorhaben mit Lehre und Forschung der Universität Siegen entstehen.

Phase 1: Zwischennutzung exDruckhaus
In der ersten Phase wird das ehemalige Druckhaus zur Bauhütte des Umbauvorhabens. Auf Grundlage des Wettbewerb-Entwurfs wird die Planung, in einem kooperativ angelegten Planungsprozess mit Nutzenden und punktuell hinzugezogenen Vertreter*innen aus der Stadtgesellschaft, konkretisiert. Das Raumprogramm wird in räumlichen Tests erprobt. Dafür sind eine Reihe von Planungswerkstätten sowie experimentelle Pioniernutzungen im exDruckhaus geplant.

Phase 2: Schaustelle exDruckhaus, Zwischennutzung Villen
Der Umbau des exDruckhaus findet in der zweiten Phase statt. Die bestehenden Pioniernutzungen und die Bauhütte ziehen in die freigezogenen Villen 9 und 21. Die Bestandssanierung und Aufstockung des Druckhauses in Holzbauweise wird durch öffentliche Baustellenführungen zugänglich gemacht. Kleinere Baumaßnahmen können im Selbstbau erfolgen und werden als Baustellenpraktikum im Lehrplan verankert. Im bestehenden Anbau der Villa 9 entsteht ein Material-Labor und erster Prototyp des Siegener Materiallagers. Gerettete Materialien aus Rückbaustellen und dem exDruckhaus können direkt vor Ort gelagert, gereinigt und für die Wiederverwendung vorbereitet werden.

Phase 3 – Eröffnung NAS & Community Design Center, Umbau Villen 9 und 21
Mit der Fertigstellung des exDruckhaus und der feierlichen Eröffnung der Neuen Architekturschule beginnt die dritte Phase. Parallel dazu findet die letzte (Um-) Baumaßnahme statt, der Umbau der Villen 9 und 21 gemäß der Planungsergebnisse aus Phase 2. Gleichzeitig eröffnet auch das Community (Based) Design Center im exDruckhaus. Als Ergebnis der transformativen Planungswerkstätten hat sich das Zentrum für öffentliche Planungsberatung als neuer Baustein in Siegen etabliert.

Ausblick: Skalierung Siegener Modell
Das Siegener Modell ist Blaupause für bedarfsorientierten, ressourcenoptimierten Bestandserhalt und partizipative Planungsansätze in Architekturlehre und -forschung. Der transformative Ansatz wird perspektivisch auf andere Leerstandsobjekte in Siegen und Umgebung übertragen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Stadtraum
Städtebaulich entsteht auf dem Fußabdruck des Druckhauses ein solitäreres Gebäude, das barrierefrei über zwei Treppenhäuser erschlossen wird. Eines der Treppenhäuser liegt am neu entstehenden Departmentplatz, an den auch die Erweiterung des Gebäudes Nr. 9 sowie eine Fußgängerbrücke zur anderen Seite der Weiß anschließen. Hier entsteht, wie auch in anderen Vorschlägen, ein zentraler Ort, an dem sich die Wege der Stadtgesellschaft und der Studierenden kreuzen und diesen Ort beleben und aufwerten. Das andere Treppenhaus liegt diagonal gegenüber am anderen Gebäudekopf und erschließt auch das Haus Nr. 21 barrierefrei mit, das den Studierenden zur Verfügung stehen soll. Der Hochwasserschutz wird durch eine entsprechende Modellierung des Uferbereichs sowie eine Staumauer gewährleistet. Die Einbindung in die Umgebung wurde auf Seiten des Häutebachwegs nicht thematisiert, die öffentlich nutzbaren Außenbereiche des Geländes bleiben schematisch und kaum integriert mit der inneren Organisation des Gebäudes.

Gestaltung
Aus der Entscheidung, die oberen Geschosse mit 4 m Höhe neu zu errichten und zugleich eine stadtraumverträgliche Traufhöhe zum Häutebachweg einzuhalten (Einfügung in die Umgebung nach §34 BauGB) entsteht die Idee, dem Druckhaus ein traufständiges Satteldach aufzusetzen. Für die Konstruktion werden einerseits die demontierten Elemente (wieder)verwendet – z.B. als Wetterschutz für die gedämmte Holzfassade –, anderseits regional gewonnene, z.T. als Abfall klassifizierte Materialien eingesetzt („Käferholz“). Die Fassade des Neubaus ist überwiegend geschlossen und verfügt über einen hohen energetischen Standard, so dass das Gebäude ohne größeren technischen Aufwand betrieben werden kann (low-tech Lösung mit geringen Betriebsund Wartungskosten). Das Erscheinungsbild der Fassade mit relativ kleinen Fenstern und vertikalen Gliederungselementen wird kontrovers diskutiert. Auch die Begründung für die gewählte Dachform erscheint den Beteiligten aufgrund der Dimension des Gebäudes nicht schlüssig.

Funktion
Im Gebäudeinneren, das über die beiden Stirnseiten des ex Druckhauses erschlossen wird, werden mehrere zweigeschossige Volumina angeordnet: Eines enthält das Foyer auf der Ebene 0, ein Weiteres einen studentisch genutzten Raum. Die Nutzungsbereiche der Architekturschule sind im Entwurf lediglich schematisch dargestellt und können bzw. sollen erst im Planungsprozess genauer definiert werden. Grundsätzlich bieten das weite Stützraster und die relativ große Gebäudetiefe eine große Flexibilität, die jedoch im vorliegenden Entwurf nicht näher erläutert oder exemplarisch aufgezeigt wird. Im Dachgeschoss entstehen durch die gewählte Dachform unterschiedlich hohe Bereiche, die durch Oberlichter zusätzlich belichtet werden.

Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit wird in diesem Konzept sehr ernst genommen: Mehrere Aspekte – Regionalität und Verfügbarkeit von Baumaterialien, Sortenreinheit, Wiederverwendung und -verwertung, Suffizienz in den Nutzungsflächen – sind ebenso Ziel wie eine hohe Prozessqualität. So wurden zahlreiche Anmerkungen der Nutzer:innen eingearbeitet, und der Entwurf adressiert systemische Herausforderungen, die er exemplarisch lösen möchte. Allerdings werden einige zentrale Fragen nicht oder nicht ganz zufriedenstellend beantwortet: So ist der Prozess, wie er hier vorgestellt wird, immer noch sehr lang und eine abschnittsweise Realisierung bedingt auch Finanzierungstranchen in passenden Zeiträumen und Größenordnungen. Zudem wird von der Jury ein Widerspruch gesehen zwischen dem Ansatz, möglichst viel vom Gebäude zu erhalten, und einem fast kompletten Rückbau der vorhandenen Konstruktion. Auch der Wiedereinbau der Waschbeton-Fassadenelemente als Wetterschutz wird von manchen Beteiligten eher kritisch gesehen, zumal das einzige verbleibende Geschoss des Bestandsbaus, die Eingangs- bzw. EGEbene, gerade diejenige ist, die eine zu geringe Raumhöhe aufweist. Während das Druckhaus selbst fast vollständig überformt wird, erhalten die Verfasser:innen das kleinere Gebäude Nr. 21, anstatt es zugunsten des Hochwasserschutzes abzureißen. Dies erfordert allerdings umfangreiche Abstimmungen bezüglich des Hochwassermanagements.

Innovationscharakter
Kernidee des Entwurfs ist, die Neue Architekturschule Siegen (NAS) zu einem Reallabor für die Bauwende zu machen. Hier sollen partizipativ, transdisziplinär und prozesshaft Strategien erprobt werden, die dazu beitragen, von einer systemischen Nichtnachhaltigkeit im Bauwesen zu transformativen Bau- und Planungsprozessen zu kommen. Zugleich soll dies zum Gegenstand und zum Inhalt der universitären Architekturausbildung gemacht werden, was für Siegen und seine Universität eine doppelte Chance bedeutet. Hierfür soll die schon begonnene Siegener Strategie zur Belebung der Innenstadt durch die Nachnutzung leergefallener Erdgeschoss- und andere baulicher Strukturen durch Einrichtungen der Universität am Standort des ehemaligen Druckhauses der Siegener Zeitung (exDruckhaus) am Häutebachweg fortgesetzt werden. Die Autor:innen schlagen hierfür einen mehrstufigen Prozess vor:
  • In Phase 1 wird das Druckhaus – wie schon in der prototypischen Bespielung durch die Summer School im Sommer 2023 – als Bauhütte für das Departement Architektur genutzt. In dieser Phase werden die Planungen zur Ertüchtigung und Erweiterung des ex Druckhauses mit Studierenden, Lehrenden und externen Expert:innen weiterentwickelt und konkretisiert.
  • In Phase 2 zieht die Pioniernutzung in die nahegelegenen Gebäude Häutebachweg 9 und 21 um und das Druckhaus wird aufgestockt. Hierfür werden zunächst die massiven Fassadenelemente und auch die Deckenplatten über dem 1. OG entfernt und neue Geschosse mit je 4 m Höhe sowie ein Dachgeschoss mit längslaufendem Giebel aufgesetzt.
  • In Phase 3 kann das umgebaute Haus durch die Nutzer:innen wieder bezogen werden, während die beiden Nachbargebäude umgebaut werden.
  • Phase 4 beginnt, wenn im Jahr 2030 alles fertiggestellt ist: Nun kann von hier aus in Bezug auf andere Orte gelehrt, gelernt, geforscht und experimentiert werden.
Insgesamt kommt die Jury zu dem Schluss, dass die Innovationskraft des Vorschlags einerseits nicht (mehr) in dem aufgezeigten Prozess liegt, da eine abschnittsweise Realisierung / Phasierung sich anbietet und grundsätzlich auch schneller durchgeführt werden könnte. Andererseits konterkariert die fast komplette Neukonstruktion des Gebäudes den Ansatz des Weiternutzens und Wiederverwendens.
Prozessdiagramm

Prozessdiagramm

Oktober 2024: Es geht los – das exDruckhaus öffnet als Bauhütte endlich wieder seine Türen

Oktober 2024: Es geht los – das exDruckhaus öffnet als Bauhütte endlich wieder seine Türen

Januar 2025: Einblick in die erste kooperative Planungswerkstatt zur Nutzungsverteilung & Organisation im Druckhaus

Januar 2025: Einblick in die erste kooperative Planungswerkstatt zur Nutzungsverteilung & Organisation im Druckhaus

Mai 2027: Grüße von der offenen Baustelle! Für Lehrzwecke wird sie zur Schaustelle, die Pioniernutzungen ziehen in die Villen

Mai 2027: Grüße von der offenen Baustelle! Für Lehrzwecke wird sie zur Schaustelle, die Pioniernutzungen ziehen in die Villen

März 2028: In dem Baustellenpraktikum im WiSe 27/28 werden kreislaufgerechte Innenwandelemente aus ReUse-Materialien gebaut

März 2028: In dem Baustellenpraktikum im WiSe 27/28 werden kreislaufgerechte Innenwandelemente aus ReUse-Materialien gebaut

September 2028: Das Haus wird besenrein übergeben, die Artefakte des Bestandes bereits angeeignet

September 2028: Das Haus wird besenrein übergeben, die Artefakte des Bestandes bereits angeeignet

August 2028: Die Neue Architekturschule wird Schauplatz für kooperative Aushandlungsprozesse in der Stadt Siegen

August 2028: Die Neue Architekturschule wird Schauplatz für kooperative Aushandlungsprozesse in der Stadt Siegen

September 2030: Stadt und Neue Architekturschule Siegen sind miteinander verwachsen, das öffentliche Ufer in voller Blüte

September 2030: Stadt und Neue Architekturschule Siegen sind miteinander verwachsen, das öffentliche Ufer in voller Blüte

Visualisierung Innen

Visualisierung Innen

Lageplan

Lageplan

Lageplan

Lageplan

Grundriss EG und Schnitt

Grundriss EG und Schnitt

Grundriss 2. OG und Schnitt

Grundriss 2. OG und Schnitt

Klimaschnitt

Klimaschnitt

Kreislaufkonzept

Kreislaufkonzept