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Award / Auszeichnung | 04/2024

Sächsischer Staatspreis für Baukultur 2024

Stasi-Unterlagen-Archiv

DE-09120 Chemnitz, Bruno-Salzer-Straße 5

Staatspreis

Preisgeld: 30.000 EUR

Heine Mildner Architekten

Architektur

Kaiser Baucontrol Ingenieurgesellschaft mbH

Bauingenieurwesen, Projektsteuerung

Kröning und Schröter Ingenieurpartnerschaft mbB Tragwerksplanung

Tragwerksplanung

INNIUS GTD GmbH

TGA-Fachplanung

Ingenieurbüro Bauklimatik Uwe Meinhold

Bauphysik, Energieplanung

Akustik Bureau Dresden

Akustikplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Bibliotheken, Mediatheken

  • Projektgröße:

    6.115m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2020
    Fertigstellung: 08/2022

Projektbeschreibung

Für das ehemalige, inzwischen leerstehende ROBOTRON- Gebäude „VEB Datenverarbeitungszentrum Karl-Marx-Stadt“ an der Lothringer Straße / Bruno-Salzer-Straße in Chemnitz wurde 2019 im Auftrag eines privaten Bauherrn eine Machbarkeitsstudie erstellt, um zu untersuchen, ob das Gebäude für die Unterbringung des Stasi-Unterlagen-Archivs der Außenstelle Chemnitz geeignet ist. Das Gebäude ermöglicht die Aufbewahrung von rund 7,5 Kilometer Unterlagen der ehemaligen Bezirksverwaltung für die Staatssicherheit Karl-Marx-Stadt. Das 2-geschossige Gebäude aus den 60er Jahren befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum 2015 fertiggestellten Sächsischen Staatsarchiv Chemnitz und nimmt neben einer sachgerechten Unterbringung der Archivbestände auch die dazugehörigen Verwaltungsflächen auf. Der DDR-Systembau besteht konstruktiv aus einer inneren 2-geschossigen, hochbelastbaren Halle und einer umlaufenden separaten Konstruktion, welche seinerzeit für Büronutzung konzipiert wurde. Dieses grundlegende Prinzip lies sich ideal für die gewünschten Anforderungen nutzen und wurde deshalb beibehalten. Im dunklen, von äußeren Einflüssen geschützten inneren Gebäudebereich werden die klimatisierten Magazinräume und entlang der belichteten Außenfassade die Büroräume verortet. Obwohl sich das Gebäudes durchaus selbstbewusst präsentiert, nimmt die Außengestaltung Bezug auf die anderen beiden Gebäude des ROBOTRON-Komplexes. Das benachbarte Peretz-Haus ist als Kulturdenkmal eingetragen. Hierbei wurde der Umgebungsschutz durch die Ausformulierung eines sensiblen Übergangs zwischen Staatsarchiv und BStU beachtet. Gerade die Nutzung des Gebäudes als Archiv für StaSi-Unterlagen gab Anlass, den Dialog zwischen Alt und Neu auf besondere Art und Weise gerecht zu werden. Das Gelände zwischen Lothringer Straße und Bruno-Salzer-Straße ist geprägt von seinem industriellen Charakter. Diese Atmosphäre wird durch die neue Fassadenbekleidung aus grünem Stahlblech aufgenommen. Zusammen mit gelben Markisen entsteht eine lebhafte Collage, die das heterogene Umfeld ergänzt. Der der Nutzung angemessene kontemplative Charakter wird durch eine stimmiges Farbkonzept aus Rot-, Blau und Gelbtönen abgerundet. Die Haupttragelemente des Bestands sind Stahlbetonstützen, die durch Wände und Schächte aus Stahlbeton ausgesteift werden. Besonders eindrucksvoll wird der innenliegende Hauptraum durch Pultdachbinder überspannt, auf denen Dachkassettenfertigteile das Dach bilden. Diese typisierten Bauteile sind nur mit minimalen statischen Toleranzen versehen, sodass eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bestand kritisch für den Planungserfolg war. Es konnten fast alle statischen Elemente weiterverwendet werden. Dieses Projekt zeigt beispielhaft, wie vergleichsweise minimalintensiv ein vorgefundenes Bestandsgebäude ertüchtigt werden kann, um einer gänzlich neuen Nutzung gerecht werden zu können. Dabei ist es gelungen, die bestehende Struktur mit den neuen Elementen zu einer gestalterischen Einheit zusammenzubringen. Die dafür erforderliche intensive Auseinandersetzung mit dem Bestehenden ist angesichts der Herausforderungen unserer Zeit unerlässlich für eine zukunftsfähige Art und Weise der Planung. Der Erhalt der bestehenden Tragstruktur zeugt von einem durchgehenden und gesamtplanerischen Nachhaltigkeitsgedanken. Durch die Weiternutzung dieser Materialien wird ein Beitrag zur Reduzierung von Emissionen geleistet. Durch den Erhalt des Gebäudes wird auch ein Stück Geschichte bewahrt - Geschichte, die nicht unproblematisch ist. Auch aus den Besonderheiten der Bauaufgabe heraus war es umso wichtiger, einen Dialog zwischen Alt und Neu einzugehen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das lange leerstehende Lager- und Bürogebäude ‚VEB Datenverarbeitungszentrum‘ bildet gemeinsam mit zwei anderen DDR-Typenbauten den ehemaligen Robotron-Komplex an der Lothringer Straße in Chemnitz. Der anderenorts häufig erfolgte Abriss solcher typisierten Konstruktionen mit minimalen statischen Toleranzen und damit stark eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten konnte in Chemnitz vermieden werden. Vielmehr haben es die Architekten und Bauherren verstanden die konstruktiven Qualitäten wie den ruppigen Charme des Bestandes geschickt zu nutzen und vorhandene Materialien weitgehend zu erhalten. Entstanden ist ein Gebäude, dass die Geschichte des Ortes bewahrt und mit geschickten Interventionen einen hervorragenden gestalterischen Dialog zwischen Alt und Neu führt. Die sensiblen Inhalte des Stasi-Unterlagen-Archivs werden im Kern des Gebäudes platziert und nutzen so auf hervorragende Weise die vorhandene doppelgeschossige Halle. Bei Annäherung an das Gebäude begeistert die neue, waagerecht gelagerte Fassade. Sie erinnert an einen geschuppten Panzer, etwa den eines Gürteltieres, und bildet selbstbewusst die neue, weithin sichtbare Gebäudehülle. Die unprätentiöse Materialität des grünen Wellblechs mit gelb kontrastierenden Sonnenschutzmarkisen entstammt dem Industriebau und setzt den schnöden DDR-Systembau gestalterisch geschickt in Wert. Die Fassadengestaltung nimmt dabei bewusst Bezüge zu den beiden anderen, noch im Ursprungszustand erhaltenen Gebäude des Robotron-Komplexes auf. Im Inneren besticht das Gebäude durch eine geschickte Nutzungsverteilung. So werden die Archivalien in der zentralen Halle durch die umgebenden Büroräume vor äußeren Einflüssen geschützt. Das vorhandene Tragwerk aus standardisierten Stahlbetonfertigteilen wird freigelegt und durch bewusst gesetzte Farbakzente in Rot-, Blau- und Gelbtönen inszeniert. Das Archivgebäude in Chemnitz steht beispielhaft für den Erhalt und die kreative Umnutzung vielfach vorhandener Systembauten, deren gestalterischer, häufig ortsbildprägender und identitätsstiftender Wert noch oft verkannt wird. Der nach Amortisationszeit und langem Leerstand normalerweise drohende Abriss konnte hier vermieden werden. Vielmehr ist es gelungen, über den Erhalt der ‚Grauen Energie‘ hinaus, die bestehenden Strukturen mit neuen Elementen zu verbinden und so eine angemessene zukunftsfähige, gestalterische und funktionale Einheit zu schaffen.
Eingangsrampe aus Betonwerksteinelementen

Eingangsrampe aus Betonwerksteinelementen

Doppelgeschossige Nordfassade

Doppelgeschossige Nordfassade

Haupteingang mit Anbindung zum Staatsarchiv

Haupteingang mit Anbindung zum Staatsarchiv

Einblick in das Archiv

Einblick in das Archiv

Magazinraum

Magazinraum

Neue Treppenanlage

Neue Treppenanlage

Der Robotron-Komplex vor dem Umbau

Der Robotron-Komplex vor dem Umbau

Freigelegte Tragstruktur aus Stahlbetonfertigteilen

Freigelegte Tragstruktur aus Stahlbetonfertigteilen

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Querschnitt

Querschnitt

Grundriss Hauptgeschoss

Grundriss Hauptgeschoss

Ansicht Nord

Ansicht Nord