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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2024

Neubau Gesewo-Haus in Wiesendangen (CH)

Visualisierung

Visualisierung

3. Rang / 3. Preis

Preisgeld: 10.000 CHF

Lütjens Padmanabhan Architekten

Architektur

Westpol Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

SJB Kempter Fitze

Tragwerksplanung

Kopitsis Bauphysik AG

Bauphysik, Nachhaltigkeitskonzept

Planforum GmbH

TGA-Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser:innen des Projekts Sulèr verweisen auf die räumliche Typologie des zentralen Hallenraums Engadiner Bauernhäuser. Dieser Sulèr wird als Herz des Gesewo-Projekts ausgebildet: ein zweigeschossiger – baumassenbefreiter – Wintergarten. Er präsentiert sich einladend und farbig kräftig abgehoben sowohl zur Attikerstrasse als auch in Richtung des Pfarreizentrums. Sechs Meter hohe Flügeltüren bekräftigen die grosse Geste.

Allerdings zerfällt diese Grosszügigkeit unmittelbar nach dem Eintreten. Ein schlanker hoher, mutmasslich verglaster Briefkasten-Korridor stellt den frustrierenden, innen-räumlichen Auftakt dar. An der gewendelten Treppe schlagen sich auch noch nicht Aus-gewachsene unausweichlich den Kopf an, man passiert die Waschküche und mündet schliesslich in der zentralen Erschliessung. In der Verlängerung entfällt diese bedauerliche Aufteilung zum Glück und es entsteht ein überaus attraktiver hoher, nutzungsneutraler Gemeinschaftsraum mit wertvollem Aussenraumanschluss. Die räumlichen Darstellungen zeugen von augenscheinlichen Qualitäten, während das getrennte Gegenüber diese mutmasslich missen lässt. Der zentralen Erschliessung gelingt es kompakt und attraktiv, mit nur der berüchtigten Wendeltreppe und einem Aufzug, sämtliche 21 Wohnungen und den Gewerberaum auf kürzestem Weg zu verknüpfen. Dabei entsteht nicht nur eine Hausgemeinschaft, sondern auch Etagengemeinschaften und anhand eines gemeinsamen, gut proportionierten Vorplatzes im Erd- und ersten Obergeschoss auch das Miteinander eines Vier-Wohnungsclusters – jeweils nördlich und südlich des Sulèrs. Ohnehin besticht das Haus durch strukturelle Stringenz mit nahezu perfekter, doppelter Achsensymmetrie.

Diese doppelte Symmetrie und Stringenz wird jedoch auch zur räumlichen Herausforderung. Die städtebauliche Setzung, ein perfektes, mittig auf dem Grundstück platziertes Rechteck, erinnert eher an eine Mehrzweckhalle mit vorgeschalteter Parkierung, denn an ein Mehrfamilienhaus im Quartiermassstab. Es scheint jedoch, dass sich das von Frank Lloyd Wrights Robin House inspirierte Objekt eine grössere Umgebung und die Möglichkeit nach einer Einbettung in die Landschaft wünscht. Der Entwurf mit seinem mächtigen Fussabdruck wirkt gross. Diese gefühlte Grösse findet in der Umgebung keine Entsprechung. Autismus statt Dialog.

Das Gebäude spielt allerdings geschickt mit dem Baugesetz, ohne sich im geometrischen Klein-Klein zu verlieren. Dies mündet in der konkreten Umsetzung in identischen, behutsam gestalteten Nord- und Süd-Fassaden, die den angrenzenden Nachbar:innen jedoch jeglichen Hinweis vorenthalten, dass es sich doch eigentlich um eine zweigeschossige Wohnzone handelt – ein selbstbewusster Auftritt. Ost- und Westfassade werden ebenso konsequent gleich behandelt, jedoch folgerichtig zur Schottenstruktur des Gebäudes gänzlich anders ausgestaltet: hoher Verglasungsanteil, mittiger Attikarücksprung und horizontale, in unterschiedlichen Winkeln ausgestellte Bänder, die sich für den grosszügigen Einsatz von PV eignen. Letzteres eine willkommene Integration, statt Applikation.

Die Attikarücksprünge resultieren in guten Raumtiefen und sehr attraktiven Wohnungsgrundrissen. In den Regelgeschossen führt die enorme Bautiefe von 26 Metern in Ost-West-Richtung allerdings zu etlichen nur einseitig ausgerichteten Wohnungen. Leider findet sich das Sulèr-Motiv damit auch hier wieder, bloss dass die zentralen Wohnräume («Wohnhallen») ohne Beidseitigkeit und Doppelgeschossigkeit auskommen müssen. Sie verkommen ab der Hälfte zu dunklen Kammern – auch die Doppeltüre zum angrenzen-den Schlafzimmer vermag dies nicht aufzufangen. Hier bräuchte es volumetrische Ein-griffe, um die Wohnungen heller und damit nachhaltiger zu konzipieren – oder auch nur um bereits einen vielfältigeren Grundrissmix anzubieten.

Das Erdgeschoss dehnt sich nach aussen hin aus, jedoch ohne die Privatsphäre der Wohnungen auf dieser Ebene angemessen zu schützen. Dadurch wird die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Raum verwischt und die Vorstellung von einem sicheren, ebenerdigen Lebensraum in Frage gestellt. Der vorgelagerte Aussenraum ist von Nischen geprägt, die durch eine vielfältige Vegetation definiert sind, sie werden im gesamten Ge-biet platziert: der Aussenraum ist ein gleichmässig ausgerollter, beinahe urbaner Teppich. Dieses Wagnis wird gewürdigt. Das dann jedoch bei der genaueren Betrachtung nicht überzeugt: Details zum Wassermanagement fehlen, was eine Lücke im Verständnis der ökologischen Nachhaltigkeit des Projekts schafft. Während sich die Architektur aktiv mit der Verwendung von recycelten Materialien und der erfinderischen Wiederverwendung auseinandersetzt, scheint die Landschaftsarchitektur ein geringeres Engagement für nachhaltige Praktiken zu zeigen. Hier hätte sich das Preisgericht mehr gewünscht.

Das Untergeschoss wird auf ein absolutes Minimum reduziert, sämtliche Parkplätze wer-den im Aussenraum integriert – was eine rege Diskussion auslöst, wie diese Flächen bei potenziell sinkendem Stellplatzbedarf langfristig transformiert werden könnten.

Hinsichtlich der Ökonomie überzeugt das Projekt auf den ersten Blick. Die mutmasslichen Erstellungskosten je Hauptnutzfläche sind die geringsten unter allen acht Projekten. Dies allem voran dank des Verzichts auf eine Einstellhalle. Die Gebäudehüllziffer ist tadellos. Die 21 Wohnungen (unterer Durchschnitt) sind allerdings die im Vergleich grössten, was den ökonomischen Vorsprung wieder relativiert, kann doch der dunkle Anteil der vermietbaren Fläche weniger in Wert gesetzt werden.

Nachhaltigkeit
Die Lösung mit einem Baukörper in Anlehnung an einen landwirtschaftlichen Hof er-zeugt eine hohe Kompaktheit und einfache, logisch erschlossene Strukturen. Die zentrale Erschliessung aller Wohnungen über ein Treppenhaus hat in der gezeigten Lösung aber auch die Konsequenz einer schlechten Tageslichtversorgung in mehreren Wohnungen. Gleichzeitung sind mehrere Wohnungen weder quer noch über Eck zu belüften, ein Nachteil bei zunehmender Anzahl von Hitzetagen.

Das Untergeschoss ist dadurch, dass alle Autostellplätze überirdisch angeordnet sind, auf ein Minimum reduziert. Die gezeigte Holzkonstruktion ist ökologisch sinnvoll und passt auch zur Struktur des Gebäudes. Der Fensteranteil ist angemessen. Die modulare Bau-weise ermöglicht eine spätere Wiederverwendung vieler Bauteile der Sekundärstrukturen (z.B. Fenster, Aussenwandbekleidungen). Die Geschossdecken sind frei von Einlagen. Das Technikkonzept ist dementsprechend sinnvoll und nach den Regeln der Systemtrennung ausgerichtet. Sowohl die gesamten Dachflächen als auch die Blenden an den West-, Süd- und Ostfassaden sind mit PV-Modulen ausgerüstet. Bedauerlich ist das recht einfallslose Abwägen von PV an Fassaden und Dach und intensiver Dachbegrünung.

Fazit
Das vorgeschlagene Haus ist eine – mit wenigen Ausnahmen – sauber konstruierte Maschine: dicht, kompakt, effizient. Das Projekt ist eine selbstbewusste Behauptung: stringent, kräftig, fast frech. Dies wird durchaus gewürdigt. Leider geht diese Kompromisslosigkeit aussenräumlich wie auch innenräumlich an zu vielen Stellen mit unzufriedenstellenden Situationen einher, die nach Einschätzung des Preisgerichts erst mit einer ebenso kräftigen Überarbeitung gelöst werden könnten.
Visualisierung

Visualisierung

Grundriss EG

Grundriss EG

Grundriss 1.OG

Grundriss 1.OG

Grundriss 2.OG

Grundriss 2.OG