Herr Schüler, Sie haben im jährlichen competitionline Ranking zum dritten Mal in Folge Platz eins unter den Stadtplanungsbüros belegt. Auch aus dem Zehnjahresranking gehen Sie als Sieger unter den Stadtplaner*innen hervor. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Wahres Interesse und Begeisterung für die Projekte ebenso wie für den Prozess der Umsetzung. Auch ein guter Zugang zur Intuition ist gefragt, um schnell Klarheit zu erlangen. Alles andere, wie auch der Erfolg, kommt dann von allein. Dabei ist es von Vorteil, wenn die Entscheidungen unbürokratisch getroffen werden können, deshalb bin ich bei allen Projekten selber mit dabei. Meist halten wir am Anfang im kleinen Kreis kompakte Entwurfssitzungen ab, wo alle Ideen und Varianten auf den Tisch kommen und jeder seine Erfahrung und Vorstellung einbringen kann. Dabei kommen wir relativ schnell zu einer Entscheidung, die wir dann zusammen mit dem projektbegleitenden Landschaftsarchitekturbüro auf den Punkt bringen. Wenn dies noch nicht reicht, lasse ich mich gerne auch durch die unvoreingenommene Sichtweise meiner Frau inspirieren, die neue Fragen in den Raum stellt, auf die man als Planer so noch nicht gekommen wäre.  

Wie ist Ihr Büro strukturiert?

Grundsätzlich bin ich kein Typ für große Teamstrukturen. Ich behalte gerne alle Freiheiten, die mir Überschaubarkeit und Transparenz bieten. So kann ich effektiver vorankommen. Die Auswahl der geringen Zahl der Mitarbeiter erfolgt nach deren individuellen Stärken und danach, wie diese miteinander harmonieren und sich gegenseitig unterstützen.

Wie bewältigen Sie die Arbeit?

Mit Leidenschaft und täglicher Freude lässt sich das Pensum an Wettbewerben gut schaffen. Damit es dennoch nicht an die Kraftreserven des Körpers geht, ist bei mir meist gegen 17 Uhr Büroschluss. Für mich fängt der frühe Vogel den Wurm. Diese morgendliche besondere Energie nutze ich gerne. Wann immer möglich, sorge ich für einen körperlichen und seelischen Ausgleich, der auch wichtig ist. 

Städtebauliche Konzeption des Sparkassenareals in Marburg: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner (Einladungswettbewerb, 2020)

Städtebauliche Konzeption des Sparkassenareals in Marburg: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner (Einladungswettbewerb, 2020)

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Wettbewerbe aus, an denen Sie sich beteiligen?

Unsere Stärken und Interessen liegen in der Quartiersplanung und in der daraus folgenden Umsetzung. Somit bilden städtebauliche Projekte mit hochbaulichen Realisierungszielen auch den Schwerpunkt bei der Auswahl. Im Idealfall sind das innerstädtische Nachverdichtungen, Arrondierungen von städtischen Randbereichen oder auch gerne Konversionen. Große städtebauliche Vorhaben, die auf Flächenverbrauch abzielen, sehen wir da schon skeptischer. An diesen beteiligen wir uns nur nach ausgiebiger Betrachtung und Abwägung.

Hat sich Ihre strategische Ausrichtung hinsichtlich Wettbewerbsteilnahmen über die Jahre verändert?

Unseren ersten großen Wettbewerbserfolg hatten wir im Jahr 1999. Bis dahin haben wir eher regional und im kleinen Maßstab gearbeitet. Die Bereitschaft, sich bundesweit an Wettbewerben zu beteiligen, hat dem Büro neue Horizonte ermöglicht. Dabei wurde bereits frühzeitig der Schwerpunkt im Bereich städtebaulicher Planungen von Wohnquartieren gesetzt. Seither haben wir uns stark im Wettbewerbswesen verankert und ziehen mittlerweile fast alle Aufträge aus gewonnenen Wettbewerben.

Teil-Quartier Dormagen-Horrem: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner mit club L 94 (Beschränkter Wettbewerb, 2020)

Teil-Quartier Dormagen-Horrem: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner mit club L 94 (Beschränkter Wettbewerb, 2020)

Laut dem competitionline-Monitor sinkt die Zahl der städtebaulichen Wettbewerbe: 2017 waren es noch 122, im vergangenen Jahr 71. Bekommen Sie diese Entwicklung zu spüren?

Wir selber spüren die Entwicklung nicht. Ich werde vermehrt zu Wettbewerben direkt eingeladen und kann hier für unser Büro keinen Rückgang feststellen. Im Gegenteil, es werden eher mehr, und ich muss auch mal die eine oder andere Anfrage absagen.

Welcher Wettbewerb des vergangenen Jahres lag Ihnen besonders am Herzen?

Am meisten liegen mir die Projekte am Herzen, die keine Erfolge wurden. Im letzten Jahr immerhin sechs Projekte in Folge ohne Preisränge, das muss man dann auch mal durchstehen. Letztendlich betrachten wir jeden Wettbewerb als einen Gewinn, wo unser Herzblut drinsteckt. Grundsätzlich schätze ich aber die Wettbewerbe, die in einer Weiterbeauftragung münden - was aber nicht die Regel ist. Oftmals verwässern die Projekte, wenn die Kommunen oder Auslober die Planung in Eigenregie weiterführen, was dann leider auch in allen Belangen sichtbar wird. Im Idealfall erhalten Stadtplaner und Landschaftsplaner einen Überarbeitungsauftrag. Das ist etwa bei unserer aktuellen Planung für das autofreie Stadtquartier in Landau Südwest der Fall, wo wir mit faktorgruen und Modus Consult das Projekt bis in die Umsetzung begleiten.

Neues Stadtquartier Südwest in Landau in der Pfalz: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner mit faktorgrün (Offener, städtebaulich-freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb, 2020)

Neues Stadtquartier Südwest in Landau in der Pfalz: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner mit faktorgrün (Offener, städtebaulich-freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb, 2020)

Wie beurteilen Sie das Corona-Jahr 2020 in geschäftlicher Hinsicht?

Grundsätzlich ging alles seinen gewohnten Weg weiter, nur halt unter anderen Umständen. Dennoch war es ruhiger, weniger Telefonate, weniger Termine. Einige laufende Projekte sind in einen gewissen Schlaf gefallen und konnten aufgrund von Mangel an Entscheidungen nicht im gewohnten Tempo weitergeführt oder überhaupt erst begonnen werden. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, uns noch mehr dem Wettbewerbswesen zu widmen. In 2020 haben wir uns an so vielen Wettbewerben beteiligt wie noch nie, was dann auch mit sechs ersten Preisen belohnt wurde. 

Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner

Inhaber/Partner: Thomas Schüler 

Anzahl Mitarbeiter*innen: 3

Anzahl Wettbewerbsteilnahmen 2020: 21

Anzahl Platzierungen 2020: 11

davon 1. Preise: 5

Philosophie beim Entwerfen: Nicht ablenken lassen und auf die eigenen Stärken konzentrieren

Vorbilder: Ich orientiere mich weniger an den anderen, sondern schaue zuerst mal in mich rein. 

Stärken: Klarheit und Harmonie 

Unser größter Erfolg: Jedes Projekt, welches aus einem Wettbewerbsverfahren in die Realisierung geht, sehen wir als Erfolg.

Bitterste Niederlage: Es gibt keine Niederlagen, denn jedes Projekt ist ein Gewinn.

Was sind die Besonderheiten der stadtplanerischen Wettbewerbslandschaft?

Nach meinem Empfinden beteiligen sich vergleichsweise wenige Büros an städtebaulichen Wettbewerben. Aber gerade im Wohnungsbau und in der Quartiersplanung haben städtebauliche Wettbewerbe den Vorteil, dass sie als „Türöffner“ für die Realisierung von hochbaulichen Projekten dienen können. Wir freuen uns jedes Mal, wenn wir nach einem Wettbewerbserfolg und der daraufhin folgenden städtebaulichen Überarbeitung mit der Umsetzung wichtiger Schlüsselprojekte beauftragt werden. Dies ist bei jedem unserer Projekte das Ziel.

Welche Qualitäten braucht man, um bei Stadtplanungswettbewerben besonders erfolgreich zu sein?

Es braucht eine große Begeisterung und ein Gefühl dafür, wie eine spätere Realisierung aussehen könnte. Für mich persönlich sehe ich es von Vorteil, dass ich aus der Architektur komme und somit neben dem städtebaulichen Konzept immer auch an die gebauten Häuser denke. Unabhängig davon hatte ich schon immer ein großes Interesse an öffentlichen Räumen, welche die Stadt prägen. Daher liegt es mir nahe, bereits in der städtebaulichen Planung die spätere Umsetzung mitzudenken.

Neue Mitte Schönau in Mannheim: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner (Beschränkter Wettbewerb, 2020)

Neue Mitte Schönau in Mannheim: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner (Beschränkter Wettbewerb, 2020)

Neue Mitte Schönau in Mannheim: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner (Beschränkter Wettbewerb, 2020)

Neue Mitte Schönau in Mannheim: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner (Beschränkter Wettbewerb, 2020)

Was sind Aufgaben und Herausforderungen der Zukunft? 

Nach den vielen Wettbewerbserfolgen der vergangenen Jahre wird es demnächst auch um deren Umsetzung gehen, worauf ich schon sehr gespannt bin. Die Ideen und Visionen wollen gebaut werden. 

Die Herausforderungen und Aufgaben der Zukunft für die Gestaltungen von neuen Räumen, Landschaften, Städten und Architektur werden künftig noch ganzheitlicher und nachhaltiger, im harmonischen Zusammenspiel von Mensch, Lebensraum und Natur betrachtet und realisiert werden müssen. Diese Entwicklung erachte ich als sehr positiv. Neben der notwendigen Klimaneutralität sehen wir die Herausforderung im Schaffen lebenswerter Städte der kurzen Wege: Die dafür erforderliche hohe Dichte sollte aber nicht auf Kosten von Lebens- und Wohnqualitäten gehen. Daher sehen wir eher eine mäßige Verdichtung in innerstädtischen Lagen, aber grundsätzlich eine höhere Dichte in der Vorstadt und in den Randbereichen. Einfamilienhaussiedlungen, so schön sie auch sein mögen, sehen wir grundsätzlich kritisch. 

Was sind die drängendsten Fragen beziehungsweise Ihre persönlich wichtigsten Anliegen im Zusammenhang mit nachhaltigem Planen und Bauen?

Wir können nicht bestimmen, was für Mensch und Natur mit ihren unendlichen Unterschiedlichkeiten im Allgemeinen richtig ist. Mein Anliegen wäre, dass der Mensch im Vordergrund steht: Qualität statt Quantität; Individualität, aber im Einklang mit den Naturgesetzen. Da gibt es noch viel zu lernen. Natürliche Materialien, frei von Schadstoffen – im Sinne der Nachhaltigkeit und Langlebigkeit denke ich da etwa an Hanf, Lehm, Bambus, Naturstein –, sollten den Fokus bilden. Zudem bin ich für mehr Grün in den Städten, mit Naturinseln für Austausch und Kommunikation, regionale Wochenmärkte und Eigenanbau. Je dichter die Quartiere werden, umso wichtiger werden die öffentlichen Freiräume und deren Nutzungsqualitäten. Grundsätzlich ist ein stetiges Neudenken und eine Rückbesinnung auf die bewährten Wurzeln gleichermaßen notwendig. Glücklicherweise gibt es bereits sehr viele neue Ansätze von erfahrenen Spezialisten und viele neue vielversprechende Forschungen.

Olga-Areal und Umgebung Stuttgart-West: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner mit faktorgruen (Offener Wettbewerb, 2011)

Olga-Areal und Umgebung Stuttgart-West: 1. Preis Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner mit faktorgruen (Offener Wettbewerb, 2011)

Welches Ihrer Projekte sehen Sie als ein besonderes Beispiel im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens?

Das Projekt zum Olga-Areal in Stuttgart zeigt, wie innerstädtisch auf Konversionsflächen ein klimaneutrales und energieautarkes Stadtquartier geschaffen werden kann. Nachdem wir hier 2011 den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen hatten, konnten wir das Gesamtprojekt bis in die Realisierung begleiten. Hierbei haben wir in ausführlichen Abstimmungsgesprächen mit dem Stadtplanungsamt das Projekt weiter konkretisiert und die Vergabegrundlage für die Einzelgrundstücke formuliert. Dabei war es wichtig, dass diese über eine Konzeptvergabe an das beste Konzept vergeben wurden, sowohl architektonisch als auch inhaltlich. Insbesondere die Initiative vom Olgäle 2020 hat bei ihren Baufeldern für die Baugruppen durch ihr großes Engagement zum Gelingen des Projekts beigetragen. In den Erdgeschossen befinden sich heute die Gemeinschaftsflächen der Baugruppen und Ladenbüros, die hier den öffentlichen Raum beleben. Weiters wurde auf die Integration von Inklusionswohnen und die soziale Mischung aller Altersgruppen besonders geachtet. 

Mit dem Olga-Areal in Stuttgart entstand auf einer innerstädtischen Konversionsfläche ein klimaneutrales, energieautarkes Stadtquartier (1. Preis im Wettbewerb: Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner mit faktorgruen).

Mit dem Olga-Areal in Stuttgart entstand auf einer innerstädtischen Konversionsfläche ein klimaneutrales, energieautarkes Stadtquartier (1. Preis im Wettbewerb: Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner mit faktorgruen).

Alle Baufelder besitzen Photovoltaikanlagen, deren Energie in ein zentrales Netz eingespeist wird. In den Tiefgaragen sind Carsharing und E-Mobilität für alle Bewohner untergebracht. Die Energieversorgung des gesamten Quartiers erfolgt zentral über ein Blockheizkraftwerk im Untergeschoss. Wir haben für die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft das zentrale Gebäude mit dem Nachbarschaftszentrum und der Kita realisiert, welches nun in zentraler Lage am Olga-Platz in das Quartier hineinführt. Wir sehen dieses Projekt als gelungenes Beispiel für nachhaltige innerstädtische Stadtentwicklung, welche die Bereiche Energie, Mobilität und soziale Gemeinschaft abdeckt.