Berlin liegt ihr zu Füßen, so zumindest scheint es, wenn Angelika Fittkau-Blank auf der Dachterrasse vom Frizz23 steht, über die Stadt schaut und von der Zukunft ihres Unternehmens spricht. Von Mut ist da die Rede. Und von Visionen. Vor allem aber, wie es dazu kam, dass sie sich mitten in der Stadt eigene Büroräume bauen ließ zusammen mit der Baugruppe „Frizz23“, um so dem Kreislauf von Gewerbemieterhöhungen zu entkommen.

In Ihrem neuen Domizil Frizz23 haben über dreißig kleine Unternehmen ein Zuhause gefunden. Inmitten von Berlin und bei immens steigenden Preisen für Baugrund und Gewerbemieten. Wie ist das möglich?

„Frizz23“ ist ein Gewerbe- und Wohnprojekt von und für kleine Unternehmen aus der Kreativwirtschaft. Zusammen haben wir so günstig wie möglich in der zentralsten Lage Berlins gebaut. Wir sind eine Baugruppe, das heißt, dass wir gegenüber Grundstücksverkäufern, Architekten und Handwerkern gemeinsam als Bauherr auftreten. In unserem Haus wird sehr viel gearbeitet und mit einem Wohnanteil von zehn Prozent auch ein kleines bisschen gewohnt.

Zehn Prozent Wohnanteil, so schreibt es das Nutzungskonzept vor. Was ist dort noch festgeschrieben und warum?

Das Gebäude ist speziell für das Bildungs- und Kreativgewerbe gedacht, also nicht etwa für große Anwaltskanzleien oder Luxusappartements. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Die Nutzung sieht 32 Prozent Bildung vor, 22 Prozent Kreativwirtschaft, Einzelhandel, Wohnen, Kunst und Gastronomie. Dieses spezielle Nutzungskonzept war auch der Grund, warum wir in einem Konzeptverfahren im Rahmen des Standortentwicklungskonzepts „Kunst- und Kreativquartier Südliche Friedrichstadt“ den Zuschlag vom Land bekommen haben. Dem Senat ist das Problem der Verdrängung ja durchaus bewusst, und er will hier entsprechend gegensteuern. Das Areal ging also nicht an den Meistbietenden, sondern an denjenigen, der aus Sicht der Stadt das überzeugendste Konzept vorzuweisen hatte. Unsere Baugruppe bestehend aus Kleinunternehmern ist in Deutschland bisher einzigartig, und wir wünschen uns sehr, dass es Beispielcharakter hat.

Die Sicherheit des Standorts macht den Kopf frei für die kreativen und visionären Aspekte der Arbeit, meint competitionline-Gründerin Angelika Fittkau-Blank.

Die Sicherheit des Standorts macht den Kopf frei für die kreativen und visionären Aspekte der Arbeit, meint competitionline-Gründerin Angelika Fittkau-Blank.

Die Baugruppe gründete sich 2012, competitionline ist 2016 dazugestoßen. Warum?

Unser Mietvertrag für unsere Büroetage gleich um die Ecke vom jetzigen Standort lief zu diesem Zeitpunkt noch für zwei Jahre. Unser Vermieter hatte schon angekündigt, dass er die Miete mindestens verdoppeln würde. Inzwischen zahlt man in dieser zentralen Lage schon 30 Euro und mehr pro Quadratmeter. Das hätte Auswirkungen auf das Preis-Leistungs-Verhältnis unserer Produkte, die wir nicht auf unsere Kunden übertragen möchten.

Wir mussten uns perspektivisch also nach etwas Neuem umsehen. Da kam der Zufall ins Spiel: Eine Mitarbeiterin aus unserem Vertrieb rief bei Deadline Architekten an, um zu fragen, ob sie nicht competitionline-Mitglied werden möchten. Mitinhaberin Britta Jürgens drehte prompt den Spieß um und fragte: „competitionline? Wollt Ihr nicht Mitglied in unserer Baugruppe werden?“ Als mir das meine Mitarbeiterin weitersteckte, habe ich mir das Konzept angeschaut und schnell Kontakt aufgenommen.

Der dreiteilige Bau des Frizz23 liegt direkt am Besselpark. Rechts daneben der Neubau der taz.

Der dreiteilige Bau des Frizz23 liegt direkt am Besselpark. Rechts daneben der Neubau der taz.

Welche Vorteile hat diese Baugruppe?

Kleine Unternehmen können zusammen in der Innenstadt bauen, was sie alleine nicht stemmen könnten. Nun gehört uns das Haus. Niemand kann uns hier verdrängen. Wir nutzen es nicht nur, es geht auch gelebte Verantwortung damit einher. Wir passen auf, räumen Müll weg, jeder schaut nach dem anderen. Außerdem hatten wir natürlich Einfluss auf die Gestaltung und Grundrisse. Alle Einheiten wurden individuell geplant, was toll ist, aber auch extra Zeit und Kosten verursacht hat.

Was ist der Nachteil einer Baugruppe?

Man muss das schon wirklich wollen. Wir haben in über 60 Baugruppensitzungen alles, aber auch alles diskutiert und zur Abstimmung gebracht. Dafür braucht es Zeit, Energie und Ressourcen.

Mit Weitblick für einen attraktiven Unternehmensstandort: Angelika Fittkau-Blank auf der Dachterrasse des Frizz23, neue Heimat von competitionline

Mit Weitblick für einen attraktiven Unternehmensstandort: Angelika Fittkau-Blank auf der Dachterrasse des Frizz23, neue Heimat von competitionline

Warum wollten Sie mit Ihrem Unternehmen unbedingt in diesem Viertel bleiben?

Dieses Viertel lebt und vibriert und macht kreativ. Wir sind hier mitten im Verlagsviertel, direkt neben der taz und mit Blick auf Springer und den Start-up-Inkubator Rocket Internet. Überall gibt es Galerien und Restaurants. Das ist das Umfeld, in dem wir arbeiten wollen. Wir müssen für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen attraktiv bleiben. Und das geht nur, wenn wir in einem attraktiven Umfeld und so zentral wie möglich sind.

Wie meinen Sie das?

Wir stehen als Arbeitgeber in direkter Konkurrenz zu Google, Zalando oder anderen Big Playern, die sich in Berlin die Filetgrundstücke in zentraler Lage sichern. Wir konkurrieren um dieselben smarten Mitarbeiter. Diese wollen inhaltlich sinnvolle Arbeit in einem tollen Umfeld leisten. Für uns ist ein attraktiver Standort geschäftsentscheidend.

Um langfristig hier bleiben zu können, ohne dass wir von Mietausgaben aufgefressen werden, haben wir uns für diese Baugruppe entschieden. Nun haben wir eigene Räume an der Schnittstelle vom kreativen, rebellischen Kreuzberg zum gewichtigen Regierungsviertel. Verlegerviertel meets Politik und Wirtschaft sozusagen.

Das Forum in den neuen Räumen von competitionline verbindet gemeinschaftliche Begegnungsflächen mit ruhigen Arbeitsbereichen.

Das Forum in den neuen Räumen von competitionline verbindet gemeinschaftliche Begegnungsflächen mit ruhigen Arbeitsbereichen.

Betritt man die neuen Räume von competitionline, fällt auf, wie gut durchdacht das Raumkonzept der offenen, großen Büros mit einer vergleichsweisen ruhigen Arbeitsatmosphäre an den einzelnen Arbeitsplätzen korrespondiert. Große Fenster lassen viel Licht herein. Wer einmal seine absolute Ruhe braucht, kann sich in separate Ecken zurückziehen.

Was hat sich für Sie im konkreten Arbeiten geändert?

Früher hatte ich mein eigenes Büro. Heute sitze ich mit fünfzehn Kollegen in einem großen luftigen Raum. Ich kann schnell was absprechen, die einzelnen Abteilungen arbeiten besser zusammen. Wir kommen so insgesamt schneller voran. Und wenn ich meine Ruhe brauche, setze ich Kopfhörer auf oder gehe zum Telefonieren in einen Besprecher.

Private Arbeitsnischen im großzügigen Büroraum bei competitionline.

Private Arbeitsnischen im großzügigen Büroraum bei competitionline.

Was bedeutet es für Sie und Ihr Unternehmen, eigene Räume zu besitzen?

Wir sind jetzt noch unabhängiger. Das ist ein gutes Gefühl und gibt uns Sicherheit. Ich habe die Firma als kleines Start-up gegründet und ohne große Schulden und ohne Investoren groß gemacht. Niemand redet uns rein, und wir können uns ganz darauf konzentrieren, ein gutes Produkt für unsere Kunden zu erstellen, und müssen nicht erst Investorenwünsche befriedigen. Die eigenen Räume, die uns unabhängig von der Gewerbemietpreiseskalation machen, entsprechen meinem und unserem Selbstverständnis. Sie geben uns Sicherheit und machen den Kopf frei für das Kreative, für das Visionäre unserer Arbeit.

Was ist das Visionäre?

Wir erkennen, dass die Zeit im Wandel ist und dass wir uns ständig mit wandeln müssen. Im Kern steht, dass wir die besten und relevantesten Nachrichten, Geschichten und Informationen für Architekten täglich zusammentragen und zu ihnen bringen wollen. Wie das passiert, welches Format das hat, das ist immer im Fluss.

Frizz23

Der schwarz-strahlende turmartig gegliederte Querriegel am südlichen Ende der Friedrichstraße markiert einen Meilenstein in der Berliner Liegenschaftspolitik. Er zeigt, wie Stadtentwicklung „von unten“ dank der Initiative von Bürgern und lokalen Akteuren möglich und erfolgreich sein kann. Die Grundstücke rund um den ehemaligen Blumengroßmarkt waren seit Jahren heiß umworben. In dem städtebaulich fragmentierten Areal zwischen der Friedrichstraße und dem Jüdischen Museum hatte sich seit der Wende eine Vielzahl an Galerien, temporären Nutzungen, Einzelhandel und sozialen Initiativen angesiedelt. Aufgrund des Einsatzes von Dr. Helmut Riethmüller (Forum Berufsbildung) und des späteren Engagements einer Bürgerinitiative vergab das Land Berlin drei von sechs Baufeldern an die überzeugendsten Konzepte anstatt an die höchsten Gebote. Zwei weitere Grundstücke gingen an die taz sowie die dort bereits ansässige Ärztekammer, ein Grundstück befindet sich noch in der Konzeptvergabe.

Mit der ungewöhnlichen Idee, Bildung, kreatives Gewerbe und temporäres Wohnen in einer Baugemeinschaft zu kombinieren, haben die Initiatoren von Frizz23 – Deadline Architekten und Forum Berufsbildung – 2014 den Zuschlag für das Grundstück zwischen der Markthalle und dem Besselpark bekommen. In fünf Jahren Planung, zwei Jahren Bauzeit und unermüdlichem Diskurs mit lokalen Akteuren, Bezirk und Senat haben sie mit den insgesamt 42 Mitgliedern der Baugruppe ein Haus geschaffen, das neben Forum Berufsbildung und einem Miniloft-Hotel Künstler, Architekten, Musiker, Autoren und Illustratoren, Redaktionen und Agenturen, Werkstätten für Fahrräder und Upcycling-Taschen sowie Gastronomie und Co-Working unter einem Dach vereint.

Dieser Artikel erschien erstmals am 28. Juni 2019 auf competitionline.