modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Award / Auszeichnung (auch für Studenten) | 10/2020

euroterra. Architekturpreis für junge Planer 2020

Refugium Regenerativum

Sonderpreis I Gesundheitswesen / Krankenhausbau

Preisgeld: 1.500 EUR

Philipp Knaus

Student*in

Erläuterungstext

In fortschrittlichen Ländern genießen die Bürger eine nahezu bestmögliche Behandlung ihres Wohlbefindens in Bezug auf Körper und Geist. Zwar lassen die Möglichkeiten einer angemessenen Behandlung besonders in den ländlichen Regionen Deutschlands immer mehr nach, dennoch ist eine ausreichende medizinische Versorgung binnen weniger Kilometer verfügbar. Blickt man jedoch auf die Stadt Baraka, welche mit 100.000 Einwohnern eine der größten Städte im kongolesischen Bezirk Süd-Kivu ist, so ist diese nahezu selbstverständliche Versorgung nicht gegeben. Im Stadtzentrum existiert zwar ein kleines Krankenhaus, welches jedoch weder den Raum, noch die medizinische Ausrüstung und Struktur bietet, um dem Bevölkerungsaufkommen standzuhalten. Die Gemeinschaft der Nutzer, bestehend aus Patient, Personal und Besucher sollen mit dem Entwurf eines neuen Krankenhauses außerhalb des Stadtkerns einen Ort des Rückzugs und der bedingungslosen Heilung erhalten, welcher die Region stärkt und das Wohlbefinden der Bevölkerung unterstützt.

Nachhaltig, mit regional vorkommenden Materialien zu bauen ist hierbei unabdingbar, da der Region einerseits die technischen und finanziellen, aber auch fachspezifischen Qualifikationen fehlen. Das vorherrschende architektonische Bild in Baraka ist die Lehmziegel-Hütte, auf Naturstein-Fundamenten gedeckt mit Wellblech oder Reet. Der direkt auf der Baustelle gepresste und gebrannte Vollziegelstein gibt den Nutzern die Möglichkeit effiziente Belüftungssysteme zu konstruieren, welche rein durch die passive Querlüftung die Sterilzonen wie den OP oder die Behandlungsräume der Geburtenhilfe und der Notfallambulanz zu temperieren und klimatisch auf einem ausgewogenen Niveau zu halten. Die Bauweise dient aber auch der Unterscheidung zwischen öffentlichen und krankenhausinternen Räumen. So zeichnen sich die Pflegebereiche durch ihre offene Struktur besonders durch die leicht anmutende Holz-Dachkonstruktion aus und verzahnen sich mit der umgebenden Natur, wobei die eigentlichen Patientenzimmer durch ihre massive Ziegelkonstruktion und die leicht zu konstruierenden Kappendecken den Schutz vor äußeren Einflüssen der Dschungelregion bieten.

Die Behandlungsbereiche und Servicezonen dienen als introvertierter Gegensatz zu den extrovertierten öffentlichen Bereichen. Eine Behandlung im Krankenhaus ist in Baraka nicht alltäglich, weshalb Teile der Bevölkerung einem Arztbesuch eher ablehnend gegenüberstehen. Die nach innen geschlossenen Höfe dienen der Beruhigung des Geistes und sorgen für ein ruhiges und schützende Klima, um die Patienten auf die bevorstehende Untersuchung einzustellen. Architektur, Gemeinschaft und Heilung sollen in dem Entwurf zusammengeführt werden und die bestmögliche Umgebung für Gesundende und deren pflegende Angehörigen bieten, ohne den internen Krankenhausbetrieb zu blockieren.

Abweichend von europäischen Großkrankenhäusern konnten in diesem Entwurf keine unterschiedlichen Ebenen mit entsprechender Nutzungsfläche entstehen. Die große Herausforderung lag also darin, Bewegung von Patient, Besucher, Personal und Material entsprechend zu analysieren und auf ein horizontales System zu übertragen. Somit ist in den Pflegeeinheiten ein Nutzungssystem entstanden, wobei die Bettenzimmer im Zentrum liegen, flankiert von der Besucher- & Patientenerschließung auf der einen und der Sterilzonen-Erschließung auf der anderen Seite. Ein ähnliches Prinzip wurde im großen Maßstab auf den Krankenhauskomplex übertragen. Um Besucher & Patient außerhalb der Sterilzonen zu halten, wurden diese ins Zentrum des ganzen Komplexes gelegt, welche im Norden und Süden von den Pflegebereichen flankiert werden. Somit wird ein mögliches Einschleusen von Erregern innerhalb der Sterilzonen minimiert bzw vermieden. Innerhalb der kritischen Zonen, besonders im OP wurde ein architektonisches System entwickelt, das einem Start-to-End Prinzip folgt. Also das Einschleusen von Patient, Personal und Material auf der einen Seite und Ausschleusen auf der anderen ohne eine Überschneidung zu riskieren.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf für ein „Refugium Regenerativum“ beschäftigt sich mit der Frage, wie in wenig entwickelten Ländern eine Gesundheitsversorgung sichergestellt werden könnte, die neben der reinen Behandlung auch die Lebensumstände und gesellschaftlichen Verhältnisse der Kranken berücksichtigt.
Ausgehend von dem Gedanken, dass ein solcher Krankenhausbau mit lokalen Baumaterialien von lokalen, möglicherweise nicht umfassend ausgebildeten Handwerkern errichtet werden sollte, entwickelt die Arbeit eine eingeschossige Anlage mit deutlich ablesbaren unterschiedlichen Nutzungsbereichen. Notaufnahme, Operationsbereiche mit durchdachter Wegeführung und Entbindungsstation sind ebenso vorhanden wie die Patientenzimmer.
Die Patientenzimmer sind – ungewohnt für Betrachter aus der sogenannten ersten Welt – ohne eigene Wasserversorgung als Mehrbettzimmer geplant. Solche Vorschläge reagieren auf die örtliche Situation, in der die Nutzung der Wasserversorgung den Patienten vorbehalten und von den zahlreichen Besuchern getrennt werden soll. Die Versorgung der Kranken durch Familienmitglieder stellt eine weitere Herausforderung dar, die sich in der architektonischen Haltung logisch abbildet. Die Flügel der Anlage bilden Innenhöfe, in denen Aufenthaltsflächen angeboten werden und ausreichend Platz für Patienten und Besucher vorhanden ist.
Das Projekt zeichnet sich durch ein hohes Maß an Angemessenheit aus. Zum Teil durchbrochene Ziegelwände, offene Holztragwerke und geneigte Dächer, die in einigen Bereichen zur Vermeidung von Überhitzung vom eigentlichen Behandlungsraum abgelöst sind, schaffen eine anregende, regional verbundene und aufgeräumte Atmosphäre. Ein gelungener Beitrag, der den Menschen in den Mittepunkt stellt und eine wichtige Thematik eindrucksvoll durcharbeitet.