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Offener Wettbewerb | 03/2024

Neubau Visitor Center - Oberes Belvedere in Wien (AT)

Haupteingang

Haupteingang

3. Rang

Arch.DI Tobias Weske

Architektur

Architektin Katharina Rabanser

Architektur

Wernly + Wischenbart + Partner Ziviltechniker GmbH

Tragwerksplanung

thermoprojekt

TGA-Fachplanung

B-LAB ZT GmbH

Brandschutzplanung

Apollonio Design

Visualisierung

Erläuterungstext

Architektonische Aspekte
Die ursprüngliche Intaktheit des Ensembles des Oberen Belvedere ist eine besondere Qualität und ein Merkmal, welches wichtig ist, für zukünftige Generationen bewahrt zu werden. Das Schaffen einer modernen, zurückhaltenden Eingangssituation, die höchstmöglichen Komfort und Raumqualitäten gewährleistet, ohne sich im Teichhof oder Pfirsichgarten in irgendeiner Form abzuzeichnen, wird als ein zeitgemäßes, in seiner Grundhaltung neuartiges Statement betrachtet, das sich von früheren zeichenhaften Baupraktiken unterscheidet.

Die hier vorgeschlagene Lösung macht auf räumlichen, konstruktiven sowie organisatorischen Ebenen aus diesen Rahmenbedingungen eine Tugend und erzeugt dadurch eine baukünstlerische Ergänzung zum ikonischen Barockbau. Dabei werden Motive und Typologien des historischen Architekturverständnisses des Barocks als Vorbilder für zeitgenössische Neuinterpretationen aufgegriffen.

Die neue Architektur ordnet sich mit bewusster Selbstverständlichkeit der spektakulären Architektur Hildebrandts unter. Als Leitmotiv des Entwurfs ist die Inszenierung der räumlichen Abfolge vom Hineintreten im Sockel des Kavaliertraktes auf der Prinz-Eugen-Straße bis zum Hinaustreten in der Sala Terrena. Die Besucher:innen werden vom Tumult der Großstadt mittels einer nach außen hin unsichtbaren räumlichen Sequenz, die wie eine musikalische Sonate komponiert ist, auf das Gesamtkunstwerk des Schlosses und seiner Umgebung eingestimmt.

Der Eingang erfolgt durch den neu gestalteten Eingangsbereich mit Tageslichteinfall im nördlichen Kopfbau des Kavalierstraktes. Die wieder geöffneten Blindfenster lassen, wie in der Barockarchitektur üblich, nicht direkt auf den inneren Inhalt schliessen und erzeugen durch den neuen, zweigeschossigen Raum des Entreé auf subtile Weise eine enigmatische Licht- und Raumwirkung. Nach dem Hinunterfahren der Rolltreppen gelangen die Besucher:innen in den ersten Abschnitt der sich konisch öffnenden Halle des Foyers.

Das hier eingesetzte Motiv der perspektivischen Verlängerung des Raumes ist in Anlehnung an Gian Lorenzo Berninis Scala Regia im Vatikan gedacht. In diesem Abschnitt befindet sich der Zugang zu den Besucher:innen-Garderoben. Es folgt eine subtile Einschnürung des Raumes, und eine Entschleunigung dees Bewegungsflusses findet statt. Hier befindet sich auch die Stelle, aus der die illusionistische Deckenbespielung in Erscheinung tritt und das Hauptmotiv der Lichtdecke sichtbar wird. Die künstlerisch-technische Ausformulierung dieses Elements ist besonders anspruchsvoll und wird ein Alleinstellungsmerkmal für das neue Visitor Center und das Belvedere bilden. Als wichtiger Aspekt der Deckenbespielung ist eine neuartige Beleuchtungstechnologie vorgesehen, die das Tageslicht simuliert. Für die Besucher:innen entsteht der Eindruck eines versunkenen Außenraums.

Von dieser Stelle der räumlichen und visuellen Verdichtung öffnet sich der Raum keilförmig und lenkt auf ein zweites optisches Element: Ein reliefartiger Wandspiegel am Ende der neuen unterirdischen Halle interpretiert metaphorisch die Symmetrie und lenkt die Besucher:innen auf subtile Weise in das historische Museum hinauf. Diese Intervention der "Spiegel" - Symmetrie ist als Kunstwerk angedacht und könnte Einblicke in die "Archäologische Promenade" an der Nahtstelle zwischen Barock- und Neubau zeigen.

Ergänzend zur Tageslichtdecke, die wie ein künstlicher Himmel wirkt, wird die Anmutung eines lichtdurchfluteten Außenraumes durch die Ausrichtung der Längswände des Foyers unterstützt. Arkaden und überdachte Nischen erinnern in ihrer robusten Erscheinung an Gebäudefassaden - ein weiteres Motiv aus der Barockarchitektur.

Über die zweigeschossige Stiegenanlage gelangen die Besucher:Innen auf das Niveau der Sala Terrena und können in den Raumabfolgen des barocken Gebäudes den Weg fortsetzen.

Die Sichtbarmachung der Fundamente des Schlosses an dieser Stelle wird als "Archäologische Promenade" inszeniert und stimmt die Besucher:innen auf die Ausstellungen ein und erlaubt darüber hinaus Einblicke in die historische Bausubstanz. Beim Betreten und Verlassen des Museums frequentieren die Besucher:innen den Museumsshop, der das inhaltliche Herzstück des Visitor Center ist, zentral positioniert und teils zweigeschossig. Die beschriebene Raumabfolge wird mit so wenigen Eingriffen wie möglich in die historische Bausubstanz eingefügt, in intensiver Abstimmung mit dem BDA.

Im Bereich des Kavaliertraktes, der nur noch teilweise intakte historische Substanz aufweist, wird der Sockel mit chirurgischer Präzision geöffnet. Die Zwischendecke im Bereich der ersten fünf Fensterachsen wird entnommen und ein neues Eingangsniveau geschaffen (-0.80). Zusätzlich zum Besuchereingang werden zwei Türöffnungen für das Restaurant und das Personal sowie Fensteröffnungen im Sockel des Kavalierstraktes geschaffen.

Funktionale Aspekte
Aus funktionaler Sicht verfolgt der Entwurf eine kompakte und klare Strategie. Alle Eingänge für Besucher:innen, Mitarbeiter:innen des Museums, Anlieferung von Kunst und Catering, sowie Zugang zur Gastronomie sind im nördlichen Kopfbau des Kavaliertraktes verortet und bilden somit eine eindeutige Adresse für das Obere Belvedere. Im Inneren sind die Wegeführungen für Besucher und Interne konsequent voneinander getrennt. Die interne Erschliessung für Mitarbeiter:Innen des Belvedere erfolgt über das EG und das UG über die grosszügigen Fluchtstiegen und barrierefrei mit eigenen Lift. Das neue Restaurant kann auch ausserhalb des Betriebes des Visitor Centers über einen eigenen Eingang betrieben und besucht werden.

Die stark frequentierten vertikalen Erschließungen erfolgen über Fahrsteige, ergänzt durch Treppen und zwei Lifte, die alle Geschosse barrierefrei bedienen können. Die Fluchtstiegen, die aus funktionaler Sicht ein wichtiges Element des Entwurfs bilden, werden über zwei in die interne Erschliessung integrierte Notstiegen mit motorbetriebenen Hubsystemen ins Freie geführt. Nach außen hin sind diese notwendigen Elemente, die auf den Grünflächen positioniert sind, praktisch unsichtbar, da die oberen Abschlüsse als Wannen ausgeführt und bepflanzt werden können. Über eine Brandmeldeanlage und redundante Stromversorgung ist die Funktion jederzeit sichergestellt (siehe auch Brandschutzkonzept).

Die Kunstanlieferung erfolgt ebenfalls über einen in den Boden eingelassenen, nur im Lieferungsfall sichtbaren, Lastenlift. Die Funktion ist über eine Totmannsteuerung gesteuert und schliesst somit Missbrauch oder Unfälle aus. Diese technischen Lösungen ermöglichen es, auf minimalem Raum und ohne visuelle Störungen der historischen Anlage zwei für den Betrieb des Visitor Center und des Museums elementare Aspekte umzusetzen.

Ökonomische, Ökologische Aspekte
Das Projekt zeichnet sich durch ein sehr kompaktes Volumen aus. Darüber hinaus kann durch eine sehr gute Wärmedämmung und die unterirdische Bauweise, in Verbindung mit sich dadurch ergebenden nicht erforderlichen Fensteröffnungen ein äusserst energieeffizientes Bauwerk geschaffen werden. Die Verwendung neuester, energieeffizienter Technologien, eine Wärmerückgewinnung durch Wärmetauscher in der Lüftungsanlage sowie Fernwärme und -Kälte tragen zur zusätzlichen Wirtschaftlichkeit und ökologischen Verträglichkeit des Bauwerks bei. In den betreffenden Parkbereichen (Teichhof und Pfirsichgarten) sollen die momentan asphaltierten Gehwege entsiegelt und in ihre ursprüngliche Ausgestaltung als wassergebundene Decken wiederhergestellt werden. Entlang der Prinz-Eugen-Strasse ist eine Neubegrünung mit Bepflanzungen vorgesehen, die eine hohe Biodiversität zulässt.

Städtebauliche und landschaftsarchitektonische Aspekte
Die landschaftsarchitektonischen und denkmalpflegerischen Vorgaben, die auf dem von Maria Auböck 1991 erstellten langfristigen und weitsichtigen Konzept basieren, bilden einen nachvollziehbaren, sehr guten und bis heute gültigen Fahrplan für die betreffenden Bereiche dieses Verfahrens.

Das im Projekt verfolgte Prinzip der Gartengestaltung vermeidet konsequent störende Interventionen im barocken Gartenbereich wie Oberlichte, Geländer, Stiegenaufgänge oder Geländemodellierungen. Im Umgang mit dem Pfirsichgarten wird eine Präzisierung der von Johann Peter Krafft konzipierten Neugestaltung um ca. 1850 angedacht, bei der die Wege und Schmuckbeete in reduzierter Form wieder eingeführt werden. Zusätzlich wird die Errichtung einer Stützmauer sowie einer Stiege an der südlichen Abgrenzung des Pfirsichgartens vorgeschlagen. Auch eine Pflanzung von Formgehölzen und die Wiederherstellung des Wandbrunnens des ehemaligen Pomeranzenhauses sollen im Pfirsichgarten umgesetzt werden.

Im Bereich des Teichhofes wird die reduzierte Wiederherstellung der Anlage um die Jahrhundertwende unter Einbeziehung der Baumordnung von 1721 vorgesehen. Dies bedeutet die Wiederherstellung der Oberfläche in wassergebundener Decke und die Erhaltung und Ergänzung der Formgehölze. Die Erweiterung des nördlichen Abschlusses der Rasenflächen und Wege wird in Anlehnung an die neobarocke Referenz von 1893/94 angedacht. Die Freiraumgestaltung auf der Prinz-Eugen-Straße entlang sieht die Herstellung einer ebenen Fläche im Bereich des nördlichen Kopfbaus des Kavalierstraktes vor. Somit entsteht eine Vorplatzsituation zum Haupteingang des Visitor Centers.

Hier befinden sich auch je ein Eingang zum Restaurant und für Mitarbeiter:innen des Museums. Weiterführend entlang der Prinz-Eugen-Straße soll der ebene Gehsteig mit mittiger Baumreihe und einen Grünstreifen in der Anmutung eines „Vorgarten“ hergestellt. Die Materialpalette für diesen Bereich sieht verschiedene Oberflächen, Muster und Größen von Natursteinpflasterungen vor.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Vermeidung von störenden Interventionen im Park und die Rückführung des Pfirsichgartens auf den Stand 1850 sowie die unauffälligen Eingriffe am Bestand des Kavalierstrakts an der Prinz-Eugen-Straße wird positiv gesehen. An der Prinz-Eugen-Straße sitzen der Eingang und die zwei Nebentüren leicht verschoben - diese ein wenig dislozierte Anordnung birgt ein Potential der Verbesserung für einen „großen Auftritt“ an der Straße.
Die in ihrer Größe zurückhaltende Eingangssituation fügt sich architektonisch sehr gut in den Bestand ein, wird als Haupterschließungsbereich für die zu erwartenden Besucher*innenströme aber als zu wenig großzügig angesehen. Die trichterförmige Öffnung des Raumes (Foyer) nach barockem Vorbild hin zur Vorhalle lässt räumliche Qualitäten erkennen. Das illusionistische Architekturelement in Kombination mit der Lichtdecke und die Idee der „archäologischen Promenade“ stellen ebenfalls spannende Element dar.
Die Situierung der öffentlichen Funktionen ist grundsätzlich gut gelöst. Kritisiert wird jedoch die nicht zur Gänze umgesetzte Barrierefreiheit. Die internen Funktionsanordnungen und Wegeführungen werden positiv gesehen. Die Kunstanlieferung ist auf Grund der Kreuzung mit den Besucher*innenströmen, in der dargestellten Form nicht zielführend. Die Situierung der Fluchtwege im barocken Garten müsste ebenfalls einer Neubetrachtung zugeführt werden.

Das Projekt lässt durch sein kompaktes Volumen und die zurückhaltenden Eingriffe im Kavalierstrakt eine wirtschaftliche Realisierung und Betrieb erwarten.

Die Vorschläge zur Rekonstruktion des Pfirsichgartens und der in Teilen interpretierten Akzente im Teichgarten werden gewürdigt. Die Vorfahrt für die Anlieferung im Pfirsichgarten ist zwar verständlich, könnte aber an anderer Stelle weniger störend sein.
Teichhof

Teichhof

Foyer

Foyer

Grundriss EG

Grundriss EG

Grundriss GG

Grundriss GG

Grundriss UG

Grundriss UG

Ansicht West

Ansicht West

Längsschnitt

Längsschnitt

Schnittperspektive

Schnittperspektive