modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 03/2024

Neubau Visitor Center - Oberes Belvedere in Wien (AT)

Anerkennung

winkler+ruck architekten

Architektur

Arch. DI Maximilian Keil

Architektur

Erläuterungstext

Dilemma
Im Laufe der Zeit wird einem Gebäude eine derart hohe Bedeutung angetragen, dass ein neues Entree in unverhältnismäßigem Ausmass - weder in historischer, inhaltlicher, noch baukultureller Hinsicht - notwendig wird.
Selten geht es mehr um Angemessenheit.
Sichtbarkeit
Das Haus wurde zum Museum, weil dessen ursprüngliche Aufgabe der Repräsentanz verloren ging und somit Raum, überbordend an Luxus in Ausstattung und landschaftlichem Setting in mitten einer Metropole frei wurde. Einzig die Kunst mit ihrer Wertigkeit vermag es dem Erwartungsdruck der Nachfolge standzuhalten.
Ein Zugang, erhaben als Solitär würde das prunkvolle Freistellungsmerkmal, eingebettet in die streng symmetrische Landschaft verändern, gar auflösen. Also bleibt der Zugang unsichtbar, um nicht mit der Lösung der Aufgabe die Aufgabe selbst zu zerstören.
Annäherung
Als Reaktion darauf legt sich ein Raum, subversiv in seiner Sichtbarkeit, sowie in seiner Größenordnung und Lage als Parallele zur Fassade, unter den Vorplatz. Mit nuancierten Ausblicken auf den Hauptprotagonisten (oberes Belvedere) bringt er eine, im wahrsten Sinne untergeordnete, aber proportional angemessene Größenordnung in das Gesamtensemble ein.
Kein Zugang - ein begehbarer Parallelraum. Kein Verstecken - ein Einordnen.
Kein geknicktes, unterirdisches Eingangssuchen - das Betreten einer Vorhalle mit Zutritt in die Haupthalle.
Qualität
Heute ist Information wichtig, nicht mehr Repräsentation, vielmehr der Zugang zu dieser rar gewordenen Eigenschaft. Die in der Vergangenheit angewandte Bauqualität ist nicht mehr erreich- oder wiederholbar, sie ist wie vom Aussterben bedroht. Dennoch stellt die Gegenwart eine berechtigte Anforderung an das Vorhandene, die in der Zahl der Besucher die Vergangenheit bei weitem übertrifft.
Die Massnahme wird nahezu unsichtbar belassen, da sonst die Lösung der Aufgabe ebendiese zerstört. Allerdings wird eine Wertigkeit angesetzt, die unsere heutige Zeit einfordert und verdient.
Deshalb der lang gestreckte Parallelraum unter dem skulpturalen Lichtfächer aus Beton, der Freiraum aufspannt für neue Ideen, die hier stattfinden können, um nicht nur Windfang zu sein, sondern auch Raum für Kunst und Kommunikation, für Event und Kultur und natürlich für die ureigenen Aufgaben von Willkommensgebäuden: Das reine Funktionieren reicht dem hohen Anspruch des historischen Gegenübers keinesfalls.
Die aus diesen Gründen angesetzten höchsten Qualitäten in Material und Konstruktion stehen sich in versetzten Ebenen gegenüber, in denen sie nicht konkurrieren. Der Lichtfilter, der im bekiesten Platz lediglich als zahlreiche, wie mit einem etwas größerem Rasiermesser gemachte, aufklaffende Schnitte sichtbar wird, schafft von oben eine Ahnung der Absicht und der Wertigkeit des Raumes darunter. Von unten aus gesehen betreten wir einen Saum entlang der ständig durch die Schlitze des Daches aufblitzenden Fassade des Belvederes, das schließlich Ziel dieser Annäherung ist.
Eingang
Es ist klar, der Kavallierstrakt ist nicht das Schloss, aber er ist Teil der Anlage, Teil der Epoche, Teil der Assoziation. Also werden die Fenster des Kopfgebäudes auf das Platzniveau gezogen - ein Portalhaus entsteht:
Betretbar von außerhalb und innerhalb der Schlossmauern. Fast symbolisch freundlich geöffnet. Freundlicher und offener als alles in der Nähe - deshalb und weil Teil der historischen Anlage - als Hauptentree lesbar und erkennbar. Das Neue wird nur im unsichtbaren Dazwischen zu erleben sein, mit all seinen Aufgaben, seinen Funktionen, die Kommunikation zwischen Gebäuden und Ansprüchen herstellend - unsichtbar - beinahe wie eine digitale Cloud...

Beurteilung durch das Preisgericht

Zarte lineare Oberlichten werden an den Rampen zu einem leitenden Motiv, das als feine symmetrische Geste vor der Fassade gelegen das Bauwerk im Untergrund nach oben abzeichnet und im Untergrund die imposante Fassade sichtbar und wirksam macht.
Diese intelligente Verknüpfung wird im Alltag zu einem kulturellen Beitrag, der nur bestehen kann, wenn robust gebaut wird - weshalb für die Erhaltbarkeit ein Nachweis der überfahrbaren Konstruktion zu erbringen ist.
Die klare Materialität unterstützt die architektonische Aussage. Die Grundanlage als typologischer Gegensatz zum Mitteltrakt des Belvedere wird als überzeugender Vorschlag bewertet.

Durch die Anlage eines großen Raumes ist eine maximale Flexibilität gegeben, die auch im Sinne der Bauherrschaft umgesetzt ist.
Die klare Trennung der internen sowie externen Funktionen wird allerdings eher kritisch beurteilt, da manche Bereiche, wie z.B. der Rückzugsbereich für Mitarbeiter*innen, nicht ausreichend berücksichtigt sind. Somit ist eine störungsfreie Manipulation nicht überall
ausreichend gewährleistet. Der neue Verbindungsgang zum Schloss wird begrüßt, zieht aber einen Wegfall der bestehenden WC-Anlagen nach sich.
Die barrierefreie Erschließung ist mit der Platzierung der Aufzüge im Gebäude nicht zufriedenstellend umgesetzt. So kann der Shop auf dem oberen Plateau nur über einen langen Gang barrierefrei erreicht werden. Die Garderoben- und WC-Flächen sind zu klein dimensioniert. Die Fluchttreppen hinter den Hauptrampen des Schlosses kollidieren mit dem Fluchtbereich des Schlosses. Auch die Fluchttreppe über die Grünfläche wird wie vorgeschlagen, nicht realisierbar sein. Den Nachweis der künstlichen Belichtung bleibt das Projekt schuldig.

Der Vorgabe der Klimaeffizienz wird z.B. durch die Vorfertigung der Dachträger Rechnung getragen. Als Heizungssystem werden Hybrid-Kälte-Wärmepumpen vorgeschlagen, die in der Umsetzung nachvollziehbar scheinen.
Auch wenn der Eingangsbereich eher klein angelegt ist, werden die beiden Zugänge im Kavalierstrakt als vernünftige Lösung gewertet. Das Aufreißen der Fassaden über 2 Geschoße wird allerdings kritisch gesehen und so nicht realisiert werden können. Die symmetrische
Anlage des Projekts überzeugt im Zusammenspiel mit dem Schloss. Auch die gut sichtbaren Zugänge von der Parkseite werden positiv bewertet.

Die deutliche Distanz des Neubaus vom Schloss wird aus wirtschaftlichen Gründen sehr positiv gesehen.