modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Offener Wettbewerb | 03/2024

Neubau Visitor Center - Oberes Belvedere in Wien (AT)

Anerkennung

LAM ARCHITEKTUR ZT GMBH

Architektur

LAND IN SICHT - Büro für Landschaftsplanung

Landschaftsarchitektur

EK Energiekonzepte AG

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Logik des Projektes
Sowohl der stadt- als auch der parkseitige Zugang ins Visitor Center führen direkt zur Symmetrieachse der barocken Anlage. Diese wird als primärer Ordnungsfaktor gestärkt und soll dazu genutzt werden, die primäre Funktion des Visitor Center, die Verknüpfung von Stadtraum, Museum und barocker Gartenanlage im großmaßstäblichen Kontext zu erfüllen. Entscheidend ist die Logik der Erschließungsfigur. Sie generiert einen kontinuierlichen Bewegungsfluss der Besuchenden, vereint Bestand und Neubau und bildet ein wesentliches Element der räumlichen Inszenierung von Architektur und Umgebung.
Eingang an der Prinz-Eugen-Straße – Symmetrische parkseitige Erschließung und Denkmalschutz
Der neue Hauptzugang erfolgt über den Kopfbau des nördlichen Kavalierstrakts an der Prinz-Eugen-Straße. Dieser fungiert als Windfang, von dem aus das unterirdische Foyer sowie die Gastronomie separat erschlossen werden. Die Ausformulierung des Eingangs erfolgt über drei Fensterachsen im Bereich der Sockelzone. Eine Treppen- und Rampenanlage führt hinab zum tieferliegenden Haupteingang. Ein neuer Vorplatz sowie die Aufwertung der Zuwegung stärken die Adressbildung. Die geschlossene plastische Fassade des Kopfbaus und das Brüstungs-element bestimmen den Ausdruck des stadtseitigen Hauptzugangs.
Die zwei parkseitigen Zugänge sind symmetrisch zur Achse angeordnet und schreiben die bestehende Ordnung fort. Mit einer Treppenbreite von vier Metern korrespondieren sie mit dem Maßstab von Schloss und Park. Die parkseitige Erschließung des unterirdischen Visitor Center stellt einen unumgänglichen Eingriff in die denkmalgeschützten Außenanlagen dar. Sobald die Brüstungen die Öffnungen für die Treppenabgänge schließen wird die Integrität der Platzfläche zwischen Schloss und Spiegelteich wiederhergestellt. Das Öffnen und Schließen der Abgänge ins unterirdische Foyer ist einerseits ein technischer Vorgang, anderseits ein Verfahren im Sinne des Denkmalschutzes, das die historische Situation respektiert und bewahrt. Die stadt- und parkseitige Erschließung erleichtert es den Besuchenden zwischen way in und way out zu unterscheiden.
Anlieferung Kunstwerke
Die Anlieferung der Kunstwerke erfolgt über die Ostfassade des Kavalierstrakts direkt neben dem Personalbereich bzw. -eingang. Ein temporäres, als freistehende Konstruktion konzipiertes Vordach definiert eine geschützte Anlieferzone in Fortführung der bestehenden Parkplätze. Die Grundrissorganisation minimiert die Berührungspunkte von Publikum und Hauspersonal bzw. der Kunst- und Warenanlieferung. An die interne Erschließung können weitere Lager- und Manipulationsflächen angeschlossen werden. Die Anbindung der Gastronomie ans Foyer des Visitor Center sowie die Möglichkeit der Einbindung und Neuprogrammierung des Kavalierstrakts sind wesentliche Parameter für die Planung der internen Erschließung.
Raumstruktur
Sechs parallele Wände bilden die gerichtete Struktur des neuen Visitor Center und generieren fünf Raum-schichten unterschiedlicher Breite. Die erste und fünfte Raumschicht enthalten die interne Erschließung. Die zweite Schicht nimmt die öffentliche parkseitige Erschließung sowie die dienenden Funktionen Technik, Garderobe und Sanitär auf. Die dritte Schicht ist das langgestreckte Foyer in Fortführung des stadtseitigen Hauptzugangs, das an die vierte Schicht mit Shop und Informationszone anschließt. Mit dem Öffnen der Wände im Bereich der barocken Symmetrieachse wird eine räumliche Transparenz erzielt, womit die axiale Anbindung des Visitor Center an Schloss und Park hergestellt wird. Die Differenzierung von dienenden und bedienten Schichten sowie die maximale Transparenz in Querrichtung kennzeichnen die Raumstruktur.
Anbindung an den Bestand – Konstruktiv-statisches Konzept
Die unterirdische Anbindung an die barocke Achse des Oberen Belvedere erfordert es, die Lasten, die auf das historische Fundament wirken, statisch abzufangen. Dies erfolgt durch Unterzüge in Fortführung der Wände zwischen mittleren und äußeren Treppenläufen der Prunkstiege.
Zeitgenössischer Ausdruck – Abstraktion und Technologie
Konträr zu den Räumen des Oberen Belvedere sind die raumbildenden Oberflächen des neuen Visitor Center nicht plastisch, sondern planimetrisch. Die barocke Raumauffassung zielt auf die unendliche Fortführung des Raumes mittels konkaver und konvexer Oberflächen, verstärkt durch ein Maximum an Illusionstechnik durch Spiegel und Gemälde. Die Raumbildung des Visitor Center erfolgt hingegen abstrakt mittels Flächen wie der gelb eingefärbte Boden, die weiße Lichtdecke sowie die betonierten Wandflächen. Die Technologie ist das entscheidende Mittel, um das Projekt bei klarem Verzicht auf historisierende Annäherungen als Resultat seiner Entstehungszeit zu charakterisieren. Die Schnittperspektive zeigt die Gegenüberstellung von barocker Gewölbestruktur der Sala Terrena mit ihren vier mächtigen, stark plastischen Atlanten einerseits sowie moderner Raumbildung durch weitgespannte Träger andererseits.
Kunstlicht
Die Lichtdecke des Foyers und der Informationszone erzeugt eine weiße Fläche, deren Helligkeit mit der unterirdischen Lage des Visitor Center kontrastiert und für das Publikum einladend wirkt. Der Einsatz von Kunstlicht geschieht mit der Absicht, die Eingriffe in den denkmalgeschützten Park auf ein Minimum zu reduzieren.

Mitarbeit Architektur: Christian Buresch

Beurteilung durch das Preisgericht

Das vorgeschlagene Konzept vermittelt durch die Art der Darstellung seine konzeptive Klarheit. Diese Klarheit ermöglicht eine vielfältige Nutzung in der Zukunft. Die Nutzung wird ergänzend zu den in den 3D-Darstellungen gezeigten Architekturelementen eine maßstäbliche Gesamtanmutung vermitteln. Das Farbkonzept ist von großer Bedeutung für die
räumliche Wirkung des Projekts; jedoch überzeugt der konkrete Farbvorschlag noch nicht.

Das Projekt wird hinsichtlich seiner funktionalen Flexibilität gewürdigt, da es eine gute Anpassbarkeit an zukünftige Anforderungen ermöglicht. Obwohl die Verfasser*innen den Hauptzugang über den Kavaliertrakt beschreiben, werden die Zugänge vom Park als dominanter betrachtet. Es ist jedoch kein barrierefreier Zugang in diesem Bereich vorgesehen, was als nachteilig und diskriminierend bewertet wird. Aufgrund der weit auseinanderliegenden Eingänge müssten nicht ein, sondern zwei Sicherheits-Checkpoints eingerichtet werden.

Das Projekt erzielt mit einer Kubatur, die sich am Mittelwert der eingereichten Projekte befindet, eine äußerst wirtschaftliche BGF im oberen Bereich. Während das haustechnische Konzept sehr fortschrittlich ist, ist die Stahlbetonbauweise für das unterirdische Gebäude angemessen. Dennoch sollte die Stahlbetonbauweise hinsichtlich der Einsparung von Treibhausgasen für die Errichtung weiter optimiert werden, beispielsweise durch den Einsatz von Beton-Leichtbaukonstruktionen.

In Referenz zur barocken Achsenstruktur bietet dieses Projekt eine starke Idee: 2 Objekte als Setzungen im Teichgarten, die als breite Hauptzugänge zum Oberen Belvedere wirken. Diese wären im Sinne des Kinetismus veränderlich, klappbar und vom Gartenblick aus wie Schmetterlingsflügel; im Alltag robust und machbar im Gelände integrierbar. Der Eingang von der Prinz-Eugen-Straße wirkt klug gesetzt, auch wenn die Brüstungsmauer massiv wirkt. Der Pfirsichgarten bleibt unverändert im aktuellen Zustand.
Schnittperspektive des Anschlussbereichs an das Schloss / Sala Terrena

Schnittperspektive des Anschlussbereichs an das Schloss / Sala Terrena