modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Award / Auszeichnung | 06/2024

Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg 2024

Hartmann-Baumann-Schule, Hockenheim

DE-68766 Hockenheim, Schubertstraße 17

Anerkennung | Kategorie: Bauen für Bildung und Forschung

Jöllenbeck & Wolf Architekten BDA

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Schulen

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 10/2022

Projektbeschreibung

Die Hartmann-Baumann-Schule liegt im Schulzentrum der Stadt Hockenheim aus den 1970er Jahren. Die Gesamtanlage besteht aus einem Fachklassengebäude und drei vereinzelt stehenden Klassengebäuden. Das gesamte Schulgelände befindet sich in einem Umwandlungsprozess, der insbesondere durch Umstrukturierung der Schulgrenzen und - Schulformen sowie durch den allgemein schlechten Zustand der Gebäude bestimmt ist. In diesem Sinn galt es im ersten Abschnitt, die ehemals zweizügige Grund – und Werkrealschule als dreizügige Grundschule neu zu strukturieren.
Gefordert wurde eine zeitgemäße Schule, die funktional, bautechnisch und energetisch die Anforderungen der Grundschulgemeinschaft erfüllt. Ein zusammenhängendes Haus mit einer klaren Zuordnung und Neuordnung der Freibereiche galt es zu konzipieren. Hinsichtlich des neuen Programms, aber auch bezüglich auf eine wirtschaftliche Umsetzung und der Zielsetzung eines nachhaltigen Betriebs, wurde die Bausubstanz der bestehenden Schulgebäude seitens des Bauherrn zunächst kritisch bewertet. Das schlechte Image der Betonarchitektur dieser Zeit mit ihrer Schadstoff- und Brandschutzproblematik und die fehlende Barrierefreiheit stand im Vordergrund. Im weiteren Austausch zwischen Bauherrschaft und Planungsteam entstanden differenzierte Betrachtungen und Lösungen der bauphysikalischen und brandschutztechnischen Defizite und damit zunehmend Wertschätzung für die architektonischen wie funktionalen Qualitäten der Architektur. Die besonderen Qualitäten der als Schustertyp konzipierte Bestandsgebäude wurden dabei aufgenommen und im Zusammenhang mit der Erweiterung weiterentwickelt.
Die Schule wünschte sich ein Identität gebendes, die Gemeinschaft stärkendes Haus. Mit der Verteilung des Schulbetriebs auf getrennte, lediglich über den Freiraum verbundene Gebäude war dies nicht möglich. Der letztlich zur Ausführung bestimmte Entwurf ist charakterisiert durch die Konzentration auf eines der dreigeschossigen Bestandsgebäude, dessen Erweiterung und Sanierung. Das Gelände der ungenutzt verbleibenden 3 Bestandsgebäuden und damit auch die Gebäudesubstanz selbst stehen im Umkehrschluss der weiteren Restrukturierung, insbesondere der Realschule zur Verfügung. Die Lage des Gebäudes ermöglicht eine ganz neue Zuordnung zu den umliegenden Freibereichen, dies gilt insbesondere zum in den letzten Jahren im Rahmen des Hochwasserschutzes geschaffenen innerstädtischen Naturraum des Kraichbachs. Diesem großräumig, verbindenden Naturraum wendet sich die Schule mit Haupteingang und Pausenhofbereich zu, es entsteht eine eigene, markante Adresse.
Das bauliche Konzept sieht die Ergänzung eines der dreigeschossigen Schulhäuser vor. Die Treppenhäuser werden Teil der neuen Erschließung, die Erweiterung dockt an diese an. Über die reine Erschließungsfunktion hinaus entstehen vielfältig nutzbare Differenzierungsflächen, die pädagogisch bespielbar sind. Zwischen Alt und Neu entsteht eine über alle Geschosse durchdringende Halle. Alle Wege und Perspektiven sind hier gebündelt – hier findet die Schulgemeinschaft ihre räumliche Mitte. Die Halle ist Treffpunkt und Präsentationsraum der Aktionen der Schule. Der dreigeschossige Bestand erhält im Sinn von „kurze Beine – kurze Wege“ über eine großzügige Dachterrasse einen unmittelbar auf gleicher Ebene zugänglichen Freiraumbezug.
Ein Abbruch wurde mit dem Konzept obsolet., das bestehende Klassenhaus wurde zur wertvollen Ressource und in allen tragenden Bauteilen erhalten. Die plastische Betonkonstruktion (Rippendecken auf Schotten) sind auf den ursprünglichen Bauzustand zurückgeführt, schadstoffseitig bedenkliche Beschichtungen konnten, gutachterlich begleitet, saniert, die ursprüngliche Haptik wieder hergestellt und sogar die wertigen Holzböden aufgearbeitet und erhalten werden.
Die für den Schuster Typ charakteristische Qualität der zweiseitigen Belichtung der Klassen und derer Querlüftbarkeit wird in der Restrukturierung aufgenommen und weiterentwickelt. Mit der Glas überdeckten, zentralen Halle besteht für Bestand-wie für den Anbau die Möglichkeit der zweiseitigen Belichtung. Die Querlüftung wird über die Thermik der Halle unterstützt. Gegen Regen und Zugriff geschützte Fassadenöffnungen werden motorisch geöffnet, gleiches gilt für die Öffnungsflügel der Halle und der Oberlichter. Eine MSR Steuerung automatisiert die Nachtauskühlung. Der Betonbau bleibt im Ausbau im Wesentlichen unverkleidet und wird als Puffervolumen aktiviert. Auf eine in Erstellung und Betrieb aufwendige Be- und Entlüftungsanlage konnte verzichtet werden. Im Weiteren sichert der Anschluss an die Nahwärme, die großflächige Nutzung des extensiv begrünten Dachs durch Photovoltaik und eine hochwertige Dämmung aller Außenbauteile einen sehr hohen energetischen Standard. Das Projekt wird von der KFW gefördert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Richtig beliebt sind sie bei den meisten nicht, die Betonschulen aus den späten 60er Jahren. Gerne werden daher bisweilen Altlasten und schlechte energetische Substanz als Argumente vorgeschoben, um für Abriss statt Umbau zu plädieren. Auch bei der Hartmann-Baumann-Schule in Hockenheim, einer bislang zweizügigen Grund- und Werkrealschule, die zu einer dreizügigen Grundschule umgebaut, beziehungsweise erweitert wurde, war es ein längerer Prozess, bis alle die Qualitäten des Bestandsbaus erkannt und schätzen gelernt haben.

Mit dem Umbauprojekt geht es einem ähnlich. Man muss zweimal hinsehen, um alle Qualitäten des Projektes zu erkennen. Aber je länger man hinsieht, umso offensichtlicher wird es, dass es sich um ein wirklich sehr klug gemachtes Projekt handelt. Es zeugt von großer Könnerschaft, wie der dreigeschossige, lediglich aus Klassenzimmern und Treppenhäusern – ohne Flure – bestehende Bestandsbau (Schustertyp) dem Neubau als Vorbild dient, wie beide so miteinander verwoben wurden, dass auf zusätzliche neue Treppenhäuser verzichtet werden konnte, wie der Bestand zum Vorbild für ein LowTech-Konzept mit natürlicher Lüftung wurde, wie die Qualität der zweiseitig belichteten Klassenräume des Bestands – und auch deren Geometrie – gespiegelt wurden auf den Neubau und dadurch eine perfekt funktionierende Zuordnung der Klassenräume und Jahrgangsstufen entstand.

Und damit nicht genug! Dem vielleicht etwas spröden Waschbetonbau aus den 60er Jahren wurde durch die Ergänzung einer lichtdurchfluteten dreigeschossigen Halle und einer großzügigen Dachterrasse neues Leben eingehaucht. Gemeinsam mit dem robusten und stimmigen Materialkonzept wird daraus eine sehr gelungene neue Grundschule.
Fügung Alt & Neu

Fügung Alt & Neu

Grundriss EG

Grundriss EG

Isometrie Funktion

Isometrie Funktion

Grundriss OG1

Grundriss OG1

Schnitt B-B

Schnitt B-B