modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Award / Auszeichnung | 05/2024

Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2024

Gesundheitskioske und Landzentrum

DE-99947 Sundhausen / Dorfregion Seltenrain

Preis

PASEL-K Architects

Architektur

Stiftung Landleben

Bauherren

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Gesundheitswesen, Groß- und Einzelhandel

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 03/2023

Projektbeschreibung

Das Projekt „Gesundheitskioske und Landzentrum“ in der Region Seltenrain in Thüringen steht beispielhaft für eine nachhaltige interkommunale Ortsentwicklung und Baukultur auf dem Land. Das Projekt zeigt, wie es kooperativ gelingen kann, Versorgungssicherheit zu gewährleisten und den sozialen Zusammenhalt in dünn besiedelten Räumen zu stärken. Engagierte Akteure vor Ort realisieren im Rahmen der IBA Thüringen Gesundheitskioske nach dem in Skandinavien gängigen System. Diese liegen in den Dörfern an den Bushaltestellen, werden multifunktional genutzt und mit einem hohen architektonischen Anspruch realisiert.

Eingebunden sind die Kioske in Blankenburg, Kirchheilingen, Sundhausen und Tottleben in ein überörtliches Entwicklungskonzept. Im Mittelpunkt stehen Ideen für einen neuen Typ von sozialer Infrastruktur im ländlichen Raum. Durch den unermüdlichen Elan der Beteiligten sind neue Organisationsformen im regionalen Verbund entstanden.

Die Baumaßnahmen werden seit 2021 in einem kollektiven Bauhüttenprozess mit zirkulärem Umbaukonzept realisiert. Das Team ist international zusammengesetzt, auch Studierende partizipieren. Die Architektur der Kioske vermittelt Aufbruch; sie werden als hochwertige Holzkonstruktion mit autarker Strom- und Wärmeversorgung ausgeführt. Die Bauweise ist je Standort individuell, um neue Wege Thüringer Holzbaukulturen vorzustellen. Ressourcensparendes Bauen, Holzbau, Zirkularität, gebrauchte Materialien und einfachste Bauweisen sind fest verankerte Grundprämissen.

Die mehrfach kodierten Räume werden kollaborativ entworfen und errichtet: Als Station für die vier Landschwestern des Projektes Agathe, als Beratungsstelle in allen bürokratischen Anliegen und Lebensfragen, als Orte der Gesundheitsvorsorge, als Punkt für Mitfahrgelegenheiten beim Projekt Landengel und als klassischer Bushalt für den öffentlichen Nahverkehr. Die Kioske entwickeln sich zu einem generationenübergreifenden Kommunikationsort im Dorf. Die Stiftung Landleben und Sundhausen sind das Zentrum des Netzwerkes. Das Konsum-Gebäude aus DDR-Zeiten wurde ideenreich zur Bürgermeisterei, Dorfkümmerei und Vereinerei unter Beteiligung von Studierenden und der Handwerkskompetenz vor Ort minimalinvasiv umgebaut.

Die Region Seltenrain führt beispielhaft für den ländlichen Raum vor Augen, wie Infrastruktur neu gedacht und Vorsorge auf dem Land in Zeiten des demografischen Wandels nachhaltig, sozial und architektonisch innovativ funktionieren kann – ein nachahmenswertes Modellprojekt für den ländlichen Raum.

Beurteilung durch das Preisgericht

Im Auftrag des gemeindeübergreifenden Vereins entwickelten die Architekten einen Grundgedanken zur Belebung der ländlichen Dorfstrukturen: den Aufbruch zu einer neuen sozialen Gemeinschaftsstruktur. Um der in Thüringen in Zukunft nahenden gesundheitlichen Unterversorgung im ländlichen Bereich vorzubeugen, entstand die Idee zum Bau der Gesundheitskioske. Im Vordergrund steht dabei nicht nur der Patient, sondern der Mensch bzw. der Bürger und dessen Bedürfnisse. Die Gesundheitskioske sind Beratungs- und Anlaufpunkt für ganz verschiedene Funktionen, die es in einem Dorfzentrum braucht. Sie sind dörflicher Treffpunkt, Bushaltestelle und Wartehäuschen in einem, verbinden Gesundheitsdienstleistungen mit WLAN-Hotspot, E-Bike-Ladestation und Regionalkiosk, und das alles auf kleinster Fläche. Das Leben auf dem Land soll so an Attraktivität gewinnen, neue Verknüpfungen geschaffen und vor allem die gesundheitliche Versorgung im ländlichen Bereich verbessert werden. Und tatsächlich, die neue Betrachtungsweise zeigt, was Architektur leisten kann. Die Gesundheitskioske überzeugen, weil sie zeitgenössische Holzbauweise mit lokalen Einflüssen aus der Region kombinieren – in jedem Ortsbild anders, individuell auf die dörfliche Struktur und den Charakter des Dorfes zugeschnitten, jenseits einer Uniformität. Fern von perfektionistischen Oberflächen wurden Materialien aus der Region genutzt und wiederverwendet. Die Entwürfe fügen sich aufgrund ihrer Platzierung, Bauweise und Kubatur – und wegen ihrer Materialien – gut in die ländliche Struktur ein und bilden so eine neue soziale Mitte im Dorf. Der experimentelle Charakter der Bauten bleibt gewollt sichtbar, um Prozesse, Entwicklung und Modellrolle zu veranschaulichen. Die Nutzung regionaler Ressourcen, Einbindung von regionalen Fachfirmen, Nachhaltigkeit in der Auswahl der Materialien und Zirkularität sind im Projekt verankert. Hier wird der ländliche Raum als Chance begriffen, der als Ganzes mitwirkt, um innovative, verblüffend einfache und zugleich erfrischende Gestaltungen zu schaffen.