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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2023

Neue Stadtmitte – vom Torso zum urbanen Zentrum Stadt Neu-Anspach

2. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

ARQ Architekten Rintz + Quack

Stadtplanung / Städtebau

Bauforum Berlin GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Leitbild

Das städtebauliche Leitbild ist der zentrale Platz, um den sich die neue Mitte entwickelt. Als Ort des öffentlichen Geschehens und für die dort lebenden Menschen, wird er zum Raum der Begegnung. Für die Stadt Neu Anspach wird hierdurch ein neues Zentrum geschaffen, welches zugleich eine autofreie, fußläufige Verbindung zwischen Adolf-Reichwein-Straße und dem Hauptbahnhof herstellt. Die Verbindung zwischen Adolf-Reichwein-Straße und Hauptbahnhof erfolgt in einer fließenden Bewegung horizontal über die neue Mitte, welche sich zentral zum „Marktplatz“ aufweitet, entlang der kettenartigen Baukörper, sowie dem Feldbergcenter, der Kirche und dem Bürgerhaus. Die Baukörper werden dabei so platziert, dass sie sowohl den städtischen Raum und seine Raumkanten schließen und zugleich offene Platzsituationen entstehen. Mittels vertikaler Verbindungsachsen entsteht eine Platzfolge aus Marktplatz und Bürgerpark bis hin zu den bestehenden öffentlichen Nutzungen südlich des Plangebiets. Hierdurch werden der Bestand und die „neue Mitte“ fließend miteinander verknüpft. Das umgebende Stadtbild ist von trauf- und giebelständigen Satteldachbebauungen in unterschiedlichen Höhen geprägt. Dieses Motiv wird in der geplanten Bebauung aufgenommen und zugleich neu interpretiert. Die zwei bis dreigeschossigen Baukörper ergeben mit ihren teils flacher und teils steiler geneigten Satteldächern eine lebendige Dachlandschaft, welche das gestalterische Leitbild für die „neue Mitte“ ist. In einigen Gebäuden wirken offene, „grüne Fugen“ als begrünte, vertikale Erschließung und zugleich als Sichtverbindung zwischen den öffentlichen Plätzen. Die Gebäudesetzung bricht die vorhandenen, diagonalen Strukturen des Bestands auf und schafft zugleich klare Achsen und Fluchten innerhalb des Gebiets. Der Rhythmus aus Gebäude und Lücke, der die Umgebung vorherrschend prägt, wird fortgeführt. Durch einen einheitlichen, durchgehenden Bodenbelag stehen alle Gebäude in direkter Verbindung zueinander und zum öffentlichen Raum. Der Marktplatz und der Bürgerpark heben sich durch einen Belagswechsel ruhig hervor. Neu geschaffene Vorplätze des Feldbergcenters und des Bürgerhauses integrieren die Bestandsgebäude in das Gesamtkonzept und schaffen einen klaren Rahmen für den Marktplatz. Die vorgelagerten Sitzbereiche beleben zugleich den Marktplatz als auch die Gebäude selbst.

Nutzungsverteilung

Um Urbanität zu schaffen, sind die Erdgeschosszonen den öffentlich zugänglichen Nutzungen vorbehalten. Ein ausgeglichener Nutzungsmix aus Einzelhandel, Gastronomie und Büronutzung prägt die neue Mitte Neu Anspachs. Hinzukommen das Gründerzentrum und ein Hotel am Marktplatz sowie ein Informationszentrum mit öffentlichen Toiletten. In den oberen Geschossen finden unterschiedliche Wohnformen ihren Platz. Wohnen für Jung und Alt, Generationenwohnen und auch der soziale Wohnungsbau verteilen sich über das gesamte Gebiet. Durch die schlichte Gebäudekubatur wird das Konzept für unterschiedlichste Gewerbe- und Wohnformen optimiert.

Erschließungskonzept

Aktuell wird das Gebiet zu großen Teilen als Parkraum genutzt und dadurch kaum als Aufenthaltsraum. Zudem ist das Plangebiet allseitig von Straßen umgeben, welche sich stark trennend auf die Fläche auswirken. Die neue Mitte wird ein Ort, der hauptsächlich von Fußgängern und Fahrradfahrern genutzt wird. Ein wichtiger Teil des Konzepts ist deshalb die Trennung der Hans-Böckler-Straße, sodass ein durchgehender Fuß- und Radweg entstehen kann. Dieser stellt die Verbindung zwischen dem bereits vorhanden Fuß- und Radweg und der neuen Mitte her. Mit dem PKW werden das Mobilityhub sowie die Parkflächen im südlichen Bereich erschlossen. Zudem wird eine Anbindung von der Hans-Böckler-Staße an die Adolf-Reichwein-Straße geschaffen. Somit ist das Plangebiet im Norden und im Süden mit dem PKW zu erreichen, die Gebietsmitte ist dem Fuß- und Radverkehr vorbehalten. Die Feuerwehr kann im Falle eines Einsatzes die Fuß- und Radhauptachsen befahren. Zusätzlich zu den Stellplatzflächen im Freiraum gibt es zwei Tiefgaragen. Eine im Bereich des Bürgerparks und eine weitere unterhalb des Marktplatzes. Die dort errichteten Stellplätze dienen zum Teil den neu errichteten Wohnungen. Besuchern der öffentlichen Nutzungen stehen, neben den Tiefgaragen, Parkplätze im Außenbereich sowie im Mobilityhub zu Verfügung. Die vorhandene Anlieferung des Feldbergcenters bleibt bestehen.

Grün- und Freiraumkonzept

Die „neue Mitte“ wird durch einen einheitlichen Belag aus Betonsteinpflaster zu einem homogenen, ruhigen Gebiet gestaltet. Der Marktplatz hebt sich durch einen Belagswechsel vom restlichen Freiraum ab. Hier wird eine helle, epoxidharzgebundene Oberfläche, welche versickerungsfähig ist, als nachhaltiges sowie gestalterisches Element gewählt. Die Funktionsbereiche werden hierdurch klar voneinander abgegrenzt. Der Bürgerpark Soll neben großzügigen Rasenflächen als Kulturstätte dienen. Ein Musikpavillon in dem Kleinkonzerte und andere Freiluftveranstaltungen stattfinden, wird zur Erweiterung des bestehenden Kulturangebots (Bürgerhaus) im Außenbereich. Eine Retentionsmulde mit Feuchtvegetation dient dem Regenwassermanagement. Zentrales Element auf dem Marktplatz ist ein bodengleiches Wasserspiel, welches zum Verweilen für Jung und Alt einlädt. Das Wasserspiel wird mit gesammeltem Regenwasser betrieben. Der Marktplatz erhält Platzbegrünung in Form von Solitärbäumen mit Sitzgelegenheiten. Der Marktplatz dient als Drehkreuz zwischen Feldbergcenter, Bürgerhaus und Kirche, sowie als Treffpunkt mit Sitzgelegenheiten und Außenbestuhlung der umliegenden Cafés und Restaurants. Die Vorplätze des Feldbergcenters sowie des Bürgerhauses werden mit Baumgruppen begrünt, welche an heißen Tagen Schatten spenden und zugleich das Stadtklima verbessern. Parken unter Bäumen erhöht die gesamte Freiraumqualität.

Mobilitätskonzept

Im südlichen Bereich des Gebiets wird ein großes Angebot an Stellplätzen, Car-Sharing-Stellplätzen, E-Ladestellplätzen sowie Fahrradstellplätzen innerhalb des Mobilityhubs geschaffen. Über Die Photovoltaikanlage auf dem begrünten Flachdach wird der Strom hierfür nachhaltig generiert und zugleich stehen die Fahrzeuge geschützt vor Witterungseinflüssen. Bike-Sharing, welches auch Lastenräder und E-Bikes beinhaltet, rundet das Mobilitätskonzept ab. Zudem kann über einen Shuttlebus der zwischen Mobilityhub und Bahnhof eine Schnellverbindung schafft, eine zusätzliche Erleichterung für Pendler geschaffen werden. Oberhalb des Mobilityhubs finden Parkplatzflächen im Freiraum unter Bäumen Ihren Platz, welche über die Gustav Heinemann-Straße erschlossen werden. Auf den privaten Grundstücken und in den Tiefgaragen werden zusätzliche Parkplatzflächen errichtet. Durch die Lage des Mobilityhubs im Nahbereich der Schule und der Turnhalle kann hier eine gemeinsame Nutzung zu unterschiedlichen Tageszeiten angestrebt werden.

Nachhaltigkeitskonzept

Erneuerbare Energien: Photovoltaikelemente auf den nach Süden und Süd-Westen ausgerichteten Dachflächen. Die übrigen Dachflächen werden begrünt. Platzflächen, die nicht versiegelt sind, in Form von epoxidharz- und wassergebundenen Wegedecken sowie begrünte Flächen ermöglichen die Versickerung von Regenwasser. Die öffentliche Grünfläche dient des Weiteren der Regenwasserbewirtschaftung. Über eine Baumrigole sowie eine Retentionsmulde wird das anfallende Oberflächenwasser aufgenommen und kann dann langsam versickern. So wird bei Starkregenereignissen eine Überschwemmung des Gebiets verhindert. Das Oberflächenwasser im Bereich des Marktplatzes soll zudem gesammelt werden und den Baumgruppen und Platzbepflanzungen zugeführt werden.

Frischluftachse: Die Bebauung wird so platziert, dass eine Frischluftachse von Norden nach Süden für eine natürliche Belüftung des Gebiets sorgt. Die Wasserfläche auf dem Marktplatz sorgt für Kühlung im Sommer.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf zeigt ein insgesamt gut ausgewogenes Verhältnis von Bebauungs- und Grünflächen mit angemessenen und gut nachvollziehbaren Nutzungsbausteinen. Dennoch ist die Plausibilität und Funktionalität bei einigen Detaillösungen auch zu hinterfragen.

Bebauungs- und Freiflächenkonzept
Der Wohnungsbau im Süden ist aufgrund des Nutzungskonfliktes mit den angrenzenden Sportstätten kritisch zu betrachten. Das Gebäude fügt sich städtebaulich in die Umgebung ein, allerdings ist die Funktionalität an dieser Stelle nicht sinnvoll. Das Mobility-Hub wäre an dieser Position geeigneter, da der Parkraum dort durch die Nähe der Sporthalle, Schule und des Bürgerhauses mehr benötigt wird, als im Norden. Der Vorschlag im Westen überwiegend privaten Wohnraum vorzusehen, wird insbesondere zur Realisierung des Projektes sehr positiv gesehen. Die angedachte Typologie wirft zur Nutzung des Grünraumes jedoch Fragen auf. Beispielsweise kann durch eine Drehung der Wohnhäuser die Trennung zwischen privater und öffentlicher Grünfläche besser herausgestellt werden. Die Struktur des geplanten Grünraumes um das Bürgerhaus wird positiv bewertet und dient der Aufenthaltsqualität. Auch wird dadurch die Verbindung zum Bahnhof deutlicher herausgestellt. Gegen das vorgeschlagene Seniorenwohnen mit Arztpraxis im Osten des Plangebietes ist nichts einzuwenden, allerdings sollte der Abstand zum Jugendhaus größer gewählt werden.

Verkehrs- und Mobilitätskonzept
Das Mobility-Hub wird an dem vorgesehenen Ort, direkt am Hauptplatz, kritisch angesehen. Es besteht eine große Gefahr, dass die geplante Nutzung nicht zur Belebung des Platzes beiträgt. Zudem fehlen oberirdische, einfach anfahrbare Stellplätze im Bereich des Rewe bzw. Feldberg-Centers. Des Weiteren wird durch die Größe und Ausgestaltung des Mobility-Hub die Entreesituation des Feldberg-Centers verbaut. Auch die geplante Andienung des Feldberg-Centers durch die Umlegung der Hans-Böckler-Straße sowie der 90 Gradkurve wird in der Nutzung durch den Anlieferverkehr mit z. B. einem Gliederzug nicht genutzt werden können und ist deshalb äußerst kritisch zu sehen. Die gewählte Typologie der Wohnbebauung im Norden des Plangebietes wird wiederum durch die Aufnahme der Nachbarstruktur sehr positiv bewertet. Sie beruhigt die Struktur und fügt sich in die Umgebung ein.

Fazit:
Einem insgesamt geglückten Bebauungs- und Freiflächenkonzept für eine Neue Mitte Neu-Anspachs stehen im Detail einige Schwächen in der Bebauungs- und Nutzungsstruktur gegenüber. Insbesondere die Lage und Dimension des Mobility-Hub birgt für die weitere städtebauliche Entwicklung auch Risiken.