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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2023

Innovative Grundrisse für den geförderten Wohnungsbau

1. Preis / Typologie Punkthochhaus

03 Arch. GmbH

Architektur

hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

MULTIPLE CASE HOUSE
Wohnhochhäuser sind hochdichte Wohnformen, die Qualitäten und Perspektiven mit sich bringen, welche nur in der Typologie Hochhaus erreicht werden. Auf stadträumlicher Ebene entstehen, neben der möglichen Definition urbaner Merkzeichen, Potentialräume für einen stark von Grün geprägten und wenig versiegelten Freiraum , eine hohe Nutzerdichte bietet zudem ein großes Maß an Interaktionsmöglichkeiten, die bauliche Dichte zieht notwendigerweise das Angebot von wohnungsnaher Infrastruktur nach sich. Das Wohnen im Hochhaus stellt trotz dessen eine Besonderheit dar. Geprägt durch die in den 70er Jahren entstandenen Großsiedlungen gibt es auch in Ballungsgebieten umfangreiche Vorbehalte, die über die rein stadträumliche Situierung von Hochpunkten hinaus gehen: auf das räumliche Minimum reduzierte, technik-dominierte Erschließungsräume mit geringer Aufenthaltsqualität und große, unüberschaubare Nachbarschaften erschweren den Austausch und die Begegnung im alltäglichen Leben der Bewohnerschaft – in der Folge prägt häufig Anonymität das Wohnen in dieser Typologie . Gleichzeitig steigt vor allem in urbanen Räumen der Anteil an Einpersonenhaushalten seit vielen Jahren stetig an, ein Trend, der sich mit der zunehmenden Zahl an Älteren der Boomer-Generation verschärfen wird – so ist Einsamkeit und Isolation nicht erst seit der Pandemie-Zeit ein Problem („8 Millionen Deutsche fühlen sich oft oder immer einsam, wie eine Stude des vom Bundesfamilienministerium geförderten Kompetenznetzwerkes Einsamkeit zeigt. 30 Millionen Deutsche fühlten sich zumindest manchmal einsam.“ – FAZ, 04.09.2023). Wie begegnen wir diesen Entwicklungen mit einem Entwurf eines Wohnkonzepts für ein zukunftsweisendes Wohnhochhaus?

CONNECT and CARE (Überschaubarkeit in der Großform)
Funktionierende und in ihrer Größe überschaubare Nachbarschaften von 2-4 Haushalten stellen eine vielversprechende Basis für soziale Netzwerke dar. Gerade das Austarieren von Gemeinschaft und Rückzug, zwischen füreinander da sein, wenn es erforderlich ist, sich aber auch in Ruhe lassen zu können macht eine gute Nachbarschaft aus. Entsprechend der sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der späteren BewohnerInnen, lassen sich innerhalb der fixen Bauteile Kern, Schacht und Fassade Grundrisskonzepte realisieren, die ein sehr unterschiedliches Maß an Privatheit bieten. Allen Anordnungen ist gemein, dass durch das gemeinsame Ankommen in einem an das Treppenhaus angelagerte großzügigen Foyer innerhalb einer „Unité“ kleine überschaubare Gruppen ent- stehen können. Der Begegnungsraum ist Teil der alltäglichen Wegeführung – Begegnung entsteht ganz natürlich und ungezwungen. Ein eingestelltes Volumen bietet Der Begeg- nungsraum ist Teil der alltäglichen Wegeführung – Begegnung entsteht ganz natürlich und ungezwungen. Ein eingestelltes Volumen bietet einen gemeinsamen Wasch-/Trocken- raum und Garderobennischen. Über an den Wohnungseingangstüren angelagerte Seiten- und Oberlichter fällt Licht in diesen Bereich. Je nach nachgefragter/gewünschter Wohnvorstellung können diese um einen großen Gemeinschaftsraum mit Freibereich erweitert werden, der von den BewohnerInnen der „Mini-Nachbarschaft“ nach Bedarf bespielt und genutzt werden kann – als Home-Office, gemeinsamer Essbereich, für Familienfeiern oder als Spielzimmer. Die Grenze zwischen Cluster-Typologie und individueller Wohnform mit Gemeinschaftsbereichen verschwimmt.

CONVERT and COMBINE (Flexibilität als Zukunftsprinzip)
Im Sinne einer möglichst langen Nutzbarkeit zielt unser Vorschlag auf eine maximale Umbau- und Anpassungsfähigkeit. Die massiven, schwer veränderbaren Bauteile werden auf das Minimum des Hochhauskerns, vertikale Versorgungskerne und die Gebäudehülle reduziert. Eine großzügige Geschosshöhe von 3,30 m ermöglicht nicht nur eine ausreichende Belichtung bis in die Tiefe des Gebäudes, sondern schafft auch Spielraum bei einer zukünftigen Um- und Weiternutzung des Hochhauses über die gesamte Lebensdauer. Im Hinblick auf eine lange Nutzbarkeit und sich verändernden Wohnbedürfnissen, können verschiedenste Kombinationen von Wohnungsgrößen umgesetzt, aber auch bei zukünftiger geänderter Nachfrage angepasst werden. Alle angebotenen Gemeinschaftsräume im Regelgeschoss funktionieren als Alternativkonzept auch als zuschaltbare Wohnräume.

COMMUNICATE and CELEBRATE (Haus und Gemeinschaft)
Ganz besonders im Hochhaus sind verschiedene Nischen und Orte gefragt, in denen Menschen sich wohl fühlen, gerne verweilen oder andere treffen können. Von den Siedlungswegen, über das Erdgeschoss bis zum Dach müssen Begegnungsräume und Vernetzungsmöglichkeiten unterschiedlichen Maßstabs bedacht werden. Das Haus öffnet sich mit seinen Erdgeschossnutzungen zum Quartier hin – Gemeinschaft- liche Nutzungen werden hier auch für eine breitere Öffentlichkeit integriert - als Schnitt- stelle zur Stadtgesellschaft. Auf den einzelnen Geschossen der Wohnebenen werden dem Treppenraum je zwei Foyers für zwei „Unités“ angeboten, die aus 2-4 Basic-Wohneinheiten bestehen – hier steht die überschaubare Nachbarschaft im Vordergrund. Das Dachgeschoss hingegen, das klassischerweise die begehrteste Wohnebene wäre, bietet die Möglichkeit für die aktive Einbringung in übergeordnete gemeinschaftliche Aktivitäten und wird der Hausgemeinschaft zugeordnet – Ausblick/Weitblick für alle.

CALCULATE and COMPENSATE (Effizienz als Chance)
Für eine funktionierende zukunftsfähige Realisierung von Wohnraum in Hochhäusern bedarf es eines neuen Denkens bei der Flächendefinition. Der mit Brandschutzanforderungen beaufschlagte Kern wird auf ein Minimum reduziert und erfüllt die Anforderungen an den Bau und Betrieb von Hochhäusern in Hamburg in deren flächensparsamsten Kern-Variante. Je Hochhausgeschoss werden dadurch lediglich zwei Nutzungseinheiten (je knapp 200 qm) realisiert. Alle über den Kern hinausgehenden Flächen sind Nutzflächen und auch in der Praxis möblierbar, gestaltbar und von feuerpolizeilichen Anforderungen befreit. Notwendige Flure über den Kern hinaus können entfallen – die Flächen sind stattdessen nutz- bar und Teil der Gemeinschaftsbereiche.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Entwurfsverfasser*innen überzeugen das Gremium mit einer tiefen und sehr validen Analyse der Typologie, in dem sie im Entwurf die Stärken und Herausforderungen gekonnt aufzeigen. Das Prinzip von „CONNECT AND CARE - Funktionierende und in ihrer Größe überschaubare Nachbarschaften stellen eine vielversprechende Basis für soziale Netzwerke dar“ setzen die Entwurfsverfasser*innen konsequent und gut nachvollziehbar um und leisten damit insbesondere im Kontext des Hochhauses einen wertvollen Beitrag zu der Frage nach Innovation.

Die Verfasser*innen stellen überzeugend dar, dass die massiven Bauteile das Gerüst des Hochhauses bilden, um die sich die Wohnbereiche weich einfügen können. Die massiven Bauteile werden auf den Kern, zwei Stützen sowie vier Wandscheiben mit Versorgungsschächten und zwei kleinen Wandscheiben mit Schächten beschränkt.

Auf einem Geschoss befinden sich acht bis vier Wohneinheiten, die über gemeinschaftliche Bereiche zu einer „Unité“ zusammengeschlossen werden. Dabei bilden die Entwurfsverfasser*innen nur Basic-Wohnungen aus, die jedoch sehr gut gegliedert werden. Der vorgeschaltete Bereich der Gemeinschaft schließt sich selbstverständlich vor die jeweiligen Wohnbereiche und übernimmt als Waschküche und Garderobe insbesondere funktionale Nutzungen. Die Wohnungen sind gut strukturiert. Insbesondere die Beachtung der realen Bedarfe und Qualitäten, wie die am Balkon gelegene Küche, stellt eine besondere Qualität des Wohnraums dar.

Die Innovation zeigt sich an den sehr gut strukturierten Grundrissen und der Betrachtung der tatsächlichen Bedürfnisse. Gemeinschaftsbereiche werden hier nicht künstlich aufgebläht, sondern umfassen vielmehr die ohnehin notwendigen und in kleinen Wohnungen oft fehlenden Flächen, wie Waschküche oder Garderobe. Das Gremium würdigt insbesondere die Qualität der durch den Grundriss ermöglichten spontanen und reellen Begegnung, die insbesondere in einer Hochhaustypologie oft nicht selbstverständlich ist.