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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2023

Innovative Grundrisse für den geförderten Wohnungsbau

ein 1. Preis / Typologie Punkthochhaus

studio ELE

Architektur

Erläuterungstext

LEITSATZ
Im Sinne einer sharing economy die privaten Bereiche zu minimieren und die so gewonnene Fläche der gesamten Bewohnerschaft zur Verfügung zu stellen bildet die Grundidee des Entwurfs.

RAUMBEDARF
Zuviel Raum bleibt zu häufig ungenutzt! In den meisten Wohnungen werden Flächen für Jegliches vorbehalten - unregelmäßige Ereignisse, wie Abendessen mit Freunden, Feierlichkeiten, Übernachtungsgästen, bilden den Ausgang für die Dimensionierung der Räumlichkeiten und die Ansprüche an die eigenen vier Wände. Auch ist nicht jede und jeder täglich im Homeoffice, trotzdem muss es einen Ort geben, an dem dies möglich ist. Und wie steht es um die Aufstellfläche der Waschmaschine, der Lagerung der Weihnachts - Deko, der Jogamatte? Alles Dinge ohne Notwendigkeit, hier tagtäglich und unmittelbar drauf zugreifen zu können - und trotzdem wird es in den Flächenbedarf gerechnet, der als Standard verstanden wird.
Um der stetig steigenden Nachfrage nach Wohnraum gerecht zu werden, kann sich die Stadt nicht immer weiter ausbreiten. Stattdessen muss umgedacht und neu verhandelt werden.
Und das impliziert keine Einschränkung – ganz im Gegenteil! Wenn der Raum außerhalb der eigenen vier Wände liegt und aus einem Zusammenschluss von mehreren Einheiten erwächst, addiert sich eine gemeinsame Größe, die im privaten Bereich niemals realisiert werden könnte. Bei gleichem, oder sogar geringeren Wohnbedarf also mehr Raum für Jede und Jeden. Die vertikale Verdichtung wird hierbei nicht als Problem, sonder als Chance gesehen.

SOZIALES ZUSAMMENLEBEN
Der Entwurf zielt darauf ab, die soziale Verbindung und Interaktion der Bewohner*Innen zu stärken. Anstatt nur isolierte Wohnräume zu schaffen fungiert das Haus als Ort der durchmischten Nachbarschaften. Gemeinschaft und Begegnung, sowie das Bedürfnis nach Privatheit stehen in einem ausgewogenen Verhältnis.
Das Hochhaus versteht sich also als architektonische Antwort darauf, wie in der heutigen Zeit - vor allem im urbanen Kontext - Menschen als Gemeinschaft, aber vor allem auch als Gesellschaft interagieren, zusammenleben und Ressourcen teilen können. Durch die Stapelung von identifizierbaren Geschossen wird der Anonymisierung entgegengewirkt. Hierbei wird das Haus nach einem konzentrischen Prinzip von nachbarschaftlichen und identitätsstiftend hin zu privaten Bereichen strukturiert:

Leben in der Nachbarschaft: Die Idee der hausinternen Nachbarschaften bezieht sich vor allem auf die Förderung der sozialen Beziehungen innerhalb der gesamten Bewohnerschaft. Auf der Ebene des Erd- und Dachgeschosses werden Räume für gemeinschaftliche Aktivitäten wie Versammlungen oder Feiern angeboten. Zudem werden nicht-kommerzielle Nutzungen, wie beispielsweise einem Fitnessraum oder einer Kreativwerkstatt, bereitgestellt, die der gesamten Bewohnerschaft uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Die Räume sind hierbei offen und flexibel gehalten, und lassen sich bei sich änderndem Bedarf problemlos anderweitig bespielen.

Leben in der Gemeinschaft: Zwei Geschosse bilden jeweils eine von insgesamt sechs hausinternen Wohngemeinschaften. Jeweils ein geschossübergreifender Gemeinschaftsraum ergänzt die privaten Wohneinheiten, fördert so die Interaktion innerhalb der Bewohnerschaft und bietet Qualitäten, die in klassischen Wohn- nutzungen nicht realisierbar wären. Die flexibel gehaltenen Räume können zum gemeinschaftlichen Kochen, Arbeiten, Feiern oder aber auch als Lesezimmer oder Hausbibliothek genutzt werden - je nach Bedürfnissen der Gemeinschaft. Alle Gemeinschaftsräume mit Galerieebene werden durch eine Waschküche, ein rollstuhlgerechtes WC und Flächen für Kinderwägen ergänzt.

Leben in der Wohnung: Durch das symmetrische Stützenraster entsteht eine Vielzahl von Räumen mit gleichbleibenden Raummaßen. Die bewusst gleichbleibende Charakteristik mit einer Grundfläche v on 14 qm lässt eine breite Palette von Nutzungen zu - die Räume werden also nicht wie sonst üblich auf eine spezielle Verwendung reduziert. Für die sich wechselnden Lebenssituationen oder individuellen Bedürfnisse der Bewohnerschaft werden hier also nutzungsneutrale "Bausteine" zur Verfügung gestellt, so funktioniert ein Wohn- zimmer beispielsweise auch als Schlaf-, Arbeits- oder Kinderzimmer, ohne dass direkt bauliche Maßnahmen notwendig werden.

WOHNUNGSMIX

Die Wohnungen in den Regelgeschossen organisieren sich als Drei- bis Sechsspänner um einen zentralen Erschliessungskern. Das modulare Konstruktionsgefüge und die gleichbleibenden Zimmergrößen lassen eine Vielzahl von Wohnungs-Kombinationen zu. So lässt sich auch bei anderen Baufeldern mit einer abweichenden Nachfrage ein individuell angepasster Wohnungs- mix realisieren. Eine offene Wohnküche als Zentrum einer jeden Wohnung vermittelt zwischen den Räumen, verhindert unnötige Flurfläche und bildet kurze Wege im Alltag- mit der vorgelagerten Loggia kann die Wohnküche schwellenfrei in den Außenraum erweitert werden. Die Nasszellen sind in Abhängigkeit der Wohnungsgröße als Bad oder WC ausgebildet und gewährleisten durch die gleichbleibende vertikale Anordnung kurze Installationswege.

KONSTRUKTION
Um einen massiven Erschließungskern wird ein Primärtragwerk aus Stützen und Mehrfeldträgern aus Brettschichtholz mit vorfabrizierten Decken im Holz-Beton- Verbundsystem gebildet. Sämtliche Innenwände werden als nicht tragende, ebenfalls vorfabrizierte Holzrahmenelemente ergänzt.
Brandschutztechnisch verkleidete, ausgedämmte Fassadenelemte im Holzrahmenbau werden vom Tragwerk unabhängig gefertigt und nachträglich vorgesetzt. Diese werden mit Wellplatten aus Faserzement verkleidet, sind dadurch wertbeständig und langlebig. Ein horizontal umlaufendes Band dient als natürlicher Sonnenschutz und bietet zudem Platz für eine integrierte PV-Anlage, was in Kombination mit der Dachfläche 50 % des Strombedarfs im Haus generiert.
Tragstruktur, Fassade und Innenausbau sind unabhängig voneinander. So sind Umbauten jederzeit einfach möglich und Bauteile können entsprechend ihrem Lebenszyklus ersetzt werden. Das gilt auch für die Fenster sowie die Fassadenverkleidung. Für eine Verwendung bei anderen Baufeldern lässt sich dieses Prinzip problemlos horizontal und Vertikal erweitern. Die schlanken, vertikalen Steigzonen für Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärinstallationen führen unabhängig der Wohnungskonfiguration durchgehend bis auf das Dach, horizontale Verflechtungen sind somit möglichst minimiert.

BRANDSCHUTZ
Die Haupterschliessung und Entfluchtung erfolgt über den Erschließungskern in Massivbauweise mit Sicherheitstreppenhaus, Schleuse und Feuerwehraufzug, was eine optimale Voraussetzung für eine wirtschaftliche Entrauchung bringt. Das Sicherheitstreppenhaus wird im Erdgeschoss direkt an einen sicheren Ort im Freien geführt. Die sekundäre Erschliessung der Wohnungen erfolgt über feuerwiderstandsfähig abgetrennten Fluchtkorridoren.

ENERGIE
Das Hochaus wird größtenteils ohne Fremdverschattung von Sonneneinstrahlung profitieren. Deshalb sind die horizontal umlaufenden Fassadenbänder und das Dach mit PV – Elementen belegt. Die Fläche reicht aus, um die ca. Hälfte des benötigten Stroms zu produzieren. Mit einer Tagesspeicheranlage kann auch ein wesentlicher Teil des generierten Stroms in der Nacht benutzt werden.
Zur Sicherstellung eines kontrollierten Luftwechsels ist eine Abluftanlage mit Nachtströmelementen in der Fassade vorgesehen. Auch die durch die Gebäudehöhe bedingten, starken Windgeschwindigkeiten stellen kein hierfür kein Problem dar.
Die Wärmeabgabe in den Wohnungen erfolgt über eine konventionelle Bodenheizung mit Raumthermostaten. Das Brauchwasser wird ebenfalls ganzjährig über die Fernwärme mit Frischwasserstationen bereitgestellt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Entwurfsverfasser*innen schlagen einen maximalen Mix aus verschiedenen Wohnungsgrößen vor, um die Vielfalt im Haus zu stärken. Die Wohngrundrisse sind klein, aber gut geschnitten. Die fehlende Größe in den Wohnungen wird von den Entwurfsverfasser*innen durch einen sehr angemessen proportionierten Gemeinschaftsraum ausgeglichen, der jeweils für zwei Geschosse ausgebildet ist und damit ca. 12 Bewohnende zu einer Einheit verbindet. Der Gemeinschaftsbereich ist im Norden angeordnet, sodass keine rein nordseitigen Wohnungen ausgebildet werden. Der Gemeinschaftsraum ist zweigeschossig, sodass dieser trotzdem ausreichend belichtet wird.

Neben einem offenen Koch- und Essbereich sind in den Dunkelflächen der Gemeinschaftszone Kinderwagenabstellflächen, ein WC und ein Wäscheraum vorgesehen. Als ergänzender Gemeinschaftsraum für das gesamte Gebäude wird das Dach und das Erdgeschoss vorgeschlagen.

Die Innovationskraft des Entwurfes liegt zum einen in der Wertschätzung des Alltäglichen, in dem Gemeinschaften aus verschiedenen Wohnbedarfen gebildet und durch den Gemeinschaftsraum verbunden werden. Zum anderen zeigt sich der Innovationscharakter in den kleinen und dennoch sehr gut organisierten Grundrissen der Wohnungen.