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Einladungswettbewerb | 06/2024

Neubau Hochpunkt am Platz Grüne Mitte in Bremen

Grüne Mitte Tabakquartier

Grüne Mitte Tabakquartier

ein 3. Preis

Preisgeld: 11.000 EUR

Kim Nalleweg Architekten

Architektur

Erläuterungstext

„Die Straßen, die Fabriken, der Himmel, die Menschen, die Farben.“
aus Michelangelo Antonioni: Rote Wüste

Wohnen im Himmel / Qualität und Identifikationspotenzial der Architektur

Im denkmalgeschützten Umfeld des ehemaligen Industrieareals der Zigaretten- und Tabakfabrik Martin Brinkmann AG in Woltmershausen erhebt sich ein neues Wohnhochhaus, welches die Geschichte des Ortes mit der Vision einer modernen Lebensweise verbindet. Einst der Schauplatz serieller Produktion von Tabakerzeugnissen und auf unterschiedliche Weise im kollektiven Gedächtnis eingebrannt erinnert das Gelände noch immer an vergangene Zeiten. Als Hochpunkt der Neuentwicklung des Areals kommt dem Gebäude eine wichtige Aufgabe zu. Es zitiert in seiner Gestalt, Materialität und Bauweise die industrielle Vergangenheit zur Zeit der „Brinkmänner“, wie sich die Angestellten des Familienunternehmens nannten. Die Hallen für die Tabakproduktion zeichneten sich durch die großformatigen Fenster zur Belichtung der tiefen Räume aus.

Denselben Prinzipien folgend entwickelt sich das neue Wohnhochhaus: Um für die Wohnräume genügend Tageslicht zu gewährleisten, staffelt sich das Gebäude zum Innenhof des Baufeldes 3 ab. Das damit einhergehende Eindrehen des Baukörpers zum Licht (nach Südwesten hin) folgt dem rationalen Prinzip der modernen Bauweise der Fabrikhalle, bezieht sich in der Rigidität der Fassade auf die serielle Produktion, die in den Räumen stattfand und schafft in seiner Materialität eine Reminiszenz an die industrielle Geschichte des Ortes. Dabei bewahrt das Gebäude seinen Charakter als modernes Wohnhochhaus: die eleganten Proportionen der vertikalen zu den horizontalen Bauteilen verleihen dem Haus eine Ruhe und Leichtigkeit, welche auch die Materialität und Konstruktionsweise zitiert: Klinker und Keramik werden ehrlich als solche verwendet und geben dem Gebäude einen Ausdruck der heutigen Zeit. Der Stapelverband unterstützt durch seinen atektonischen Ausdruck die Modernität des Gebäudes.
Hohlkörper-Decken, eine serielle Bauweise der konstruktiven Elemente und der Fassadenelemente komplementieren dies. Die nach außen öffenbaren Glas-Elemente der Loggien bringen ein Spiel von Leichtigkeit und Wohnlichkeit in die seriell / industriell anmutende Fassade.

Adressbildung
Der Haupteingang der Wohnnutzung liegt zur Straße „Am Gaswerksgraben“, über ein Foyer mit Sitzbank und Briefkästen wird das Wohngebäude mit Treppe und Aufzügen erschlossen. Der Nebeneingang liegt zum Hof hin, kann über einen Durchlader barrierefrei und über eine Treppe erreicht werden.
Die Gewerbeeinheiten sind ebenso von „Am Gaswerksgraben“ und dem Innenhof erschließbar. Die Gastronomie liegt prominent am Platz „Grüne Mitte“.

Erdgeschoss, Gestaltungselemente
Der Sockel des Gebäudes ist über runde Stützen von den Obergeschossen abgehoben. Diese tragen auf der Seite zur Straße „Am Gaswerksgraben“ visuell die Auskragung des Hochhauses und bilden zum Platz „Grüne Mitte“ den Sockelbereich zum öffentlichen Park. Die Fassadenelemente hier können zum Platz aufgeschoben werden, um diesen für die Gastronomie zu aktivieren. Zur „Grünen Mitte“ fügt sich das Grün der Terrasse des 2. Stocks ins Grün des Parks ein.

Einfügen in den denkmalgeschützten Kontext, Gebäudesilhouette
Der Baukörper bildet zur Straße „Am Gaswerkgraben“ einen Überhang aus. Dabei bleibt das gesamte Volumen stets innerhalb der Grundstücksgrenze, der Vorsprung geschieht lediglich gegenüber der geplanten Kante der Baufelder 1-3 und soll den Hochpunkt zusätzlich auch von Norden kommend kenntlich machen und die Sonderstellung des Gebäudes innerhalb der Neuentwicklung und des Ensembles verdeutlichen. Durch die Figur des Gebäudes, welche zum Platz „Grüne Mitte“ schlank aufragt, die damit einhergehende Konfiguration der Rückstaffelung des Hochhauses als „Lichtmaschine“ und den industriellen Charakter der Fassade ist bei der angestrebten 12-Geschossigkeit eine städtebauliche Verträglichkeit im Kontext des Ensembles gegeben.

Verschattung
Durch das Eindrehen des Gebäudes zum Innenhof des Baufeldes 3 und die Abtreppung des Volumens werden gute Lichtverhältnisse in den Wohnräumen garantiert und rein nach Norden ausgerichtete Wohnungen vermieden. Die Form des Baukörpers ist angepasst an eine möglichst geringe Verschattung des Innenhofs.

Realisierbarkeit / kostengünstiges Bauen / Tragwerk
Der vorliegende Entwurf ist in allen Nutzungsbereichen sehr flächeneffizient geplant. Die detaillierte Berechnung ist den Formblättern zu entnehmen.
Die Gebäudekonstruktion entspricht den Anforderungen an die Bremische Hochhausrichtlinie (BremHHR).
In Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung trägt die robuste, dauerhafte Konzeption und die qualitätsvolle Ausführung zu einer hohen Kostensicherheit in der Lebenszyklusbetrachtung bei. Teilweise kann der Bauablauf durch Vorfertigung wesentlicher Komponenten optimiert werden. Die im Werk vorelementierten Fenster können schnell und einfach montiert werden. Die leichten, vorgehängten Elemente der Brüstung sind ebenso schnell und einfach montierbar.
Durch eine konsequente Planung der Demontierbarkeit aller Verbindungsmittel, Anschlüsse und Befestigungen in der Fassade kann eine sortenreine Trennung nach Qualitäten der Materialien ein Rohstoffdepot für neue, modulare Fassaden, die in 30 Jahren geplant und realisiert werden.
Hohlkörper-Decken aus rezykliertem Beton, geringe Spannweiten und langlebige, einfach zu reinigende und zu wartende Oberflächen sind ebenfalls ein Beitrag zur ressourcenschonenden Wirtschaftlichkeit.
Alle Bauteile und Oberflächen sind von hoher Qualität und Lebensdauer, sowie leicht zu warten und zu reinigen.
Eine Skelettbauweise aus Stützen und Platten, Flachdecken und ein aussteifendes Treppenhaus bilden das statische Konzept. Im Erdgeschoss werden die Lasten aus den Obergeschoss teils über Unterzüge abgefangen.

Flexibilität, Funktionalität und Qualität der Grundrissstrukturen
Die Gebäudekubatur garantiert keine rein nach Norden ausgerichteten Wohnungen.
Die Wohn-und Gewerbegrundrisse sind flexibel angelegt. Zu- und abschaltbare Zimmer ermöglichen eine einfache Anpassung der Wohnungsgrößen. Das Fassadenraster ermöglicht größtmögliche Flexibilität für die Anschließbarkeit der einzelnen Wohnungseinheiten. Die Gewerbeeinheiten sind in ihrer Organisation leicht anpassungsfähig.
Der Wohnungsschlüssel und die Grundrissgestaltung versprechen ein breit gestreutes, flexibles und zukunftsfähiges Wohnangebot. Dieses spricht eine breit gefächerte Nutzendenschaft an: Paare als auch Alleinstehende, Familien und Menschen jeden Alters.
Die Anordnung und Grundrissgestaltung der Wohnungen ist flächenoptimiert geplant. Notwendige Rettungswege sowie Belichtung und Lärmquellen sind berücksichtigt. 3,5- und 4-Zimmer-Wohnungen sind zusätzlich zum barrierefreien Bad mit einem Gäste-WC (nicht barrierefrei) ausgestattet. Bäder sind standardisiert,
Jeder Wohnung ist mindestens ein windgeschützter, mind. 2m breiter Außenbereich zugeordnet. Dieser kann über das Wohnzimmer erschlossen werden. Die Verglasung dient dem Windschutz im Hochhaus.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf artikuliert innerhalb des Baublocks einen eigenständigen Auftritt, ohne sich als Solitär aus dem Ensemble zu lösen. Durch die Auskragung zur Straße Am Gaswerkgraben und die Rückstaffelung zum Innenhof entsteht eine Gebäudeform mit einem hohem Identifikationspotenzial. Insbesondere die Baukörperausbildung und Fassade auf der Straßenseite ermöglichen eine stimmige Verklammerung mit dem angrenzenden Bereich des Baublocks und integrieren sehr selbstverständlich den Eingang in das Gebäude. Mit dem Zurückspringen einer Achse, der darauf reagierenden Treppe und den kräftigen Lisenen in den beiden unteren Geschossen wird eine Adresse an der Grünen Mitte ausgebildet. Im Gegensatz dazu wird der nördliche Gebäudeabschluss wohltuend weniger prägnant ausgebildet, wobei hier brandschutztechnische Probleme auftreten werden. Mit dem breiten Fußabdruck des nördlichen Gebäudeabschlusses wird die Belichtungs- und Verschattungsproblematik auf den angrenzenden Blockrand verlagert. Die architektonische Ausformulierung der Fensterformate sowie die vorgeschlagene Materialisierung und Farbigkeit der Vorhangfassaden wird in Bezug auf den Charakter des Tabakquartiers gewürdigt. Der Eingangsbereich ist großzügig und funktional nachvollziehbar konzipiert. Die Barrierefreiheit für die Gastronomie und die Ladenflächen sind noch nicht zufriedenstellend gelöst.

Die Erschließung der Wohngeschosse ist effizient organisiert. Dies betreffen die Anordnung der Wohnungen, jedoch zum Teil Schwächen in der Raumabfolge innerhalb der Wohnungen mit einer unzureichenden Effizienz. In nördlicher Ausrichtung werden die Grundrisslösungen aufgrund fehlender Belichtung und insbesondere hinsichtlich der Brandwandausbildung in Lage und Länge kritisch bewertet. Problematisch ist die Organisation verschiedener Nutzungseinheiten auch in Bezug auf die großzügigen Fensteröffnungen. Durch die Anordnung der insgesamt gut proportionierten Loggien sind verschiedene Einsichtnahmen in benachbarte Wohnungen anzumerken. Die von den Verfassenden formulierten Vorschläge für die baukonstruktive Ausbildung und das energetische Konzept erweisen sich eher als konventionell. Die Fassadenvorschlag wird als ein sehr kostenintensiver Vorschlag bewertet. Insgesamt würdigt die Jury einen stimmigen, prägnanten und eigenständigen Entwurf.
Grüne Mitte Tabakquartier

Grüne Mitte Tabakquartier